VG Göttingen

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Zitieren als:
VG Göttingen, Beschluss vom 21.10.2010 - 4 B 203/10 - asyl.net: M17736
https://www.asyl.net/rsdb/M17736
Leitsatz:

Örtlich zuständig für die Einleitung des Verteilungsverfahrens (§ 15a AufenthG) ist die Ausländerbehörde, in deren Bezirk die unerlaubte Einreise festgestellt wurde.

Die einmal begründete Zuständigkeit wird auch nicht durch zwischenzeitlich verhängte Abschiebungshaft beendet. Gleiches gilt für den zwischenzeitlichen Aufenthalt im Bereich einer anderen Ausländerbehörde.

Schlagwörter: Verteilungsverfahren, Zuständigkeit, örtliche Zuständigkeit, Ausländerbehörde, vorläufiger Rechtsschutz, Anhörung, unerlaubte Einreise, Abschiebungshaft, Streitwert
Normen: AufenthG § 15a, VwGO § 123 Abs. 1, AufenthG § 15a Abs. 1 S. 6
Auszüge:

[...]

Der Antragsgegner ist verpflichtet, ein Verteilungsverfahren nach § 15a AufenthG einzuleiten, weil er die für die Antragsteller zuständige Ausländerbehörde im Sinne des § 15a AufenthG ist. Die von der Ausländerbehörde durchzuführende Anhörung und zu treffende Entscheidung nach § 15a AufenthG ist dem Verteilungsverfahren vorgeschaltet. Örtlich zuständig für dieses vorgeschaltete Verfahren ist die Ausländerbehörde, in deren Bezirk die unerlaubte Einreise des Ausländers festgestellt wurde (vgl. Hoffmann in HK-AuslR, § 15a, Rn. 12). Der Antragsgegner ist somit durch das Aufgreifen der Antragstellerin zu 1) am 30.08.2010 in Duderstadt zuständig geworden.

Diese einmal begründete Zuständigkeit wird durch die Unterbringung der Antragstellerin zu 1) in der JVA Hannover zum Zwecke der Abschiebung nicht beendet. Vielmehr bleibt sie bestehen und hat nach der Haftentlassung die Pflicht des Antragsgegners begründet, eine Anhörung der Antragstellerin zu 1) zur Einleitung des Verteilungsverfahrens durchzuführen.

Dass die Antragstellerin zu 1) sich momentan in dem Gebiet der Stadt Göttingen aufhält, ändert ebenfalls nichts an der Zuständigkeit des Antragsgegners. Insbesondere wird entgegen der Auffassung des Antragsgegners nicht die Zuständigkeit der Stadt Göttingen nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 VwVfG i.V.m. § 1 NVwVfO begründet, wonach eine Behörde zuständig ist, in deren Bezirk der Anlass für die Amtshandlung hervortritt. Denn der Anlass für die Amtshandlung war und ist immer noch die auf dem Gebiet des Antragsgegners festgestellte unerlaubte Einreise der Antragsteller. Die Auffassung des Antragsgegners, durch den Aufenthalt der Antragsteller in der Stadt Göttingen sei die Amtshandlung dort hervorgetreten, verfängt insoweit nicht. Dies würde auch dazu führen, dass bei jedem "Umzug" des unerlaubt eingereisten Ausländers eine andere Ausländerbehörde zuständig würde. Nach dieser Auffassung wäre zunächst die Stadt Hannover unmittelbar nach der Haftentlassung der Antragstellerin zu 1) für das Verteilungsverfahren zuständig geworden und nunmehr die Stadt Göttingen zuständig. Ein solcher - oft auch zufälliger - Zuständigkeitswechsel ist mit dem Zweck der Vorschrift, der schnellen Abwicklung des Aufenthalts eines unerlaubt eingereisten Ausländers, nicht zu vertreten.

Zur Vorbereitung der Entscheidung nach § 15a Abs. 1, 2 AufenthG ist der Ausländer anzuhören. Dabei sind vor Veranlassung der Verteilung nachgewiesene zwingende Gründe im Sinne des § 15a Abs. 1 Satz 6 AufenthG von der Ausländerbehörde zu berücksichtigen. Da sich diese Verpflichtung aus dem Gesetz ergibt und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Antragsgegner seine Prüfpflicht insoweit verneint, bedurfte es einer entsprechenden Tenorierung nicht.

Durch die eidesstattliche Versicherung der Antragstellerin zu 1), unter freiem Himmel zu leben, ist ein Anordnungsgrund hinreichend glaubhaft dargetan. Die Dringlichkeit würde aber durch die Antragsteller selbst widerlegt, wenn sie nicht unverzüglich nach Bekanntgabe des Beschlusses beim Antragsgegner vorsprechen würden. Aus diesem Grunde begrenzt das Gericht die Wirksamkeit der Anordnung auf den 28.10.2010. [...]