VG Frankfurt a.M.

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Zitieren als:
VG Frankfurt a.M., Urteil vom 06.08.2010 - 7 K 1811/10.F.A - asyl.net: M17744
https://www.asyl.net/rsdb/M17744
Leitsatz:

Rechtswidrige Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unbegründet, da der Antragsteller den Anhörungstermins irrtümlich versäumt und deutlich zu erkennen gegeben hat, dass er persönlich mündlich angehört werden möchte. Da die persönliche Anhörung zu den zentralen Elementen des Asylverfahrens gehört, darf von einer solchen nur abgesehen werden, wenn gewichtige Gründe für die Annahme eines Desinteresses des Antragstellers am Verfahrensfortgang gegeben sind.

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Anmerkung der Redaktion: Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Schlagwörter: Asylverfahren, Asylverfahrensrecht, offensichtlich unbegründet, Mitwirkungspflicht, Anfechtungsklage, Anhörung, Amtsermittlung
Normen: AsylVfG § 30 Abs. 3 Nr. 5, VwGO § 42 Abs. 1, AsylVfG § 13 Abs. 2 S. 2, AsylVfG § 15 Abs. 2, AsylVfG § 25 Abs. 1, AsylVfG § 25 Abs. 5
Auszüge:

[...]

Die auch im Übrigen zulässige Klage ist begründet. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat zu Unrecht den Asylantrag des Klägers als offensichtlich unbegründet i.S. des § 30 Abs. 3 Nr. 5 AsylVfG abgelehnt. Nach dieser Vorschrift ist ein unbegründeter Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn ein Asylbewerber seine Mitwirkungspflichten nach § 13 Abs. 2 Satz 2, § 15 Abs. 2 Nr. 3 bis 5 oder § 25 Abs. 1 AsylVfG gröblich verletzt hat, es sei denn, er hat die Verletzung der Mitwirkungspflichten nicht zu vertreten oder ihm war die Einhaltung der Mitwirkungspflichten aus wichtigen Gründen nicht möglich. Diese Entscheidungsvariante kommt nur dann in Betracht, wenn einem Asylbewerber eine besonders schwerwiegende Verletzung der ihm obliegenden Mitwirkungspflichten anzulasten ist, die ohne weiteres den Schluss auf eine missbräuchliche oder aussichtlose Inanspruchnahme des Asylrechts zulässt (vgl. Marx, AsylVfG, 7. Aufl. 2009, § 30 Rdnr. 171 unter Verweis u.a. auf VG Karlsruhe, AuAS 2000, 166).

Diese Voraussetzungen sind im Falle des Klägers nicht erfüllt. Er hat glaubhaft dargelegt, wie es zu einer Verwechslung der Termine durch ihn gekommen ist. Er hat auch überzeugend vorgetragen, wie intensiv er sich bei seiner Vorsprache in der Außenstelle des Bundesamtes in Gießen um die Möglichkeit bemüht hatte, einen neuen Anhörungstermin zu bekommen. Es war offensichtlich, dass der Kläger zu seinen Asylgründen angehört werden wollte. Und er vertraute darauf, dass ihm, wie von einem Bediensteten des Bundesamtes angekündigt, ein neuer Termin benannt würde. Unter diesen Umständen durfte sich das Bundesamt nicht darauf beschränken, den Kläger nur schriftlich gemäß § 25 Abs. 5 AsylVfG anzuhören, wie dies mit Schreiben vom 23.03.2010 erfolgt ist. Da der Kläger in seinem Antwortschreiben vom 04.04.2010 lediglich die Gründe für die Versäumung seines Anhörungstermins angegeben hatte, hätte das Bundesamt in sachgerechter Ausübung des ihm obliegenden Amtsermittlungsgrundsatzes zumindest den Kläger darauf hinweisen müssen, dass ein substantiiertes Vorbringen zu seinen Asylgründen noch nicht vorliegt. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass er im Asylverwaltungsverfahren keinen anwaltlichen Beistand hatte. Da die persönliche Anhörung eines Asylbewerbers zu den zentralen Elementen des Asylverfahrens gehört, darf von einer solchen nur abgesehen werden, wenn gewichtige Gründe für die Annahme eines Desinteresses des Antragstellers am Verfahrensfortgang gegeben sind. Solche Gründe lagen jedoch im Falle des Klägers nicht vor.

Die Beklagte hat daher das Asylverwaltungsverfahren des Klägers fortzuführen und diesem Gelegenheit zur persönlichen Anhörung zu geben. [...]