Keine Verfolgungsgefahr für Homosexuellen in Nigeria, da die Homosexualität jedenfalls in den Städten weitgehend problemlos ausgelebt werden kann. Hinsichtlich staatlicher Verfolgungsmaßnahmen mag Homosexuellen in den nördlichen Staaten Nigerias abstrakt die Anwendung der Scharia drohen. Jedoch sind keine konkreten Fälle bekannt. Zudem besteht auch die Möglichkeit, im Süden Nigerias dieser Gefahr zu entgehen.
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Dem Kläger droht aufgrund seiner Homosexualität jedenfalls keine politische Verfolgung im Sinne von Art. 16a GG bzw. §60 Abs. 1 AufenthG. Dies gilt sogar dann, wenn er, wie er vorgibt, insoweit bereits behördlich auffällig geworden ist. Denn die dem Gericht vorliegenden Erkenntnisquellen lassen nicht den Schluss zu, dass dem Kläger dessentwegen politische Verfolgung im Sinne der genannten Vorschriften droht. Hierzu ist folgendes auszuführen:
Das Institut für Afrika-Kunde erwähnt in seiner Auskunft an das Verwaltungsgericht Stuttgart vom 8. März 2004 zwar den Vorfall, dass im von der islamischen Scharia geprägten nördlichen Bundesstaat Kebi in Nigeria nach der Scharia gegen einen erwachsenen Mann wegen sexueller Nötigung eines siebenjährigen Jungen im Oktober 2002 die Todesstrafe durch Steinigen verhängt wurde. Darüber hinaus gebe es aber kaum konkrete Belege für unmittelbare staatliche Sanktionen gegen Homosexualität. Allerdings unterlägen in Nigeria homosexuelle Beziehungen beider Geschlechter gesellschaftlicher Ächtung und Tabuisierung. Dem entsprechen im wesentlichen die Erkenntnisse von Amnesty International. In der dortigen Auskunft vom 11. Februar 2003 an das Verwaltungsgericht Oldenburg wird zwar im Einzelnen erläutert, dass gleichgeschlechtliche Handlungen zwischen Personen männlichen Geschlechts nach den §§ 214 ff. des nigerianischen Strafgesetzbuches (criminal code act) strafrechtliche Folgen haben könnten. Es seien aber keine Fälle, in denen die genannten Vorschriften zur Anwendung gekommen seien, und keine Verurteilungen wegen praktizierter Homosexualität bekannt geworden. Unterschiedliche Quellen gingen davon aus, dass freiwillige homosexuelle Handlungen zwischen Erwachsenen nicht mehr bestraft würden. Abgesehen von der strafrechtlichen Behandlung werde Homosexualität gleichwohl - und hier vor allem männliche Homosexualität - in der nigerianischen Gesellschaft noch immer selbst in aufgeklärteren Kreisen als "abnorm" angesehen und treffe auf weitestgehende Ressentiments und Ablehnung. Das Auswärtige Amt hinwiederum geht davon aus, dass zwar in der Tat eine gewisse gesellschaftliche Ächtung gleichgeschlechtlicher Liebe besteht, dies allerdings nur, wenn die Homosexualität offen ausgelebt werde. Selbstbestimmte homosexuelle Handlungen seien zwar laut Gesetz strafbar, würden aber, soweit erkennbar, derzeit nur in Ausnahmefällen verfolgt. Konkrete Fälle von Verurteilungen seien nicht bekannt. Es sei nach Kenntnis des Auswärtigen Amtes nicht damit zu rechnen, dass es bei homosexuellen Handlungen zwischen Erwachsenen zu einer Verurteilung komme. Eine aktive staatliche oder gesellschaftliche Verfolgung von bzw. Suche nach homosexuellen Paaren finde nicht statt (Auskunft an das VG Stuttgart vom 17. Mai 2004). Dies gelte landesweit. Für die nördlichen, mehrheitlich muslimischen Bundesstaaten sei allerdings zu berücksichtigen, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass ein praktizierender Homosexueller dort analog zu Fällen des unehelichen Geschlechtsverkehrs zum Tod durch Steinigung verurteilt würde. Bisher seien jedoch keine solchen Fällen bekannt geworden (Auskunft an das VG Oldenburg vom 8. Januar 2003). In seinem aktuellen Lagebericht vom 29. März 2005 stellt das Auswärtige Amt fest, dass selbstbestimmte homosexuelle Handlungen laut Gesetz zwar strafbar seien, aber soweit erkennbar nur in Ausnahmefällen verfolgt würden.
Aus dieser Auskunftslage zieht das Gericht in ständiger Rechtsprechung (vgl. Gerichtsbescheid vom 12.9.2005 Az M 12 K 05.50819), an welcher festgehalten wird, den Schluss, dass dem Kläger aufgrund seiner Homosexualität weder eine staatliche noch eine Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure droht. Vielmehr ist eine solche nicht hinreichend wahrscheinlich. Eine nichtstaatliche Verfolgung liegt schon deshalb nicht vor, weil das bloße gesellschaftliche Ächten oder Ausgrenzen einer Minderheit durch die Bevölkerungsmehrheit nicht die nötige Verfolgungsintensität erreicht. Zudem geht das Gericht entsprechend den Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes (Auskunft an das VG Stuttgart vom 17. Mai 2004) davon aus, dass es in einer Dorfgemeinschaft naturgemäß enge soziale Kontrollmechanismen gibt, Homosexualität aber jedenfalls in den Städten sozial weitgehend problemlos ausgelebt werden kann. Hinsichtlich staatlicher Verfolgungsmaßnahmen mag Homosexuellen in den nördlichen Staaten Nigerias abstrakt die Anwendung der Scharia drohen. Jedoch ist diese Anwendung bisher nicht bekannt. Zudem besteht - auch für den Kläger - die Möglichkeit, sich durch einen Aufenthalt im Süden Nigerias dieser Gefahr zu entziehen. Ansonsten vermag das Gericht den vorliegenden Erkenntnisquellen im Ergebnis keine hinreichend konkreten Belege für unmittelbare staatliche Sanktionen gegen Homosexuelle zu entnehmen. [...]