VG Düsseldorf

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Zitieren als:
VG Düsseldorf, Beschluss vom 09.10.2008 - 16 L 1517/08.A - asyl.net: M17750
https://www.asyl.net/rsdb/M17750
Leitsatz:

Ablehnung eines Eilantrags gegen eine Dublin-Überstellung nach Griechenland, da keine individuellen Gründe für eine Gefährdung in Griechenland ersichtlich sind. Würde bereits die Gesamtsituation in Griechenland einen Anspruch auf Selbsteintritt begründen, hätte dies eine Umgehung der Vorgaben des Verordnungsgebers zur Konsequenz, da dann stets das Selbsteintrittsrecht bei Abschiebungen nach Griechenland ausgeübt werden müsste.

Schlagwörter: Dublin II-VO, Dublinverfahren, vorläufiger Rechtsschutz, Griechenland, einstweilige Anordnung, Konzept der normativen Vergewisserung, sichere Drittstaaten
Normen: AsylVfG § 27a, AsylVfG § 34a Abs. 2
Auszüge:

[...]

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit dem Inhalt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, Maßnahmen zum Vollzug der Verbringung des Antragstellers nach Griechenland vorläufig für die Dauer von sechs Monaten auszusetzen, hat keinen Erfolg. [...]

Bei der im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen summarischen Prüfung ist nicht zu besorgen, dass gerade der Antragsteller bei Rücküberstellung beginnend am Flughafen Athen keinen den EU-Richtlinien entsprechenden Zugang zu einem Asylverfahren erhalten wird und ihm ein menschenrechtswidriges und europäisches Recht verletzendes Verfahren droht. Zwar mag es im Hinblick auf die in den vom Antragsteller überreichten Unterlagen beschriebenen Zustände wegen der Schwierigkeiten Griechenlands bei der Bereitstellung ausreichender (personeller und sachlicher) Kapazitäten auch im Asylverfahren des Antragstellers zu Verzögerungen der Sachbearbeitung bzw. auch sonstigen Erschwernissen bei der Bearbeitung seines Asylverfahrens kommen. Dass dem Antragsteller jedoch irreversible Nachteile drohen – etwa in dem Sinne, dass sein Asylbegehren ohne inhaltliche Prüfung und ohne ihm die Möglichkeit einzuräumen, einen Rechtsbehelf einzulegen, abgelehnt wird – ist bei der gebotenen Anlegung eines strengen Maßstabes nicht ersichtlich. Der Antragsteller hat sich nach eigenen Angaben bereits von September 2003 bis Mai 2005 in Griechenland aufgehalten und hat dort eigenen Angaben zufolge die Möglichkeit erhalten, ein Asylverfahren zu durchlaufen. Seinen Angaben zufolge ist sowohl er selbst als auch seine Familie wohlhabend, so dass davon auszugehen ist, dass ihm bei einem Aufenthalt in Griechenland private finanzielle Mittel zur Lebensführung zur Verfügung stehen würden. Zudem leben nach seinen Angaben zwei Brüder von ihm in Griechenland; daher ist bei summarischer Prüfung nicht davon auszugehen, dass der Antragsteller notwendiger Weise bei einer Überstellung nach Griechenland während seines Asylverfahrens obdachlos und ohne jegliche soziale Unterstützung bleibt.

Zweifel an der Zuständigkeit Griechenland für die Bearbeitung des Asylantrags des Antragstellers sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Gemäß § 27a AsylVfG ist ein in der Bundesrepublik Deutschland gestellter Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrags für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat am 31. Juli 2007 ein Wiederaufnahmeersuchen an Griechenland gerichtet, weil der Antragsteller erstmalig am 24. September 2003 in Griechenland Asyl beantragt hatte und er nicht hinreichend glaubhaft gemacht hat, dass er das Vertragsgebiet zwischenzeitlich verlassen und in seinen Heimatstaat zurückgekehrt ist. Da auf das Wiederaufnahmeersuchen innerhalb der Frist des Art. 20 Abs. 1 S. 1 Dublin II VO keine Antwort erfolgte, gilt das Ersuchen als angenommen. Daher ist der in der Bundesrepublik Deutschland gestellte Asylantrag des Antragstellers vom 4. Juni 2008 gemäß § 27a AsylVfG unzulässig. Der Antragsteller hat auch keinen Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO. Es kann offen bleiben, ob ein solcher Anspruch bereits deshalb nicht besteht, weil die Selbsteintrittskompetenz eines EU-Mitgliedsstaates nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO schon kein subjektives Recht des Asylbewerbers begründet, da die Zuständigkeitsbestimmungen der Dublin II VO allein der internen Verteilung der Lasten und Verantwortung unter den EU-Mitgliedstaaten dienen oder ob sich der Antragsteller wegen Art. 249 Abs. 2 EG-Vertrag grundsätzlich auf die Verordnung direkt berufen kann. Denn der Antragsteller hat keinen Anspruch gegen die Antragsgegnerin auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts glaubhaft gemacht. Ein Selbsteintrittrecht käme nämlich nur dann in Betracht, wenn außergewöhnliche humanitäre Gründe, die an die besonderen persönlichen Verhältnisse des einzelnen Asylbewerbers anknüpfen, vorliegen würden. Lediglich die Gesamtsituation der Asylbewerber in Griechenland betreffende Umstände reichen hingegen nicht aus. Würden diese bereits zu einem Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts führen, hätte dies eine Umgehung der Vorgaben des Verordnungsgebers zur Konsequenz, da dann stets das Selbsteintrittsrecht bei Abschiebungen nach Griechenland ausgeübt werden müsste (vgl. auch VG München, Urteil vom 30. Mai 2008 - M 16 K 07.51049 - juris; VG Regensburg, Beschluss vom 1. Oktober 2008 – RO 8 E 08.30132 -.)

Für eine individuelle Gefährdung des Antragstellers bestehen aus den oben genannten Gründen keine Anhaltspunkte. Insbesondere ist aus seinem Vorbringen nicht ersichtlich, dass er zu dem Personenkreis (Schwangere, Alte, Kranke und unbegleitete Minderjährige) gehört, bei dem auf Grund des Schreibens des Bundesministers des Innern an den Innenminister des Landes Schleswig-Holstein vom 9. Juni 2008 von einer Überstellung nach Griechenland abzusehen ist. [...]