VG Freiburg

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Zitieren als:
VG Freiburg, Urteil vom 01.09.2010 - A 2 K 1400/09 - asyl.net: M17804
https://www.asyl.net/rsdb/M17804
Leitsatz:

Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG. In Shekhan in der Provinz Ninive herrscht ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt. Der Kläger gehört wegen der Tätigkeit seiner Lebenspartnerin für die amerikanischen Streitkräfte zu einem besonders gefährdeten Personenkreis.

Schlagwörter: Abschiebungsverbot, Irak, innerstaatlicher bewaffneter Konflikt, Wiederaufnahme des Verfahrens, Ermessen, erhebliche individuelle Gefahr, Sperrwirkung, allgemeine Gefahr, Shekhan, Ninive, interne Fluchtalternative, Verfolgungsgefahr
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7 S. 2, VwVfG § 51 Abs. 5, AufenthG § 60 Abs. 7 S. 3
Auszüge:

[...]

Unter Berücksichtigung der dargestellten Grundsätze ist hier ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG gegeben. Nach den vorliegenden und zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismitteln ist nämlich davon auszugehen, dass jedenfalls für die Herkunftsregion des Klägers Shekhan in der Provinz Ninive die Annahme eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG gerechtfertigt ist (vgl. hierzu ausführlich VG Karlsruhe, Urteil vom 16.04.2010 - A 10 K 523/08 -).

Die Feststellungen des VG Karlsruhe (Urteil vom 16.04.2010 - A 10 K 523/08 -) in Bezug auf die Lebenspartnerin des Klägers und Mutter des gemeinsamen Kindes und damit die Feststellungen zu deren individuellen spezifischen Betroffenheit aufgrund persönlicher gefahrerhöhender Umstände als gegeben zugrunde gelegt, steht nach Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung zur gerichtlichen Überzeugung ferner fest, dass auch bei ihm wegen der Tätigkeit seiner Lebenspartnerin für die amerikanischen Streitkräfte von einer ernsthaften individuellen Bedrohung bei einer unterstellten Rückkehr in den Irak ausgegangen werden muss. Vor dem Hintergrund eines - zwangsläufig - gemeinsamen Aufenthaltsorts, einer gemeinsamen Unterkunft/Wohnung u.a. ist nämlich bei lebensnaher Betrachtungsweise anzunehmen, dass sich der Wirkungsbereich von Anschlägen, die der Lebenspartnerin gelten, praktisch gar nicht auf diese begrenzen lässt. Der Kläger ist deshalb vergleichbar betroffen und zählt damit ebenfalls zu einem besonders gefährdeten Personenkreis (vgl. insgesamt zur Frage der Gefährdung der Kollaboration bezichtigter Personen: VG Karlsruhe, Urteil vom 16.04.2010, a.a.O.).

Der Kläger muss sich auch nicht auf eine innerstaatliche Fluchtalternative verweisen lassen. Insoweit kämen nur die kurdisch dominierten Gebiete Nordiraks in Betracht. Die dafür notwendige existenzielle Absicherung ist jedoch nur gegeben, wenn der Ausländer im Nordirak auf bestehende familiäre oder andere persönliche Beziehungen zurückgreifen kann. Dafür, dass dies beim Kläger, dessen Familie in Shekhan lebt, der Fall wäre, bestehen keinerlei Anhaltspunkte.

Vor dem dargestellten Hintergrund hat der Kläger Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG. Das Ermessen der Beklagten ist angesichts der ihm bei einer Rückkehr in den Irak drohenden Gefahren für Leib und Leben nämlich dahingehend reduziert, dass nur diese Feststellung in Betracht kommt. [...]