Feststellung der Unzulässigkeit einer Überstellung nach Griechenland im Eilrechtsschutzverfahren, da die Überstellungsfrist abgelaufen ist.
1. Eine Verlängerung der Überstellungsfrist kam nicht in Betracht, da in deutschen Dublin-Verfahren kein Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung existiert (unter Bezugnahme auf das Urteil des EuGH vom 29.1.2009 - C-19/08, Petrosian - ASYLMAGAZIN 3/2009, S. 29).
2. Die Überstellungsfrist verlängert sich im Übrigen nach einem Beschluss des OVG Thüringen vom 28.12.2009 (3 EO 469/09, asyl.net, M17369) nicht automatisch, sondern muss vom BAMF ausdrücklich erklärt werden.
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Der Antrag des Antragstellers ist zulässig und begründet, obwohl nach Auffassung des Gerichts seine Überstellung durch das Bundesamt nach Griechenland rechtlich nunmehr nicht mehr zulässig ist. Da indessen die Antragsgegnerin ausweislich der eingangs genannten Aktenvermerke unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, dass sie nach der nunmehr abgelaufenen Sechs-Monats-Frist das Überstellungsverfahren mit Nachdruck fortsetzen will, steht dem Antragsteller ein Rechtsschutzbedürfnis für die Feststellung zur Seite, dass eine Überstellung nach Griechenland nicht mehr zulässig ist.
Nach der hier vertretenen Auffassung steht Art. 19 Abs. 4 Dublin II-VO einer Überstellung entgegen. Die Bundesrepublik Deutschland ist für die Durchführung eines Asylverfahrens zuständig. Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, geht die Zuständigkeit auf den Mitgliedstaat über, in dem der Asylantrag eingereicht wurde. Diese Frist kann höchstens auf ein Jahr verlängert werden, wenn die Überstellung auf Grund der Inhaftierung des Asylbewerbers nicht erfolgen konnte, höchstens auf 18 Monate, wenn der Asylbewerber flüchtig ist. Beide Verlängerungsgründe liegen hier nicht vor; im Übrigen verlängert sich diese Frist nach einem Beschluss des ThürOVG vom 28.12.2009 (3 EO 469/09) nicht automatisch, sondern muss vom Bundesamt ausdrücklich erklärt werden.
Gemäß Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO erfolgt die Überstellung des Antragstellers, sobald dies materiell möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab der Annahme des Antrags auf Aufnahme oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat. Vorliegend hat sich Griechenland zu dem Übernahmeersuchen nicht ausdrücklich erklärt, so dass die Sechs-Monats-Frist mit Ablauf der Fiktionsfrist des Art. 18 Abs. 7 Dublin II-VO gilt. Vorliegend ist ein Übernahmeersuchen am 29.01.2010 an Griechenland gerichtet worden, so dass die Fiktionsfrist am 29.03.2010 endete. Damit ist die Überstellungsfrist jedenfalls zum 30.09.2010 abgelaufen.
Die in Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO genannte zweite Variante, ein Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung, existiert nach bundesdeutschem Recht nicht; insbesondere stellt der Antrag des Antragstellers vom 20.03.2010, woraufhin der Beschluss des VG Meiningen vom 07.04.2010 erging, keinen solchen Rechtsbehelf dar. Denn nach Auffassung des Gerichts ergibt sich aus § 34a Abs. 2 AsylVfG eindeutig, dass der Rechtsbehelf nach deutschem Recht gerade keine aufschiebende Wirkung besitzt und eine solche von den deutschen Verwaltungsgerichten auch nicht angeordnet werden kann. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass auf Grund der Rechtsprechung des Bundesverfassunggerichts (Urteil vom 14.5.1996, 2 BvR 1938/93 u.a.) in bestimmten Ausnahmefällen den deutschen Verwaltungsgerichten ungeachtet des eindeutigen Wortlauts des § 34 a AsylVfG gemäß der vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen verfassungskonformen Auslegung dieser Vorschrift die Möglichkeit eröffnet wird, unter den vom Bundesverfassungsgericht in der zitierten Entscheidung näher bestimmten Voraussetzungen einstweiligen Rechtsschutz gegen die drohende Abschiebung im Rahmen des Dublin-II-Verfahrens zu gewähren und bei Vorliegen der Voraussetzungen diesen gewähren müssen, wie dies im vorliegenden Fall durch den Beschluss des Einzelrichters geschah. Dies ergibt sich für das Gericht insbesondere aus der Entscheidung der 4. Kammer des Europäischen Gerichtshofs vom 