VG Stade

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VG Stade, Urteil vom 11.08.2010 - 1 A 275/10 - asyl.net: M17610
https://www.asyl.net/rsdb/M17610
Leitsatz:

Rechtmäßige Ausweisung und Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis eines 20-jährigen Iraners, der als Minderjähriger erhebliche Straftaten begangen hat (sog. Intensivtäter).

Schlagwörter: Ausweisung, Aufenthaltserlaubnis, Verlängerungsantrag, örtliche Zuständigkeit, Jugendstrafe, Fiktionswirkung, Verhältnismäßigkeit, familiäre Beistandsgemeinschaft, rechtmäßiger Aufenthalt, Achtung des Privatlebens, Straftat, Intensivtäter, Integration, Verwurzelung, Entwurzelung, Zumutbarkeit, Iran, Wiederholungsgefahr, Prognose
Normen: AufenthG § 53 Nr. 1, AufenthG § 81 Abs. 4, GG Art. 6 Abs. 1, EMRK Art. 8, GG Art. 2 Abs. 1, AufenthG § 25 Abs. 5
Auszüge:

[...]

Die Ausweisung ist zu Recht auf der Grundlage der Regelung des § 53 Nr. 1 AufenthG erfolgt, die der entscheidenden Behörde einen Ermessensspielraum nicht eröffnet. Danach wird ein Ausländer u.a. dann ausgewiesen, wenn er - wie hier der Kläger - wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Dem Kläger steht auch kein besonderer Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 Sätze 1 bis 4 AufenthG zu, der zur Folge hätte, dass über seine Ausweisung nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nach Ermessen zu entscheiden wäre (BVerwG, Urt. v. 23.10.2007 - 1 C 10.07 - BVerwGE 129, 367). Insbesondere greift zu seinen Gunsten nicht § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG ein, wonach ein Ausländer besonderen Ausweisungsschutz genießt, der eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist, und sich mindestens fünf Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat.

Diese Voraussetzungen lagen weder im Zeitpunkt der Entscheidung des Beklagten vom 26. Januar 2010 vor, noch sind sie zum maßgebenden Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts gegeben. Der Kläger hat sich nicht seit fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten. Dabei ist die Zeit seines Aufenthalts für die Durchführung des Asylverfahrens im Rahmen dieser Entscheidung nicht anzurechnen, weil der Kläger nicht als Asylberechtigter anerkannt worden ist (vgl. § 55 Abs. 3 AsylVfG). Erst mit der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis am 3. März 2005 war sein Aufenthalt im Sinne des § 56 Abs.1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG rechtmäßig. Die Zeit seines rechtmäßigen Aufenthalts wurde durch den hier angegriffenen Bescheid des Beklagten, - d.h. nach weniger als fünf Jahren - beendet, weil der Beklagte hierin auch die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis des Klägers abgelehnt hat. Wenn ein Ausländer die Verlängerung seines Aufenthaltstitels beantragt, gilt der bisherige Aufenthaltstitel gemäß § 81 Abs. 4 AufenthG nämlich (nur) bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als fortbestehend. Durch den Beschluss der Kammer vom 9. Juni 2010 (1 B 606/10), mit dem das Gericht die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet hat, soweit sie auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gerichtet ist, ist diese sog. Fiktionswirkung des § 81 Abs. 4 AufenthG nicht wieder aufgelebt (vgl. hierzu. Hailbronner, AuslG, A 1 § 81 Rn. 46 m.w.N.). Auf die Frage, ob dem Kläger - wie er meint - die Aufenthaltserlaubnis verspätet erteilt wurde, kommt es angesichts des Gesetzeswortlautes nicht an, weil dieser allein auf die Zeit des rechtmäßigen Aufenthaltes abstellt. Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger bereits im November 2004 eine Aufenthaltserlaubnis hätte verlangen können, denn erst am 24. Februar 2005 hat seine Mutter für ihn einen Identitätsnachweis vorgelegt. Zuletzt ist der Kläger auch nicht - wie es § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG voraussetzt - im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis. Es genügt nicht, dass er eine solche beantragt hat (OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 4.12.2009 - 7 A 10881/09 -, juris; BayVGH, Beschl. v. 13.3.2006 - 24 ZB 05.3191 -, juris).

