Die Ausländerbehörde kann bei der Prognose bezüglich der Wiederholungsgefahr die Aussetzung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung unberücksichtigt lassen, da eine Bindung an die strafrichterliche Einschätzung nicht besteht.
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Die zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen nicht die beantragte Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts und die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers.
Das Verwaltungsgericht hat zu Recht festgestellt, dass der Antragsteller keinen Anspruch auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis als eigenständiges, vom Zweck des Familiennachzugs unabhängiges Aufenthaltsrechts nach § 31 AufenthG hat, weil mit seiner rechtskräftigen Verurteilung durch Urteil des Amtsgerichts München vom 29. Juli 2009 ein Ausweisungsgrund nach § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG vorliegt (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG). Zutreffend ist das Erstgericht auch davon ausgegangen, dass es genügt, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen des Ausweisungsgrunds vorliegen; nicht erforderlich ist, dass der Betroffene tatsächlich ausgewiesen werden darf. Gründe für ein Absehen von der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG aufgrund eines atypischen Geschehensablaufs, der so bedeutsam ist, dass er jedenfalls das sonst ausschlaggebende Gewicht des gesetzlichen Versagungsgrunds beseitigt, hat das Verwaltungsgericht ebenfalls rechtsfehlerfrei verneint.
Das Beschwerdevorbringen des Antragstellers rechtfertigt keine andere Beurteilung. Sein Einwand, die Ausländerbehörde und das Verwaltungsgericht hätten gegen die Stillhalteklausel in Art. 13 ARB 1/80 verstoßen und entgegen der in seinem Fall anzuwendenden Vorschrift des § 19 Abs. 3 AuslG 1990 nicht die erforderlichen Ermessenserwägungen angestellt, vermag die erstinstanzliche Entscheidung letztlich nicht in Frage zu stellen. Die Stillhalteklausel in Art. 13 ARB 1/80 enthält ein Verschlechterungsverbot und untersagt ganz allgemein die Einführung neuer Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs, die die Ausübung dieser Grundfreiheiten durch einen türkischen Staatsangehörigen in einem Mitgliedstaat strengeren Voraussetzungen als den zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Zusatzprotokolls geltenden unterwerfen (vgl. BVerwG vom 30.4.2009 NVwZ 2009, 1162/1163 f. m.w.N.). Unabhängig davon, ob im Fall des Antragstellers überhaupt die Voraussetzungen der genannten Stillhalteklausel tatsächlich vorliegen und er sich auf sie zu berufen vermag, kann er vorliegend aus Art. 13 ARB 1/80 nichts zu seinen Gunsten herleiten. Denn selbst wenn - wie der Antragsteller mit der Beschwerde geltend macht - in seinem Fall nach § 19 Abs. 3 AuslG 1990 bei Vorliegen eines Ausweisungsgrunds eine Ermessensentscheidung bezüglich der Versagung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zu treffen wäre, sind jedenfalls die von der Antragsgegnerin im angefochtenen Bescheid hilfsweise angestellten Ermessenserwägungen (vgl. S. 3 f. des Bescheids, Blatt 148 f. der Behördenakte) rechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere hat die Antragsgegnerin bei der erforderlichen Interessenabwägung die persönliche Situation des Antragstellers und vor allem dessen mehrjährigen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet hinreichend berücksichtigt. Keinen Ermessensfehler stellt es auch dar, dass die Behörde bei ihrer Prognose und der Annahme einer beim Antragsteller gegebenen Wiederholungsgefahr die Aussetzung seiner Freiheitsstrafe zur Bewährung nicht ausschlaggebend berücksichtigt hat; denn eine Bindung an die strafrichterliche Einschätzung (günstige Sozialprognose) besteht nicht (vgl. BVerwG vom 16.11.1999 NVwZ-RR 2000, 320/322).
Nicht durchgreifend ist schließlich auch der Einwand des Antragstellers, aufgrund der zwischenzeitlichen Eheschließung mit seiner neuen Lebensgefährtin müsse nunmehr zu seinen Gunsten entscheidend der Schutzzweck des Art. 6 Abs. 1 GG beachtet werden. Die in Art. 6 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm verpflichtet zwar die Ausländerbehörden und Gerichte, bei der Entscheidung über ein Aufenthaltsbegehren die bestehenden ehelichen Bindungen an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, zu berücksichtigen (vgl. BVerfG vom 4.12.2007 InfAuslR 2008, 239). Eine solche zu berücksichtigende Ehe hat der Antragsteller bisher jedoch noch nicht hinreichend nachgewiesen (vgl. § 82 Abs. 1 AufenthG), sondern lediglich eine Bestätigung des Konsulats über den (geplanten) Termin für die Eheschließung vorgelegt. Im Übrigen ist es mit dem verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 GG grundsätzlich vereinbar, den Ausländer auf die Einholung eines erforderlichen Visums zu verweisen (vgl. BVerfG vom 4.12.2007 a.a.O.). Besondere Umstände, die einer erforderlichen Ausreise des Antragstellers entgegenstehen und die dadurch bedingte zeitweise Trennung von seiner neuen Lebensgefährtin als unverhältnismäßigen Eingriff in die Rechte aus Art. 6 Abs. 1 GG erscheinen lassen könnten, sind im Beschwerdeverfahren nicht substantiiert geltend gemacht worden. Bei dieser Bewertung ist auch mit zu berücksichtigen, dass der Antragsteller die angekündigte Ehe offensichtlich unter dem Eindruck der drohenden Aufenthaltsbeendigung forciert und lediglich während eines Zeitraums von drei Jahren seines Aufenthalts in der Bundesrepublik über einen Aufenthaltstitel verfügt hat.
Nach alledem ist es nicht ermessensfehlerhaft, wenn die Antragsgegnerin im angefochtenen Bescheid den öffentlichen Interessen an der Ablehnung des Antrags auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis gegenüber den persönlichen Interessen des Antragstellers den Vorzug eingeräumt hat. [...]