VG Münster

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Zitieren als:
VG Münster, Urteil vom 25.11.2010 - 10 K 1267/09.A - asyl.net: M17991
https://www.asyl.net/rsdb/M17991
Leitsatz:

Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer sind staatenlose Kurden yezidischen Glaubens in Syrien nicht politisch verfolgt. Auch keine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer generellen Gefährdung aller nach Syrien zurückzuführenden Personen. Eine konkrete Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung mag dann bestehen, wenn Gefahr erhöhende Umstände vorliegen, die geeignet sind, bei den syrischen Sicherheitskräften den Verdacht zu begründen, dass der Betreffende sich gegen das syrische Regime betätigt hat.

Schlagwörter: Asylverfahren, Abschiebungsverbot, Syrien, Kurden, Yeziden, staatenlos, Deutsch-Syrisches Rückübernahmeabkommen,
Normen: AufenthG § 60 Abs. 2
Auszüge:

[...]

Im Übrigen ist die Klage nicht begründet. Der angegriffene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder auf Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 - 7 AufenthG. Zur Begründung und zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt das Gericht zunächst gemäß § 77 Abs. 2 AsylVfG Bezug auf den zutreffenden Inhalt des angegriffenen Bescheides.

Hinzuzufügen ist, dass nach ständiger, auch dem Prozessbevollmächtigten des Klägers des vorliegenden Verfahrens und der Beklagten bekannten Rechtsprechung der Kammer staatenlose Kurden yezidischen Glaubens in Syrien nicht politisch verfolgt sind. Nichts anderes gilt mit Blick auf die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung nur ganz vage geschilderte angebliche Auseinandersetzung seines Bruders mit einem Araber, den der Bruder mit einem Messer verletzt haben soll. Unabhängig davon, dass das Gericht dem Kläger diese ohne weitergehende Details mitgeteilte und konstruiert wirkende Geschichte nicht abnimmt, ist ihr auch nicht nachvollziehbar zu entnehmen, dass dem Kläger selbst wegen des behaupteten Vorfalls politisch motivierte Nachstellungen drohen würden. Ebenso ergibt aus dem ganz allgemein gehaltenen Hinweis des Klägers darauf, sein Großvater komme ursprünglich aus der Türkei, für ihn nichts Günstiges.

Schließlich führt auch der in den Fokus seiner Argumentation gerückte Hinweis des Prozessbevollmächtigten des Klägers auf das Problem der Rückkehrgefährdung (vgl. hierzu im Einzelnen Seite 13 f. der Niederschrift über die mündliche Verhandlung) zu keiner positiven Beurteilung der vom Kläger geltend gemachten Ansprüche. Namentlich liegt ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG nicht vor. Eine Abschiebungsschutz begründende Gefährdung besteht für den Kläger bei einer Rückkehr nach Syrien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit deshalb, weil nach Syrien abgeschobene Personen dort nach ihrer Rückkehr vorübergehend festgehalten und befragt oder verhört würden. Auch nach Inkrafttreten des deutsch-syrischen Rückführungsabkommens vom 25. Juli 2008 (BGBl. II S. 811) Anfang des Jahres 2009 bestehen trotz der jüngsten Erkenntnissen zu den Fällen der Inhaftierung rückgeführter Syrer, die für eine gewisse "Wahllosigkeit" und Unkalkulierbarkeit des Vorgehens der syrischen Stellen sprechen, keine tragfähigen Anhaltspunkte für eine generelle Gefährdung aller nach Syrien zurückzuführenden Personen (vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 24. September 2010 - 21 K 4217/09.A -, JURIS, m.w.N.).

Nichts anderes ergibt sich aus der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage mehrerer Abgeordneter und der Fraktion Die Linke vom 22. Oktober 2010 (BT-Drucksache 17/3365). Allerdings sind danach in den Jahren 2009 und 2010 insgesamt fünf Fälle von Inhaftierungen nach der Rückführung bekannt geworden, von denen insgesamt 14 Personen betroffen waren; dies entspricht in Anbetracht der in jenem Zeitraum abgeschobenen 73 Personen einem Anteil von etwa 20 %. Unabhängig davon, dass aber der zitierten Antwort der Bundesregierung nicht zu entnehmen ist, dass die in Rede stehenden Inhaftierungen durchgehend von längerer Dauer waren, und ungeachtet dessen, dass ausweislich der genannten Antwort der Bundesregierung offenbar jedenfalls teilweise auch strafrechtliche Ermittlungen Grund für das Festhalten zurückgeführter Personen waren, muss es aber dabei verbleiben, dass eine generelle Gefährdung aller nach Syrien zurückzuführenden Personen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit nicht anzunehmen ist.

Eine konkrete Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung mag mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit dann bestehen, wenn Gefahr erhöhende Umstände vorliegen, die geeignet sind, bei den syrischen Sicherheitskräften den Verdacht zu begründen, dass der Betreffende sich in Syrien oder im Ausland gegen das syrische Regime betätigt hat. Für eine dahingehende Annahme besteht aber im Fall des Klägers, einer politisch ganz unauffälligen Erscheinung, die sich nur ganz allgemein - wie viele andere Kurdische Yeziden auch, wobei dies den syrischen Behörden bekannt ist - auf angebliche Diskriminierungen durch die Araber beruft, kein Anhaltspunkt. [...]