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BVerwG, Urteil vom 29.09.2010 - 5 C 20.09 - asyl.net: M17998
https://www.asyl.net/rsdb/M17998
Leitsatz:

1. Für die Anforderungen, die im Einzelnen an die Kenntnis der deutschen Staatsangehörigkeit als Voraussetzung für ihren Verlust nach § 25 Abs. 1 RuStAG a.F. (§ 25 Abs. 1 Satz 1 StAG) zu stellen sind, kommt es maßgeblich auf das (wie auch immer erlangte) Bewusstsein der deutschen Staatsangehörigkeit an.

2. Rechtliche oder tatsächliche Zweifel am (Fort-)Bestand der deutschen Staatsangehörigkeit berühren die erforderliche zurechenbare Kenntnis der deutschen Staatsangehörigkeit nur und erst dann, wenn sie dem Betroffenen auch bekannt und bei einer objektiven Betrachtung geeignet sind, sich auf sein Bewusstsein auszuwirken, dass die deutsche Staatsangehörigkeit (fort-)besteht (Fortentwicklung der Urteile vom 10. April 2008 - BVerwG 5 C 28.07 - BVerwGE 131, 121 [asyl.net, M13946] und vom 29. April 2010 - BVerwG 5 C 5.09 - NVwZ-RR 2010, 658 [asyl.net, M17135]).

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: Staatsangehörigkeit, deutsche Staatsangehörigkeit, Spätaussiedler, Antragserwerb,
Normen: StAG § 25 Abs. 1, GG Art. 16 Abs. 1, BVFG § 15
Auszüge:

[...]

Die Parteien streiten im Revisionsverfahren, in dem die Klägerin weiterhin eine Spätaussiedlerbescheinigung begehrt, um Rechtsfragen des Verlusts der deutschen Staatsangehörigkeit beim Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit. [...]

Die Revision der Beklagten ist begründet. Das angefochtene Urteil des Oberverwaltungsgerichts steht mit Bundesrecht nicht im Einklang (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Es beruht auf einer unrichtigen Auslegung und Anwendung des § 25 Abs. 1 des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes in der Fassung vom 22. Juli 1913 (RGBl I S. 583; im Folgenden: RuStAG a.F.), der im vorliegenden Zusammenhang mit § 25 Abs. 1 Satz 1 StAG übereinstimmt.

Das Oberverwaltungsgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin die begehrte Spätaussiedlerbescheinigung nach § 15 BVFG beanspruchen könnte, wenn sie bei ihrer Übersiedlung im Jahr 2000 als deutsche Staatsangehörige Aufnahme im Bundesgebiet gefunden hätte (§ 100 Abs. 4 BVFG i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG a.F.). Die Klägerin ist jedoch nicht mit ihrer Geburt im Jahr 1957 deutsche Staatsangehörige geworden, weil ihr Vater durch den antragsgemäßen Erwerb der tschechoslowakischen Staatsbürgerschaft bereits im Jahr 1950 seine deutsche Staatsangehörigkeit verloren hatte. Er konnte ihr damit die deutsche Staatsangehörigkeit nach § 4 Abs. 1 RuStAG a.F. nicht mehr vermitteln.

1. Nach § 25 Abs. 1 RuStAG a.F. verlor ein Deutscher, der im Inland weder einen Wohnsitz noch einen ständigen Aufenthalt hatte, seine Staatsangehörigkeit mit dem Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit.

a) Dieser allgemeine Verlusttatbestand fand auch bei Sudetendeutschen Anwendung, die - wie der Vater der Klägerin - im Wege der Sammeleinbürgerung nach dem "Vertrag zwischen dem Deutschen Reich und der Tschechoslowakischen Republik über Staatsangehörigkeits- und Optionsfragen" vom 20. November 1938 (RGBl II S. 896) die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hatten. Im Gesetz zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit (StARegG) vom 22. Februar 1955 (BGBl I S. 65) wurde nicht nur die Rechtswirksamkeit dieses Staatsangehörigkeitserwerbs bestätigt. In § 2 StARegG wurde auch die Möglichkeit des zwischenzeitlichen Verlustes der Staatsangehörigkeit klargestellt. Der Gesetzgeber hielt insbesondere den Verlust nach § 25 RuStAG a.F. beim antragsgemäßen Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit für möglich (BTDrucks 2/44 S. 8). In diesem Punkt sollte keinerlei unterschiedliche Behandlung der kollektiv eingebürgerten Personen gegenüber anderen deutschen Staatsangehörigen erfolgen (vgl. BTDrucks 2/982 S. 2; Makarov, Deutsches Staatsangehörigkeitsrecht, 2. Aufl. 1971, S. 334 m.w.N.)

b) Der Vater der Klägerin hat die Tatbestandsmerkmale des § 25 Abs. 1 RuStAG a.F. erfüllt. Er hatte seinen Wohnsitz und ständigen Aufenthalt nicht in Deutschland. Ferner hat das Oberverwaltungsgericht gemäß § 137 Abs. 2 VwGO in tatsächlicher Hinsicht bindend festgestellt, dass der Erwerb der tschechischen Staatsangehörigkeit auf einem Antrag des Vaters der Klägerin beruhte und auch freiwillig erfolgt ist.

2. Der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit scheidet auch nicht deshalb aus, weil der Vater der Klägerin beim Antragserwerb der tschechoslowakischen Staatsangehörigkeit nicht die erforderliche Kenntnis vom Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit hatte. Die vom Oberverwaltungsgericht festgestellten Tatsachen lassen einen solchen Schluss nicht zu.

