OVG Nordrhein-Westfalen

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Zitieren als:
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01.06.2010 - L 20 AY 4/10 B ER - asyl.net: M17590
https://www.asyl.net/rsdb/M17590
Leitsatz:

1. Voraussetzung für die Gewährung von sog. Analogleistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG ist u. a. , dass der Antragsteller Grundleistungen nach § 3 AsylbLG über eine Dauer von insgesamt 48 Monaten bezogen hat. Die Vorbezugsfrist des § 2 Abs. 1 AsylbLG ist keine Wartefrist, innerhalb derer es unerheblich wäre, ob und welche Leistungen der Ausländer bezogen hat.

2. Einer den Wortlaut des § 2 AsylbLG erweiternden Auslegung, mit der Bezugszeiten anderer Leistungen als derjenigen nach § 3 AsylbLG oder Zeiten ohne irgendeinen Leistungsbezug im Rahmen der Vorbezugsfrist gleichgestellt würden, stehen Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung entgegen.

3. Im Anschluss an die Entscheidung des BVerfG vom 9. 2. 2010 erscheint es fraglich, ob die Leistungen nach § 3 AsylbLG mit der Verfassung vereinbar sind. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erscheint es aber nicht geboten, höhere Leistungen über den vom AsylbLG gesetzlich festgelegten Rahmen hinaus zuzusprechen.

Schlagwörter: Grundleistungen, Analogleistungen, Bezugsdauer, Asylbewerberleistungsgesetz, Aufenthaltsdauer, Vorbezugsfrist, Vorbezug, Existenzminimum, soziokulturelles Existenzminimum, einstweilige Anordnung,
Normen: AsylbLG § 3, AsylbLG § 2, AufenthG § 25 Abs. 5, GG Art. 1 Abs. 1, GG Art. 2 Asb. 1, GG Art. 20 Abs. 1, GG Art. 28 Abs. 1 S. 1,
Auszüge:

[...]

Die Beschwerde der Antragsteller ist zulässig, aber nicht begründet.

1. Dabei geht der Senat nach summarischer Prüfung zunächst davon aus, dass eine britische Staatsangehörigkeit der Antragstellerin zu 2 nicht besteht. [...]

2. Vor diesem Hintergrund aber stellt sich die Entscheidung des Sozialgerichts in dem angefochtenen Beschluss vom 15.12.2009 als zutreffend dar.

a) Denn die Gewährung von Leistungen nach § 3 AsylbLG und nicht nach § 2 AsylbLG entspricht bei summarischer Prüfung der einfachgesetzlichen Rechtslage, wie sie sich aus der Lesart der anzuwendenden Vorschriften des AsylbLG nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ergibt:

Nach § 2 Abs. 1 AsylbLG ist Voraussetzung für die Gewährung von Analogleistungen bei Antragstellern, die – wie die Antragsteller – die Dauer ihres Aufenthalts in Deutschland nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben, dass sie über eine Dauer von insgesamt 48 Monaten Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten haben. Ein solcher Vorbezug von Grundleistungen nach § 3 über eine Dauer von insgesamt 48 Monaten liegt bei den Antragstellern unstreitig nicht vor.

Sofern sie der Ansicht sind, Zeiten des Bezuges anderer Leistungen (BSHG, Jugendhilfe, SGB II) oder von Unterhalt durch den Vater der Antragstellerin zu 2 oder durch die früheren Pflegeeltern der Antragstellerin zu 1 seien in diese Vorbezugsfrist einzurechnen, steht dies im Widerspruch zur Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 17.06.2008 – B 8/9b AY 1/07 R. Das Gericht hat dort für Recht erkannt, dass die Vorbezugsfrist des § 2 Abs. 1 AsylbLG keine Wartefrist sei, innerhalb derer es unerheblich wäre, ob und welche (Sozial-) Leistungen der Ausländer bezogen habe.

Dies folge aus dem insoweit zwingenden Wortlaut der Vorschrift. Zwar sei eine bestimmte Auslegungsmethode oder eine reine Orientierung am Wortlaut verfassungsrechtlich nicht geboten. Eine teleologische Reduktion, eine systematische oder eine historische Auslegung von Vorschriften entgegen ihrem Wortlaut gehöre sogar zu den anerkannten, verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Auslegungsgrundsätzen und könne zulässig sein, wenn die in den Gesetzesmaterialien oder der Gesetzessystematik zum Ausdruck kommende Regelungsabsicht eine analoge oder einschränkende Anwendung des Gesetzes auf gesetzlich nicht umfassten Sachverhalte gebiete und deswegen sowie wegen der Gleichheit der zugrunde liegenden Interessenlage auch der nicht geregelte Fall hätte einbezogen werden müssen.