Die Ausweisung des Klägers auf der Grundlage des § 53 AufenthG verstößt nicht aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Einzelfalls gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie ist zunächst mit dem durch Art. 6 Abs. 1 GG gewährleisteten Schutz der Familie vereinbar. Ausländerbehörde und Gerichte sind verpflichtet, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiäre Bindung des Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß, d.h. entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen (BVerfG, Beschl. v. 1.3.2004 - 2 BvR 1570/03 - DVBl. 2004, 1097 ff.). Bei einer familiären Gemeinschaft zwischen Erwachsenen entfaltet Art. 6 Abs. 1 GG gegenüber aufenthaltsbeendenden Maßnahmen durchgreifende Schutzwirkungen allerdings nur bei Vorliegen einer Beistandsgemeinschaft, d.h. dann, wenn ein Familienmitglied auf die tatsächlich geleistete Lebenshilfe des anderen Familienmitglieds angewiesen ist und diese Hilfe nur in Deutschland erbracht werden kann (BVerfG, Beschl. v. 18.4.1989 - 2 BvR 1169/84 - DVBl 1989, 712-714; Beschl. v. 1.3.2004 - 2 BvR 1570/03 - DVBl. 2004, 1097 ff.).

Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Zu seinem Vater hat der Kläger nach seinen eigenen Angaben im Termin zur mündlichen Verhandlung allenfalls losen Kontakt. Eine Beistandsgemeinschaft in dem oben genannten Sinne ist auch im Verhältnis des Klägers zu seiner Mutter nicht festzustellen. Dies gilt auch mit Rücksicht auf deren psychische und körperliche Erkrankung. Nach den vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen (vom 6. Juni 2009 und 7. Juni 2009) leidet diese an einer depressiven Erkrankung, die nach den Ausführungen des Arztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. v. S. hauptsächlich auf den ungewissen Aufenthaltsstatus des Klägers und die massiven Probleme mit ihm zurückgehe. Weiter leidet sie unter den Folgen einer Behandlung wegen eines Mammakarzinoms sowie unter Migräne. Es ist allerdings nicht zu erkennen, dass die Mutter des Klägers, die mit ihrem Ehemann und zwei weiteren Kindern zusammenlebt, auf die Unterstützung durch den Kläger angewiesen ist oder eine solche durch ihn erhalten könnte. Seit seiner Inhaftierung im Januar 2008 scheidet dies ohnehin aus, wobei sich der Kläger auch in der Zeit zuvor bereits in Untersuchungshaft befunden hatte. Soweit in der Bescheinigung vom 7. Juni 2009 ausgeführt wird, die Mutter des Klägers habe angegeben: "Eine Abschiebung dorthin wäre für sie absolut unerträglich und sie sei zu allem entschlossen, dies zu verhindern. Hierfür würde sie ohne weiteres auch ihr eigenes Leben in die Waagschale werfen", ist es Aufgabe des behandelnden Arztes, selbstschädigende Handlungen der Mutter des Klägers durch eine entsprechende Behandlung zu verhindern, soweit er von einer ernstzunehmenden Suizidabsicht ausgeht.

Im Übrigen stellt eine Ausweisung des Klägers einen Eingriff in sein Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG auf freie Entfaltung der Persönlichkeit dar. Auch insoweit steht der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit seiner Ausweisung aber nicht entgegen. Dabei sind für die Entscheidung dieser Frage die Maßstäbe heranzuziehen, die für die Prüfung der Rechtfertigung eines Eingriffs in das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familien - und Privatlebens gelten (BVerfG, Urt. v. 10.8.2007 - 2 BvR 536/06 - NVwZ 2007, 1300, juris). Nach Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jede Person das Recht u.a. auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens. Eine Behörde darf in die Ausübung dieses Rechts nur eingreifen, soweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist für die nationale oder öffentliche Sicherheit, für das wirtschaftliche Wohl des Landes, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer (Art. 8 Abs. 2 EMRK).

Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer Ausweisung eines Erwachsenen, der noch keine eigene Familie gegründet hat, sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte im Hinblick auf den Schutz des Familien- sowie des Privatlebens folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen: Die Art und Schwere der vom Ausländer begangenen Straftaten; die Dauer seines Aufenthalts in dem Land, aus dem er ausgewiesen werden soll; die seit der Begehung der Delikte verstrichene Zeit und das Verhalten des Ausländers während dieser Zeit sowie die sozialen, kulturellen und familiären Beziehungen zum Gastland und zum Zielstaat der Ausweisung. Bei der Anwendung einiger dieser Kriterien kann das Alter des Ausländers von Bedeutung sein. So ist bei der Beurteilung von Art und Schwere der begangenen Straftaten zu berücksichtigen, ob der Ausländer sich diese als Jugendlicher oder als Erwachsener zu Schulden hat kommen lassen. Bei der Bewertung der Dauer des Aufenthalts und der Bindungen im Gastland macht es einen Unterschied, ob der Betroffene bereits als Kind hergekommen ist oder sogar hier geboren wurde, oder ob er erst als Erwachsener zugezogen ist. Zur Rechtfertigung der Ausweisung eines niedergelassenen Immigranten, der seine gesamte Kindheit und Jugend oder den größten Teil davon im Gastland verbracht hat, müssen sehr gewichtige Gründe vorgebracht werden, insbesondere dann, wenn der Betroffene die zur Ausweisung führenden Straftaten als Jugendlicher begangen hat (vgl. zum Vorstehenden: EGMR, z.B. Urt. v. 23.6.2008 - 1683/03 -, InfAuslR 2008, 333; Urt. v. 28.06.2007 - 31753/02 - InfAuslR 2007, 325).

Nach Maßgabe dieser Grundsätze stellt sich die Ausweisung des Klägers auch unter Berücksichtigung der durch Art. 8 EMRK geschützten Belange nicht als unverhältnismäßig dar. Es liegen sehr gewichtige Gründe hierfür vor.

Allerdings ist eine durchaus erhebliche Verwurzelung des Klägers im Bundesgebiet festzustellen. Seit seiner Einreise im Kindesalter befindet er sich mittlerweile seit 10 Jahren hier und beherrscht Deutsch in Wort und Schrift. Mit seiner Mutter, seinem Vater sowie seinen Geschwistern befinden sich die engsten Verwandten ebenso wie seine übrigen prägenden sozialen Kontakte im Bundesgebiet. Obwohl eine schulische Integration zunächst nicht gelungen ist, weil der Kläger wegen seines Verhaltens zweimal der Schule verwiesen wurde, hat er mittlerweile in der Haft den Hauptschulabschluss erreicht und auch an einer Qualifizierungsmaßnahme als Glas -und Gebäudereiniger teilgenommen. In der Fortschreibung des Erziehungs- und Förderplans der Jugendanstalt L. vom 3. November 2009 heißt es hierzu, er habe seine schulische Laufbahn konsequent und mit guten Leistungen verfolgt. Sein Ziel sei gewesen, soviel Schule wie möglich zu absolvieren, um eine gute Grundlage für seine Zukunft zu schaffen. Seine Bindungen und Kontaktmöglichkeiten im Heimatland sind hingegen weitaus geringer, wenn auch durchaus vorhanden. Der Kläger hat dort seit seinem siebten Lebensjahr bis zu seiner Ausreise die Grundschule besucht, er kann seine Heimatsprache nach seinem Vortrag sprechen, nicht aber nicht lesen oder schreiben. Im Iran leben nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung neben den Verwandten seines Vaters auch noch die Geschwister seiner Mutter.

