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Zitieren als:
BGH, Beschluss vom 05.10.2010 - V ZB 222/10 [ASYLMAGAZIN 2010, S. 438] - asyl.net: M17756
https://www.asyl.net/rsdb/M17756
Leitsatz:

Wurde ein Antrag auf Durchführung eines Asylfolgeverfahrens gestellt, so muss sich der Haftrichter bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Abschiebungshaft vergewissern, dass mit einer Entscheidung des BAMF über diesen Antrag innerhalb von drei Monaten gerechnet werden kann (§ 62 Abs. 2 S. 4 AufenthG). Andernfalls ist die Haftanordnung rechtswidrig.

Schlagwörter: Abschiebungshaft, Sicherungshaft, Zurückschiebungshaft, einstweilige Anordnung, Ermessen, Asylfolgeantrag, Mitteilung des Bundesamtes, Prognose, Drei-Monats-Frist
Normen: FamFG § 64 Abs. 3, AsylVfG § 71 Abs. 5 S. 2, VwVfG § 51, AufenthG § 62 Abs. 2 S. 4, AsylVfG § 71 Abs. 8
Auszüge:

[...]

Gemäß § 71 Abs. 5 Satz 2 darf ein Ausländer, der, wie der Betroffene, nach unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrages erneut einen Asylantrag stellt (Folgeantrag), erst nach der Mitteilung des Bundesamtes abgeschoben werden, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorliegen, es sei denn, der Ausländer soll, was hier nicht der Fall ist, in den sicheren Drittstaat (§ 26a AsylVfG) abgeschoben werden. Dieses mögliche Abschiebungshindernis muss bei der nach § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG anzustellenden Prognose berücksichtigt werden; der Haftrichter muss sich also vergewissern, dass mit einer Entscheidung des Bundesamts über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG innerhalb von drei Monaten gerechnet werden kann. Diese Verpflichtung entfällt nicht deshalb, weil ein Folgeantrag nach § 71 Abs. 8 AsylVfG der Anordnung von Sicherungshaft nicht entgegensteht. Die genannte Vorschrift darf nicht als Rechtsgrundlage in Anspruch genommen werden, zeitlich unbeschränkt Abschiebungshaft gegen einen Folgeantragsteller anzuordnen, solange das Bundesamt noch nicht über den Folgeantrag entschieden hat (vgl. Marx, AsylVfG, 7. Aufl., § 71 Rn. 441 sowie BVerfG, lnfAuslR 2000, 221, 222).

Das Beschwerdegericht hat in seine Prognose nur die für die Beschaffung von Ersatzpapieren und für die von der Beteiligten zu 2 zu treffenden organisatorischen Vorbereitungen der Abschiebung erforderliche Zeit einbezogen, jedoch keine Feststellungen dazu getroffen, innerhalb welcher Zeit mit einer Entscheidung des Bundesamts zu rechnen ist. Solche enthält auch der Beschluss des Amtsgerichts nicht. Damit spricht bei summarischer Prüfung viel dafür, dass die Haftanordnung auf einer rechtsfehlerhaften Anwendung des § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG beruht.