29. Januar 2009 (C-19/08, Petrosian). die zwar ausdrücklich zu Art. 20 der Verordnung Nr. 343/2003 erging, aber auf Grund des insoweit wortgleichen Inhalts des Art. 19 auch auf diese Vorschrift angewendet werden kann. Denn in der zitierten Entscheidung hat der EuGH unter Nr. 36 bis 38 zur Frage, wann die Frist für die Überstellung des Asylbewerbers zu laufen beginne, ausgeführt, dies müsse in Abhängigkeit davon analysiert werden, ob es in den Rechtsvorschriften des Mitgliedsstaats einen Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung gebe oder nicht, wobei das Ziel zu berücksichtigen sei, weswegen die Verordnung Nr. 343/2001 eine Frist für die Durchführung der Überstellung vorsehe. Dabei laufe in der ersten Konstellation, wenn kein Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung vorgesehen sei, die Frist zur Durchführung der Überstellung ab der ausdrücklichen oder vermuteten Entscheidung, durch die der ersuchte Mitgliedsstaat die Wiederaufnahme des Betreffenden akzeptiere, unabhängig von den Unwägbarkeiten, denen der Rechtsbehelf unterliege, den der Asylbewerber gegen die seine Überstellung anordnende Entscheidung vor den Gerichten des ersuchenden Mitgliedsstaats erheben habe. Unter Nr. 49 heißt es in dem Urteil weiter, die Mitgliedsstaaten, die Rechtsbehelfe schaffen wollten, die zu Entscheidungen mit aufschiebender Wirkung im Rahmen des Üherstellungsverfahrens führen können, dürften nicht im Rahmen der Einhaltung des Erfordernisses einer zügigen Sachbehandlung in eine weniger günstige Lage versetzt werden als diejenigen Mitgliedsstaaten, die dies nicht für notwendig erachtet hätten. In Ziffer 51 der Entscheidung heißt es weiter, die Auslegung der Bestimmungen von Art. 20 Abs. 1 d der Verordnung (wortgleich Art. 19 Abs. 3) könne folglich nicht zu dem Ergebnis führen, dass sich der ersuchende Mitgliedsstaat im Namen der Einhaltung des Gemeinschaftsrechts über die aufschiebende Wirkung der vorläufigen gerichtlichen Entscheidung hinwegsetzen müsste, die im Rahmen eines Rechtsbehelfs ergangen sei, der eine derartige Wirkung haben könne, die dieser Staat in seinen innerstaatlichen Rechten vorsehen wollte.
Für Deutschland ergibt sich damit das Ergebnis, dass der Gesetzgeber - wie § 34 a AsylVfG ausdrücklich und eindeutig belegt - keine aufschiebende Wirkung von Rechtsmitteln gegen die die Abschiebung in den Aufnahmestatut anordnende Verfügung schaffen wollte. Dass das Bundesverfassungsgericht in seiner oben zitierten Entscheidung für bestimmte außergewöhnliche Sonderfälle dennoch diese Möglichkeit im Rahmen der verfassungskonformen Auslegung dieser Vorschrift einräumt, gehört nach Auffassung des Gerichts zu den vom Europäischen Gerichtshof in Nr. 38 des genannten Urteils genannten "Unwägbarkeiten", denen der Rechtsbehelf unterliege, es kann jedenfalls im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten für die rechtliche Situation in Deutschland nicht davon ausgegangen werden, dass der deutsche Gesetzgeber diese aufschiebende Wirkung wollte und bewusst herbeigeführt hat. Dies ergibt sich auch daraus, dass in der genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, soweit sie gemäß § 31 Bundesverfassungsgerichtsgesetz gesetzesgleiche Wirkung besitzt, im Tenor ausdrücklich die Verfassungsgemäßheit des § 34 a AsylVfG festgestellt wird, während erst in den Gründen die ausnahmsweise Möglichkeit, für die hohe Hürden errichtet wurden, geschaffen wurde. Dieses Ergebnis führt auch nicht zu speziellen Nachteilen für Deutschland, da einerseits die Zahl der Fälle, die von dieser Konstellation erfasst sein dürften, äußerst gering sein sollte. Zum anderen steht es dem deutschen Gesetzgeber frei, entsprechend der Rechtsauffassung des Europäischen Gerichtshofs den Beginn der Frist von sechs, zwölf oder 18 Monaten gemäß Art. 19 Abs. 4 bzw. Art. 20 Abs. 3 der Verordnung auf den Zeitpunkt der Entscheidung über den Rechtsbehelf zu verschieben, indem er, sei es generell oder nur im Umfang der vom Bundesverfassungsgericht im zitierten Urteil genannten Bedingungen, die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen im Sinne des § 14 a Abs. 2 AsylVfG im Gesetz ausdrücklich regelt (vgl. VG Weimar, U. v. 18.08.2010, 5 K 20216/99 We). [...]