VG Frankfurt a.M.

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Zitieren als:
VG Frankfurt a.M., Beschluss vom 09.11.2010 - 7 L 4305/10.F.A - asyl.net: M17802
https://www.asyl.net/rsdb/M17802
Leitsatz:

Vorläufiger Rechtsschutz zur Vermeidung einer Familientrennung (Art. 14 Dublin II-VO).

Schlagwörter: Dublin II-VO, Dublinverfahren, vorläufiger Rechtsschutz, Frankreich, Familieneinheit, Schutz von Ehe und Familie, Rechtsweggarantie, subjektives Recht, Schengen-Visum
Normen: VwGO § 80 Abs. 5, AsylVfG § 34a Abs. 2, AsylVfG § 27a, GG Art. 19 Abs. 4, VO 343/2003 Art. 14 Bst. b, GR-Charta Art. 7, EMRK Art. 8
Auszüge:

[...]

Der gemäß § 80 Abs. 5 VwGO gestellte Antrag gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 3.11.2010 ist statthaft und zulässig. Im Rahmen des Anwendungsbereichs der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 kommt der in § 34a Abs. 2 AsylVfG vorgesehene Ausschluss einstweiligen Rechtsschutzes nicht zum Zuge. Im Übrigen ist es nach Art. 19 Abs. 4 GG zwingend geboten, effektiven Rechtsschutz zu gewähren.

Der Antrag ist auch begründet.

Zwar wäre, solange man alleine auf die Person der Antragstellerin abstellt, auf Grund der gegebenen Sachlage Frankreich für die Bearbeitung des Asylantrags der Antragstellerin zuständig. Diese war nämlich im Besitz eines von der französischen Auslandsvertretung in Kabul ausgestellten Schengen-Visums. Zu beachten ist jedoch, dass sich der Ehemann der Antragstellerin, Herr ..., am 08.09.2010 [bei der] Hessischen Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Gießen gemeldet hat und dort am selben Tage als Asylsuchender aufgenommen worden ist. Am 23.09.2010 wurde sein förmlicher Asylantrag von der Außenstelle Gießen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge aufgenommen (Az.: 5442125-423). Nach Art. 14 Buchst. b) der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 obliegt die Prüfung eines Asylantrags dem Mitgliedstaat, der nach den Kriterien für die Prüfung des von dem ältesten Familienmitglied eingereichten Asylantrags zuständig ist, sofern die Anwendung der Zuständigkeitskriterien der Art. 6 bis 13 der Verordnung die Trennung der Familie zur Folge hätte. Die Bundesrepublik Deutschland ist für die Bearbeitung des Asylantrags des Ehemannes der Antragstellerin zuständig. Im Verfahren der Antragstellerin 7 L 3172/10.F.A(V) hat die Antragsgegnerin auf entsprechende Anfrage des Gerichts ausdrücklich erklärt, dass im Hinblick auf den Ehemann der Antragstellerin kein Verfahren auf Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat eingeleitet worden sei (Schriftsatz vom 29.10.2010, Bl. 69 der Gerichtsakte 7 L 3172/10.F.A(V)). Der Ehemann der Antragstellerin ist auch das älteste Familienmitglied. Er ist ausweislich seiner eigenen Angaben am 24.10.1986 in Kabul geboren, die Antragstellerin hingegen einen Tag später, am 25.10.2010.

Da die Regelung des Art. 14 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 dem Schutze der Familie im Sinne des Art. 7 EU-Grundrechte-Charta und des Art. 8 EMRK dient, begründet diese für asylsuchende Personen eine subjektive Rechtsposition, die von der Antragsgegnerin zwingend zu beachten ist. [...]