OLG Oldenburg

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Zitieren als:
OLG Oldenburg, Beschluss vom 08.11.2010 - 13 W 29/10 - asyl.net: M17866
https://www.asyl.net/rsdb/M17866
Leitsatz:

Die Aufrechterhaltung der Zurückschiebungshaft über einen Zeitraum von vier Wochen hinaus war rechtswidrig (§ 14 Abs. 3 S. 3 AsylVfG). Das Übernahmeersuchen nach der Dublin II-VO an die Slowakei war bereits vor der Asylantragstellung abgelehnt worden. Zwar wurde noch innerhalb der Vierwochenfrist ein Rückübernahmeersuchen an die Niederlande gestellt; dieses beruhte jedoch auf dem sog. Benelux-Abkommen vom 17.5.1966, welches keine Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren regelt und daher insoweit unbeachtlich ist. Unerheblich ist ferner, dass der Asylantrag nach Ablauf der Vierwochenfrist als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde.

Schlagwörter: Abschiebungshaft, Zurückschiebungshaft, Slowakische Republik, Niederlande, Dublin II-VO, Dublinverfahren, Asylantrag, Asylgesuch, unerlaubte Einreise, vollziehbar ausreisepflichtig, Aufenthaltsgestattung, sichere Drittstaaten, Übernahmeersuchen, BENELUX-Abkommen, Bundespolizei
Normen: AsylVfG § 55 Abs. 1 S. 1, AsylVfG § 14 Abs. 3 S. 1 Nr. 5, AsylVfG § 14 Abs. 3 S. 3
Auszüge:

[...]

2. Die Haftanordnung war jedoch rechtswidrig, soweit sie über den 12. August 2009 hinaus aufrechterhalten worden ist.

Zwar stand, wie vom Landgericht zutreffend ausgeführt, der während der Inhaftierung gestellte Asylantrag der Fortsetzung der angeordneten Zurückschiebungshaft gemäß § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AsylVfG nicht entgegen. § 14 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG erfasst auch die Haft zur Sicherung der Zurückschiebung als eine Form der Abschiebungshaft (BGH, Beschluss vom 6. Mai 2010 - V ZB 213/09, juris, Rn. 12 m.w.N.).

Allerdings endet gemäß § 14 Abs. 3 Satz 3 AsylVfG die Abschiebungshaft mit der Zustellung der Entscheidung des Bundesamtes, spätestens jedoch vier Wochen nach Eingang des Asylantrags beim Bundesamt, es sei denn, es wurde auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren ein Auf- oder Wiederaufnahmeersuchen an einen anderen Staat gerichtet oder der Asylantrag wurde als unbeachtlich oder offensichtlich unbegründet abgelehnt.

Da der Zeitpunkt des Eingangs des Asylantrags beim BAMF nicht bekannt ist, ist auf den Tag der Antragstellung, hier auf den 15.07.2009, abzustellen. Die Vier-Wochen-Frist endete somit am 12.08.2009. Der Betroffene hätte folglich spätestens mit Ablauf des 12.08.2009 aus der Haft entlassen werden müssen.

a) Dem Ablauf der Frist stand kein auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren Auf- oder Wiederaufnahmeersuchen an einen anderen Staat entgegen.

Zwar übermittelte das BAMF unmittelbar nach der Festnahme des Betroffenen ein Wiederaufnahmegesuch an die Slowakische Republik, die das Gesuch am 23.06.2009 vorläufig ablehnte. Um eine zeitnahe Zurückschiebung des Betroffenen zu gewährleisten, entschied das BAMF unter dem 24.06.2009 daraufhin, dass eine Zuständigkeit für die Wiederaufnahme durch die Slowakische Republik erloschen sei. Damit hat dieses Rücknahmeersuchen als erfolglos abgeschlossen zu gelten.

Das anschließend an die niederländischen Behörden gerichtete Rücknahmeersuchen, das nach Mitteilung des Bundespolizeipräsidiums vom 03.08.2009 ebenfalls abgelehnt wurde, stellt kein auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gestelltes Auf- oder Wiederaufnahmeersuchen (§ 14 Abs. 3 Satz 3 AsylVfG) dar. Denn das Ersuchen wurde auf das BENELUX-Abkommen (Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und den Regierungen des Königreiches Belgien, des Großherzogtums Luxemburg und des Königreichs der Niederlande über die Übernahme von Personen an der Grenze vom 17. Mai 1966) gestützt. Dieses Abkommen regelt aber nicht die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren, die sich nach der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18.02.2003 (Dublin II) bestimmt,

b) Dem Ablauf der Frist stand auch nicht entgegen, dass der Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde.

Der ablehnende Bescheid ist erst nach Ablauf der Vier-Wochen-Frist ergangen. Damit ist die Voraussetzung, dass "der Asylantrag als unbeachtlich oder offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde" nicht erfüllt, denn diese Voraussetzung ("abgelehnt wurde") muss bei Ablauf der Vier-Wochen-Frist vorliegen. Ist das nicht der Fall und liegt auch kein Auf- oder Wiederaufnahmeersuchen im Sinne des § 14 Abs. 3 Satz 3 AsylVfG vor, endet die Haft spätestens vier Wochen nach Eingang des Asylantrages beim Bundesamt - unabhängig davon, ob der Asylantrag zu einem späteren Zeitpunkt als unbeachtlich oder offensichtlich unbegründet abgelehnt wird (vgl. OLG Brandenburg, InfAuslR 2002, 418 ff., vgl. ferner OLG Celle, Beschluss vom 10.10.2005 - 22 W 65 und 66/05, sowie Vorläufige Niedersächsische Verwaltungsvorschrift zum AufenthG, lit. 62.3.3). [...]