In einem solchen Falle dürfe dem Gesetz jedoch kein entgegenstehender Sinn verliehen werden, der normative Gehalt der auszulegenden Norm nicht grundlegend neu bestimmt oder das gesetzgeberische Ziel in einem wesentlichen Punkt verfehlt werden. Einer den Wortlaut des § 2 AsylbLG erweiterende Auslegung, mit der Bezugszeiten anderer Leistungen als derjenigen nach § 3 AsylbLG oder Zeiten ohne irgendeinen Leistungsbezug im Rahmen der Vorbezugsfrist gleichgestellt würden, stünden jedoch Sinn und Zweck der Regelung und deren Gesetzesentwicklung entgegen. So habe § 2 AsylbLG i.d.F. des Gesetzes zur Neuregelung der Leistungen für Asylbewerber vom 30.06.1993 für geduldete Ausländer überhaupt keine Vorbezugszeit und für Asylbewerber eine reine Wartefrist von zwölf Monaten nach Asylantragstellung normiert. Auch der Entwurf eines ersten Gesetzes zur Änderung des AsylbLG vom 24.10.1995 habe zunächst ebenfalls keinen Vorbezug von Leistungen nach § 3 AsylbLG vorgesehen, sondern eine reine Wartefrist von 24 Monaten nach Erteilen einer Duldung, und der Entwurf habe auf die Wartefrist bei Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtigen, deren Abschiebung wegen des Krieges in ihrem Heimatland ausgesetzt gewesen sei, sogar gänzlich verzichtet. Die Verschärfung des Zugangs zu den Leistungen nach § 2 AsylbLG im Verhältnis zur Vorgängerregelung stehe dabei im engen Zusammenhang mit der in § 1 Abs. 1 AsylbLG vorgenommenen Erweiterung des leistungsberechtigten Personenkreises, insbesondere um geduldete Ausländer, sowie der Beseitigung der vormals ungleichen Behandlung von Ausländern mit Duldung, die nicht Kriegs- oder Bürgerkriegsflüchtlinge gewesen seien, und Asylbewerbern. Vom Grundsatz her hätten alle Ausländer, die sich typischerweise nur vorübergehend im Bundesgebiet aufhielten, die gleichen, niedrigeren Leistungen nach §§ 3 ff. AsylbLG erhalten. Der Gesetzentwurf sei (noch) von dem Gedanken getragen gewesen, dass der Status der Duldung nur ein schnell vorübergehender sei. Bei längerer Aufenthaltsdauer und einer damit verbundenen Verfestigung des Aufenthaltsstatus (die Zwei-Jahres-Frist habe mit dem damaligen § 30 Abs. 4 Ausländergesetz (AuslG), der nach dieser Frist die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis vorgesehen habe, korrespondiert) habe dem Ausländer durch die Gewährung von Analogleistungen eine Integration in die deutsche Gesellschaft durch öffentliche Mittel ermöglicht werden sollen.

Diese Integrationskomponente habe sich jedoch in der endgültigen Fassung des Ersten Gesetzes zur Änderung des AsylbLG vom 26.05.1997 verloren. Erstmals habe das Gesetz auf den Bezug von Leistungen nach § 3 AsylbLG abgestellt ("erhalten haben") und dies für eine Dauer von 36 Monaten ab dem 01.06.1997 verlangt. Im Vordergrund sei der Gedanke der Kosteneinsparung getreten, zu erkennen daran, dass der Zeitraum von 36 Monaten am 01.06.1997 zu laufen begonnen habe, also alle Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG ohne Rücksicht darauf erfasst habe, ob sie bereits zuvor Analogleistungen erhalten hätten. Dies zeige, dass der Gesetzgeber schon 1997 bewusst allein auf den Bezug von Grundleistungen nach § 3 AsylbLG abgestellt habe und sonstige Vorbezugszeiten (auch solche nach § 2 AsylbLG vor dem 01.06.1997), und Zeiten ohne jeglichen Leistungsbezug habe ausklammern wollen. Er habe also beabsichtigt, die höheren Leistungen nach § 2 AsylbLG daran zu koppeln, dass das Existenzminimum für einen festen Zeitraum von drei Jahren nur auf einem niedrigeren Niveau habe sichergestellt werden sollen.