Insgesamt ist davon auszugehen, dass eine Ausreise des Klägers in sein Heimatland mit der längerfristigen Trennung von seinen familiären Bezugspersonen, nämlich von seiner Mutter und Geschwistern sowie von seinen übrigen sozialen Kontakten im Bundesgebiet führen wird. Mit Rücksicht darauf, dass das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge zu Gunsten der Mutter des Klägers festgestellt hat, dass im Hinblick auf den Iran Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 4 AuslG vorliegen, spricht alles dafür, dass sie den Kläger im Iran nicht wird besuchen können. Da der Kläger die Landessprache nicht lesen und schreiben kann und den dortigen Lebensverhältnissen durch die Dauer seines Aufenthalts im Bundesgebiet - wie er nachvollziehbar vorträgt - entfremdet ist, sind im Falle seiner Rückkehr in den Iran für ihn auch erhebliche Integrationsprobleme zu erwarten.

Angesichts seiner Sprachkenntnisse, seines Alters von erst 20 Jahren und der Möglichkeit seiner Unterstützung zumindest durch die Geschwister seiner Mutter, ist eine erneute Eingliederung in die Verhältnisse in seinem Heimatland aber auch nicht als ausgeschlossen anzusehen. Dabei ist nicht ersichtlich, weshalb auch von Seiten der Geschwister der Mutter eine Ausgrenzung des Klägers wegen des "Ehebruchs" zu befürchten sein sollte. Der Kläger trägt Gründe hierfür nachvollziehbar und überzeugend selbst nicht vor. Dem Kläger ist zuzumuten, auf eine erneute Integration in die Lebensverhältnisse im Iran hinzuarbeiten, denn mit Rücksicht auf seine lang anhaltende und erhebliche Straffälligkeit ist es ein legitimes Anliegen des deutschen Staates, den Kläger auszuweisen, auch wenn der Kläger die Straftaten als Minderjähriger begangen hat. Dies folgt aus der Anzahl und der Schwere der von ihm begangenen Straftaten, bei denen der Kläger auch in erheblichem Umfang Gewalt gegen Personen ausgeübt hat. Es ist weiter nicht zur Überzeugung des Gerichts festzustellen, dass sich der Kläger mittlerweile hinreichend von seinen bisherigen Taten distanziert hat und vor allen Dingen an der Verringerung seines Gewaltpotentials arbeitet, um einen Rückfall in erneutes straffälliges Verhalten zu vermeiden.

Nach der Mitteilung der Polizeiinspektion T. vom 7. Januar 2008 an das Ausländeramt des Beklagten ist der Kläger bereits seit dem Jahr 2003 auffällig geworden. Er sei er in 35 Fällen als Tatverdächtiger bzw. Beschuldigter geführt worden, darunter 21-mal mit Raub- bzw. Körperverletzungsdelikten. Er werde durch die Polizei- und Staatsanwaltschaft F. als Intensivtäter eingestuft. Der Kläger ist erstmals im Oktober 2004 gerichtlich belangt worden und ist in der Folgezeit bis zu seiner Inhaftierung regelmäßig mit Delikten aufgefallen, die überwiegend mit Gewaltausübung einhergingen. Die Taten, wegen derer der Kläger verurteilt wurde, lassen ein erhebliches Maß an Gewaltanwendung gegenüber Personen erkennen und haben zu gravierenden Folgen für die Opfer geführt. [...]

