Berufungszulassung, da ausreichend substantiierter Sachverständigenbeweisantrag bei Posttraumatischer Belastungsstörung im gerichtlichen Verfahren auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG (drohende Retraumatisierung, Suizidgefahr).
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Dem Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 18. März 2010 insoweit zuzulassen, "als die Klage hinsichtlich der Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 AufenthG abgewiesen wurde", war insoweit zu entsprechen, als das Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in Frage steht. Denn die Ablehnung des in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrags, mit dem nachgewiesen werden sollte, dass beim Kläger eine massive Traumatisierung vorliegt, und dass bei einer Abschiebung in die Türkei mit einer sofortigen, massiven Retraumatisierung und innerhalb kürzester Zeit eintretender schwersten Destabilisierung, verbunden mit einer erheblichen Suizidgefahr, zu rechnen sei, fand im Prozessrecht jedenfalls insoweit keine Stütze, als dem zweiten, auf die Gefahr einer Retraumatisierung und suizidalen Entwicklung abzielenden Teil dieses Beweisantrags mit der Begründung nicht entsprochen wurde, er sei unsubstantiiert und letztlich auf eine Beweisermittlung gerichtet. Es liegt deshalb der Zulassungsgrund nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO vor.
Die im zweiten Teil des Beweisantrags aufgestellten tatsächlichen Behauptungen stimmen wortgleich mit den Ausführungen am Ende des Schreibens des Bezirksklinikums Regensburg an den Bevollmächtigten des Klägers vom 17. November 2008 überein. Das Verwaltungsgericht hätte diesen Teil der Beweisbehauptungen des Klägers deshalb nur dann als unsubstantiiert bezeichnen dürfen, wenn das Schreiben des Bezirksklinikums nicht den Mindestanforderungen entsprochen hätte, die nach den beiden Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. September 2007 (Az. 10 C 8.07 [BVerwGE 129, 251]; Az. 10 C 17.07 [Buchholz 402.242 § 60 Abs. 2 ff. AufenthG Nr. 31]) an die Substantiierung eines Sachverständigenbeweisantrags zu stellen sind, der das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung zum Gegenstand hat. Die insoweit aufgestellten Kriterien sind auf einen Beweisantrag entsprechend anwendbar, mit dem die Gefahr einer Retraumatisierung und einer suizidalen Entwicklung für den Fall der Rückführung in das Land geltend gemacht wird, in dem es behauptetermaßen zu einer Traumatisierung gekommen ist.
Das Schreiben vom 17. November 2008 genügt den Anforderungen, die an die Substantiierungsobliegenheit eines Rechtsschutzsuchenden in asyl- und flüchtlingsrechtlichen Verfahren zu stellen sind. Es wurde von einem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie verfasst. Aus ihm ergibt sich ferner, auf welcher Grundlage die darin enthaltenen diagnostischen Aussagen gewonnen wurden (nämlich im Rahmen einer vom 15.10.2003 bis zum 24.5.2004 und vom 2.6.2008 bis mindestens zur Abfassung des Schreibens vom 17.11.2008 dauernden - mithin ausreichend langen und intensiven - stationären Behandlung im Bezirksklinikum). Ebenfalls ausgeführt wird in diesem Schreiben, wie sich die aus der Sicht des Bezirksklinikums bestehende Erkrankung des Klägers konkret darstellt und welche therapeutischen Maßnahmen ergriffen wurden (vgl. vor allem die Darlegungen auf Seite 2 Mitte des Schreibens vom 17.11.2008). Ansatzweise aufgezeigt wurde ferner, warum die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung erst im Rahmen des erneuten Aufenthalts des Klägers im Bezirksklinikum habe gestellt werden können (vgl. die Ausführungen zu Beginn des vorletzten vollständigen Absatzes auf Seite 2 dieses Schreibens). [...]