Mit der ab dem 01.01.2005 geltenden neuen Regelung hätten schließlich abweichend vom bis zum 31.12.2004 geltenden Recht Leistungsberechtigte von Analogleistungen ausgeschlossen werden sollen, denen rechtsmissbräuchliches Verhalten, bezogen auf die Dauer des Aufenthalts, vorgeworfen werden könne. Neben der beabsichtigten Sanktion habe durch den Bezug von Grundleistungen für die Dauer von drei Jahren aber auch den Anreiz für die Einreise von Ausländern und ihren weiteren Verbleib im Bundesgebiet genommen werden sollen. Dieses Ziel würde verfehlt, wenn andere Sozialleistungen (auch Analogleistungen oder solche nach § 1a AsylbLG) oder gar Zeiten, in denen der Leistungsberechtigte seinen Bedarf aus eigenem Einkommen oder Vermögen habe decken können, die erforderlichen Zeiten des Vorbezugs erfüllen würde. Die Gegenauffassung, die mit der § 2 AsylbLG innewohnenden Integrationskomponente argumentiere, berücksichtige nicht hinreichend diese Rechtsentwicklung und interpretiere die Vorbezugsfrist zu Unrecht als reine Wartefrist.

Die Gesetzesmaterialien zur Änderung des § 2 AsylbLG mit Wirkung ab dem 28.08.2007 (Vorbezugszeit von nunmehr 48 Monaten) stützten die für die Zeit ab dem 01.01.2005 vorgenommene Auslegung. Zwar werde die Anhebung auf 48 Monate mit einer Angleichung zu Regelungen im AufenthG (§ 104a) und einer Änderung der Verordnung über das Verfahren und die Zulassung von im Inland lebenden Ausländern zur Ausübung einer Beschäftigung (Beschäftigungsverfahrensordnung) begründet, deren § 10 Satz 3 nach Ablauf von vier Jahren einen gleichrangigen Arbeitsmarktzugang für Geduldete gewähre. Für den Zeitpunkt der Gewährung von Leistungen auf Sozialhilfeniveau werde dabei auf den Grad der zeitlichen Verfestigung des Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland abgestellt. Nach einem Voraufenthalt von vier Jahren sei nach den Gesetzesmaterialien davon auszugehen, dass eine Aufenthaltsperspektive entstanden sei, die es gebiete, Bedürfnisse anzuerkennen, die auf eine bessere soziale Integration gerichtet seien. Dennoch sei die Erforderlichkeit des Vorbezugs von Leistungen nach § 3 AsylbLG beibehalten worden; es bestünden deshalb keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Gesetzgeber die mit der Regelung des § 2 Abs. 1 AsylbLG (neben der Integrationskomponente) verbundene Intention, den Bezug von Analogleistungen an eine bestimmte Dauer des Vorbezugs von Grundleistungen zu koppeln, habe aufgeben wollen. Mit der Verlängerung der Vorbezugszeit hätten vielmehr nach der Gesetzesbegründung Leistungsberechtigte des AsylbLG (auch) ermutigt werden sollen, ihren Lebensunterhalt möglichst durch eigene Arbeit und nicht durch Leistungen des Sozialsystems zu sichern. Niedrige Leistungen hätten also dazu dienen sollen, Anreize für die Aufnahme einer Beschäftigung zu geben. Die Aufnahme einer Beschäftigung durch Asylbewerber bzw. geduldete Ausländer sei insoweit mit Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit sogar schon möglich, wenn sie sich ein Jahr gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhielten (§ 61 Abs. 2 Asylverfahrensgesetz, § 10 Beschäftigungsverfahrensordnung).

b) Jedenfalls für die Zwecke des Verfahrens auf Gewährung von einstweiligen Rechtsschutzes sieht der Senat keine Möglichkeit, bei der Auslegung von § 2 Abs. 1 AsylbLG von dieser höchstrichterlichen Rechtserkenntnis durch das Bundessozialgericht abzuweichen. Denn anders als im Hauptsacheverfahren, bei dem im Falle eines Abweichens von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zuzulassen wäre, um ggf. eine erneute höchstrichterliche Prüfung zu ermöglichen, ist im Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes eine Anrufung des Bundessozialgerichts im Anschluss an die Beschwerdeentscheidung des Landessozialgerichts vom SGG nicht vorgesehen. Da es zumal keine Anzeichen für eine bevorstehende Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung durch das Bundessozialgericht gibt, erscheint es wenig wahrscheinlich, dass die Antragsteller im Hauptsacheverfahren die Auslegung des einfachen Rechts durch das Bundessozialgericht in ihrem Sinne wenden können. Dann aber scheint es der Antragsgegnerin nicht zuzumuten, einstweilen höhere Leistungen zu erbringen, die nach aller Wahrscheinlichkeit im (in Ansehung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kaum zweifelhaft erscheinenden) Falle des späteren Unterliegens der Antragsteller im Hauptsacheverfahren nicht wieder rückholbar wären.