Auch aus der Fortschreibung vom 18. März 2010 ergeben sich keine Hinweise auf eine andere Entwicklung, insbesondere auf die Bereitschaft des Klägers, an seiner Gewaltproblematik zu arbeiten. Von einer durchgreifenden Änderung des Verhaltens bzw. der Einstellung des Klägers kann deswegen nicht ausgegangen werden, auch wenn er sich - wie er im Termin zur mündlichen Verhandlung angegeben hat - am 8. Februar 2010 für den Fall einer vorzeitigen Entlassung bei dem Jugendamt des Beklagten zu einem Anti - Aggressionstraining angemeldet hat. Die von dem Kläger beantragte Aussetzung des Restes der Jugendstrafe zur Bewährung hat die Jugendanstalt L. mit Schreiben an die Vollstreckungsleiterin bei dem Amtsgericht L. vom 5. Mai 2010 nicht befürwortet. Im Hinblick auf die Entwicklung des Klägers im Vollzug könne dies auch unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit nicht verantwortet werden. Soweit der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung angegeben hat, diese Einschätzung habe sich mittlerweile geändert, ist das bislang nicht aktenkundig geworden und vermag nicht die Prognose zu rechtfertigen, der Kläger werde künftig nicht mehr straffällig werden. Angesichts der langen Zeitspanne, während derer er Kläger Straftaten begangen hat, kann dies auch nicht als vorübergehende Verfehlungen eines Minderjährigen angesehen werden, zumal der Kläger bei der Begehung der letzten Tat im September 2007 nahezu volljährig war.

Es kann - entgegen den Angaben des Klägers - auch nicht davon ausgegangen werden, eine Rückfallgefahr des Klägers bestehe bereits deswegen nicht, weil er nicht plane, nach Verden zurück zu gehen bzw., weil weitere, zu Straftaten führende gruppendynamische Prozesse nicht mehr zu befürchten seien. Die ursprünglich genannte Ausbildungsstelle bei einem Autohaus in W. steht dem Kläger nach seinen Angaben im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht mehr zur Verfügung. Im Übrigen hat der Kläger im Termin vorgetragen, dass bereits zwei seiner bisherigen Mittäter aus der Haft entlassen seien, von denen zumindest einer wieder in Verden lebe.

Die Ausweisung ist zuletzt nicht deswegen mit Blick auf den durch Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleisteten Schutz von Familien - und Privatleben unverhältnismäßig, weil sie unbefristet erfolgt ist, denn die Wirkung des damit verbundenen Einreise und Aufenthaltsverbotes werden gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG auf Antrag in der Regel befristet (hierzu: EGMR, Urt. v. 28.6.2007 - 31753/02 - , InfAuslR, 2007, 325).

Der Kläger hat weiter keinen Anspruch auf eine Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis. [...]

Der Erteilung der begehrten Erlaubnis auf der Grundlage des § 34 Abs. 1 und Abs. 2 AufenthG steht § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG entgegen, wonach einem Ausländer, der ausgewiesen wurde, auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruches kein Aufenthaltstitel erteilt wird. Nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG kann der Kläger ebenfalls nicht die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis verlangen. Danach kann einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, abweichend von § 11 Abs. 1 eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Tatsächliche Gründe, die der freiwilligen Ausreise des Klägers entgegenstehen, sind nicht ersichtlich. Seine Ausreise ist weiter nicht rechtlich unmöglich. Rechtlich unmöglich ist eine freiwillige Ausreise und Abschiebung, wenn ihr rechtliche Hindernisse entgegenstehen, welche sie ausschließen oder als unzumutbar erscheinen lassen (BVerwG, Urt. v. 27.6.2006 - 1 C 14.05 - BVerwGE 126, 192). Rechtliche Gründe im Sinne des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG sind insbesondere solche, die sich aus vorrangigem Recht, namentlich aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 2 Satz 2, 6 GG, dem aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) abzuleitenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und Art. 8 Abs. 1 EMRK ergeben. Maßgeblich ist, ob es 18 dem Ausländer aus Rechtsgründen zumutbar ist, die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen (zum Vorst.: BVerwG, Urt. 27.6.2006 - 1 C 14.05 - BVerwGE 126, 192; NdsOVG, Beschl. v. 24.10.2005, - 8 LA 123/05 -; Urt. v. 29.11.2005 - 10 LB 84/05 -; OVG NRW, Beschl. v. 7.2.2006 - 18 E 1534/05 - zit. nach juris). Das ist hier der Fall. Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen zur Ausweisung ergibt, stehen dem insbesondere keine Rechte des Klägers und seiner Familie aus Art. 6 Abs. 1 GG sowie aus Art. 8 EMRK entgegen. [...]