Flüchtlingsanerkennung für einen zum Christentum konvertierten ehemaligen Moslem. Die religiöse Betätigung für muslimische Konvertiten, die einer evangelikalen oder freikirchlichen Gruppierung angehören, ist im Iran selbst im häuslich-privaten oder nachbarschaftlich-kommunikativen Bereich nicht mehr gefahrlos möglich.
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Geht es im Zusammenhang mit einer religiösen Betätigung um einen Eingriff in das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die physische Freiheit, so ist bereits nach bisheriger Rechtsprechung uneingeschränkt von einer beachtlichen Verfolgung auszugehen, wenn der Eingriff erheblich ist und an asylerhebliche Merkmale anknüpft (vgl. etwa: BVerwG, Urteil vom 25.10.1988 - 9 C 37.88 -, BVerwGE 80, 321 [324]). Das Bundesverwaltungsgericht hat im Urteil vom 5. März 2009- 10 C 51.07 - (NVwZ 2009, 1167) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich hieran durch Art. 9 der Richtlinie 2004/83/EG nichts geändert habe. Demgegenüber kommt es auf die in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Frage, ob eine schwerwiegende Verletzung der Religionsfreiheit i. S. d. Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2004/83/EG nur dann zu bejahen und dementsprechend Flüchtlingsschutz zu gewähren ist, wenn das sog. religiöse Existenzminimum - also die Glaubensbetätigung im privaten und nachbarschaftlich-kommunikativen Bereich - betroffen ist, oder ob und unter weichen Voraussetzungen beim Flüchtlingsschutz unter der Geltung der Qualifikationsrichtlinie auch religiöse Betätigungen in der Öffentlichkeit erfasst werden, nicht an. Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Frage in dem vorbezeichneten Urteil ausdrücklich als eine gemeinschaftsrechtliche Zweifelsfrage bezeichnet, die letztlich vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft - EuGH - zu klären sein wird. Da eine religiöse Betätigung für muslimische Konvertiten, die einer evangelikalen oder freikirchlichen Gruppierung angehören, nach den Feststellungen des Senats im Urteil vom 28. Januar 2009 im Iran selbst im häuslichen-privaten oder nachbarschaftlich-kommunikativen Bereich nicht mehr gefahrlos möglich ist, bedarf es einer Klärung der aufgezeigten Zweifelsfrage im vorliegenden Verfahren nicht. [...]
§ 28 Abs. 2 AsylVfG steht der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift kann in einem Folgeverfahren in der Regel die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt werden, wenn der erneute Asylantrag auf Umstände gestützt wird, die der Asylsuchende nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung des früheren Antrags selbst geschaffen hat. § 28 Abs. 2 AsylVfG findet auf den vorliegenden Sachverhalt indes deshalb keine Anwendung, weil der Kläger bereits im Erstverfahren - erfolglos - auf den Glaubenswechsel hingewiesen und ihn zur Begründung des geltend gemachten Anspruchs aufgeführt hat und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aus den oben dargelegten Gründen wesentlich darauf beruht, dass sich die Verfolgungspraxis des iranischen Regimes gegenüber zum Christentum konvertierten Muslimen seither entscheidend verändert hat. § 28 Abs. 2 AsylVfG ist aber nicht auf Fallgestaltungen anwendbar, in denen ohne Zutun des Betroffenen nach Abschluss des früheren Verfahrens Umstände eintreten, die eine gegenüber dem abgeschlossenen Verfahren abweichende Bewertung damals bereits vorliegender subjektiver Nachfluchtgründe erfordern (vgl. Funke-Kaiser in GKAsylVfG, Stand Oktober 2009, § 28 Rdnr. 65 und 70). [...]