c) Im Rahmen des Verfahrens auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes können die Antragsteller auch mit ihren verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Auslegung des § 2 Abs. 1 AsylbLG sowie grundsätzlich gegen die Leistungsbemessung bei den Grundleistungen nach § 3 AsylbLG nicht durchdringen.

Zwar ist den Antragstellerin zuzugegeben, dass (erst) die Leistungen nach dem SGB XII das sog. soziokulturelle Existenzminimum einer Lebensführung in Deutschland sicherstellen, und dass (regelmäßig erst) damit - entsprechend der Aufgabe der Sozialhilfe, die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht (§ 1 Abs. 1 SGB XII) - der verfassungsrechtlich verbürgte Anspruch auf das Existenzminimum (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG; vgl. hierzu auch Horrer, Das Asylbewerberleistungsgesetz, die Verfassung und das Existenzminimum, 2001, 145 ff.) eingelöst wird (vgl. Armborst, in: LPKSGB XII, 8. Aufl. 2008, § 1 Rn. 5); die darunter liegenden Normalleistungen nach § 3 AsylbLG (insoweit pointiert der Titel der Schrift von Classen, Menschenwürde mit Rabatt. Leitfaden und Dokumentation zum Asylbewerberleistungsgesetz, 2. Aufl. 2000) können deshalb im Wesentlichen allein mit der besonderen, regelmäßig nur auf absehbare Dauer angelegten Aufenthaltssituation und einem deshalb abweichenden Bedarf von Berechtigten nach dem AsylbLG gerechtfertigt werden (vgl. hierzu Horrer, a.a.O., 179 ff, insbes. 195 ff., der allerdings die Leistungen unterhalb des Sozialhilfeniveaus nur bis zur Dauer eines Jahres für verfassungsgemäß hält). Gleichzeitig ist jedoch wegen des bereits längeren und prognostisch nicht alsbald endenden Aufenthalts in Deutschland diese Besonderheit der Aufenthaltssituation der Familie der Antragsteller deutlich verblasst.

Bei der Anknüpfung der Zuweisung von Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG zu Leistungen entweder nach § 2 oder nach § 3 AsylbLG an die Aspekte der Verfestigung des Aufenthalts und des Integrationsbedarfs in die bundesrepublikanische Gesellschaft ist jedoch ein weiter Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers anzuerkennen. Nach Ansicht des Senats ist die zwingende Vorfrist eines 36- bzw. jetzt 48-monatigen Bezuges von Leistungen nach § 3 AsylbLG für den Bezug von Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG auch bei ggf. bereits längerem hiesigen Aufenthalt noch dem Bereich der sachgerechten Erwägungen zuzuordnen; denn sollte sich der Aufenthalt (anders als in den Fällen des § 25 Abs. 5 AufenthG) derart weiter verfestigen, dass die Anspruchsberechtigung nach § 1 AsylbLG zugunsten einer solchen nach dem SGB II oder (originär) nach dem SGB XII entfällt, so wirkte sich dies zugleich unmittelbar auf die sozialleistungsrechtliche Versorgung positiv aus.

Allerdings erscheint insbesondere im Anschluss an die Entscheidung des Bundesverfassungsgericht vom 09.02.2010 – 1 BvL 1/09, 3/09 und 4/09 zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Leistungsbemessung bei den Regelleistungen nach dem SGB II durchaus fraglich, ob die Leistungen nach § 3 AsylbLG mit der Verfassung vereinbar sind (vgl. hierzu jüngst Kingreen, Schätzungen "Ins Blaue hinein": Zu den Auswirkungen des Hartz IV-Urteils des Bundesverfassungsgerichts auf das Asylbewerberleistungsgesetz, in: NVwZ 2010, 558 ff.). Es ist den Antragstellern auch zuzugeben, dass das vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung erkannte, unverfügbare und staatlich einzulösende Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht davon abhängen kann, ob der Betroffene die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder sich mit einem gesicherten Aufenthaltsstatus in Deutschland aufhält; auch ist insoweit die Leistungsregelung des AsylbLG jedenfalls verfassungsrechtlichen Zweifeln ausgesetzt, zumal die Geldbetragsleistungen nach § 3 Abs. 2 sowie nach § 3 Abs. 1 Satz 4 AsylbLG seit 1993 nicht angepasst worden sind und auch 1993 schon unterhalb des soziokulturellen Existenzminimums nach dem damaligen Bundessozialhilfegesetz (BSHG) gelegen haben (vgl. Beschluss des Senats vom 31.03.2010 - L 20 B 3/09 AY ER). Diese Nichtanpassung der Leistungen steht im Übrigen in erkennbarem Widerspruch zu § 3 Abs. 3 AsylbLG; danach setzt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Einvernehmen mit den Bundesministerien des Innern und der Finanzen durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Beträge nach Abs. 1 Satz 4 und Abs. 2 Satz 2 der Vorschrift (Taschengeld, Wert der Gutscheine bzw. Geldleistungen) jeweils zum 01. Januar eines Jahres neu fest, wenn und soweit dies unter Berücksichtigung der tatsächlichen Lebenshaltungskosten zur Deckung des in Abs. 1 genannten Bedarfes erforderlich ist. Angesichts der zwischenzeitlichen Inflation bedeutet dies eine seit 1993 erhebliche faktische Absenkung des bereits formell abgesenkten Existenzminimums (selbst eine Umstellung der Grundbeträge auf im Wert geringfügig höhere Euro-Beträge ab dem 01.01.2002 scheiterte am Widerstand des Bundesrates). Gleichwohl ist nicht auszuschließen, dass sich der Bedarf von Asylbewerbern, deren Aufenthalt in Deutschland nach der gesetzlichen Wertung nicht verfestigt und nur vorübergehender Natur ist, anders bemisst, als das soziokulturelle Existenzminimum, welches mit den Regelleistungen nach dem SGB II sichergestellt werden muss (Beschluss des erkennenden Senats, a.a.O.).

Der Senat sieht deswegen im vorliegenden Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes keine Möglichkeit, mit Rücksicht auf die verfassungsrechtliche Problematik der Leistungsbemessung im Rahmen des AsylbLG den Antragstellern höhere Leistungen im Wege der vorläufigen Verpflichtung der Antragsgegnerin über den vom AsylbLG gesetzlich festgelegten Rahmen hinaus zuzusprechen.

Dies gilt auch angesichts des Umstandes, dass die Antragsteller eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG besitzen und es jedenfalls nach derzeitigem Stand fraglich erscheint, ob bzw. wann sie nach Nigeria zurückkehren (bzw. im Falle der Antragsteller zu 2 und 3 erstmals dorthin ausreisen) können sowie auch angesichts des Umstandes, dass insbesondere die Antragstellerin zu 1 schon seit langen Jahren in Deutschland lebt. Denn nach ihrem rechtlichen Status, der als normative Vorgabe jedenfalls im Rahmen des Verfahrens auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes der Beurteilung eines Leistungsanspruchs nach § 2 Abs. 1 AsylbLG zugrunde zu legen ist, sind die Antragsteller gleichwohl im Besitz eines nicht dauerhaften und auch nicht mal eines in Richtung auf einen dauerhaften Verbleiben in Deutschland verfestigten Aufenthaltstitels. Denn diese Aufenthaltserlaubnis dürfte bei summarischer Prüfung nicht mehr weiter erteilt werden, wenn sich die Verhältnisse in Nigeria so ändern sollten, dass eine Ausreise der Antragsteller möglich erscheint.

Auch eine Aussetzung des vorliegenden Verfahrens zur Einholung einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 100 Abs. 1 GG erscheint von vornherein nicht geboten. Denn im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 86b Abs. 2 SGG ist eine nur vorläufige Klärung herbeizuführen, bei der möglichst zeitnah entschieden wird, welche Leistungspflichten einstweilen gelten sollen. Eine diesem Verfahrenszweck entsprechende zeitnahe Klärung der Verfassungsmäßigkeit des Leistungsgefüges nach dem AsylbLG in einem Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG wäre jedoch nicht zu erwarten.

Im Hauptsacheverfahren wird den verfassungsrechtlichen Zweifeln allerdings näher nachzugehen sein, zumal vieles dafür spricht, dass die Bemessung von Leistungen nach § 3 AsylbLG nicht auf einem Verfahren beruht, das im Hinblick auf das genannte Urteil des Bundesverfassungsgerichts den Anforderungen an die Leistungsbemessung mit Blick auf das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums genügen könnte. [...]