Das Oberverwaltungsgericht ist zwar im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass ein Deutscher seine Staatsangehörigkeit nur verliert, wenn ihm im Zeitpunkt des Antragserwerbs der ausländischen Staatsbürgerschaft der Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit bekannt war oder hätte bekannt sein müssen (Urteil vom 10. April 2008 - BVerwG 5 C 28.07 - BVerwGE 131, 121 Rn. 25). Diese Einschränkung gilt bei § 25 Abs. 1 RuStAG a.F. ebenso wie bei der derzeit geltenden Regelung des § 25 Abs. 1 Satz 1 StAG. Das Berufungsgericht hat allerdings die bei der Prüfung dieser Kriterien anzulegenden Maßstäbe nicht richtig erfasst.

a) Die den Anwendungsbereich des § 25 Abs. 1 Satz 1 RuStAG/StAG einschränkende Auslegung, nach der bei Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit auf Antrag die deutsche Staatsangehörigkeit nur verloren geht, wenn der Erwerber seine deutsche Staatsangehörigkeit kannte oder sie hätte kennen müssen, ergibt sich nicht nur aus der Vorschrift selbst, sondern ist zugleich mit Rücksicht auf den grundrechtlichen Schutz der Staatsangehörigkeit nach Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG geboten (Urteil vom 10. April 2008 a.a.O.). Der mit § 25 Abs. 1 RuStAG a.F. verbundene Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit ist verfassungsrechtlich nur unbedenklich, wenn der deutsche Staatsangehörige den Eintritt der gesetzlichen Rechtsfolge in zumutbarer Weise beeinflussen kann (s.a. BVerfG, Urteil vom 24. Mai 2006 - 2 BvR 669/04 - BVerfGE 116, 24 44>). Hierfür muss er auf der Grundlage eines freien Willensentschlusses selbstverantwortlich auch darüber bestimmen können, dass mit der Entscheidung für den antragsabhängigen Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit die daran geknüpfte gesetzliche Rechtsfolge des Verlusts der deutschen Staatsangehörigkeit eintritt. Nur dann bringt der Antrag auf Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit objektiv die - die gesetzliche Verlustfolge legitimierende - selbstverantwortliche Entscheidung für die Hinwendung zu einer fremden Staatsangehörigkeit zum Ausdruck. Mit Rücksicht darauf ist die Kenntnis von der deutschen Staatsangehörigkeit grundsätzlich Voraussetzung dafür, dass ein den Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit beantragender deutscher Staatsangehöriger auf den Verlust seiner Staatsangehörigkeit Einfluss nehmen kann. Das Wissen um die deutsche Staatsangehörigkeit setzt ihn in die Lage, von der ihm in § 25 Abs. 2 Satz 1 RuStAG a.F. (= § 25 Abs. 2 Satz 1 StAG) eingeräumten Möglichkeit Gebrauch zu machen, die Erteilung einer Beibehaltungsgenehmigung zu beantragen und bis zu deren Erhalt auf den Erwerb der ausländischen Staatsangehörigkeit zu verzichten oder im Falle der Ablehnung der Beibehaltungsgenehmigung seinen Schritt noch einmal zu überdenken (zuletzt Urteile vom 29. April 2010 - BVerwG 5 C 5.09 - NVwZ-RR 2010, 658 und - BVerwG 5 C 4.09 - juris Rn. 9).

b) Für die Anforderungen, die im Einzelnen an die Kenntnis der deutschen Staatsangehörigkeit im Rahmen des § 25 Abs. 1 RuStAG a.F. zu stellen sind, kommt es maßgeblich auf das (wie auch immer erlangte) Bewusstsein der deutschen Staatsangehörigkeit an. Für die Entscheidung des Betroffenen ist wesentlich, dass er um seine deutsche Staatsangehörigkeit weiß, nicht wie er zu dieser Erkenntnis gelangt ist. Es kommt folglich nicht darauf an, dass der Antragsteller über ein vertieftes Wissen im Staatsangehörigkeitsrecht verfügt und zutreffend die rechtlichen Gründe für den Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit aufgrund einer juristischen Subsumtion oder Parallelwertung in der Laiensphäre darlegen kann. Es genügt das aufgrund von Erfahrungs- oder Indiztatsachen gewonnene Bewusstsein der staatsbürgerlichen Zugehörigkeit zum deutschen Staat. Denn die meisten Menschen gelangen zu der Überzeugung, die deutsche Staatsangehörigkeit zu besitzen, nicht aufgrund rechtlicher Kenntnisse und Überlegungen. Der Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit wird vielmehr regelmäßig aus Tatsachen gefolgert, wie vor allem aus dem Erhalt von amtlichen deutschen Urkunden und Ausweispapieren, die eine Person als deutschen Staatsangehörigen bezeichnen, oder z.B. aus Auskünften von Behörden, aber auch aus entsprechenden Belehrungen im Elternhaus und in der Schule, aus der Zugehörigkeit zu einer Familie mit deutscher Staatsangehörigkeit oder aus der Zugehörigkeit zu einer Gruppe von kollektiv eingebürgerten Personen.

Das Bewusstsein, deutscher Staatsangehöriger zu sein, erfordert als Voraussetzung dafür, auf den Verlust der Staatsangehörigkeit bei Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit Einfluss nehmen zu können, eine hinreichende Überzeugungsgewissheit. Das Bewusstsein der bloßen Möglichkeit oder einer geringen Wahrscheinlichkeit, im Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit zu sein, reicht nicht aus. Absolute Gewissheit hingegen muss nicht vorliegen. Gewisse Zweifel sind unschädlich. So bestanden zwar an der Rechtsgültigkeit der vom Staatsangehörigkeitsregelungsgesetz erfassten Sammeleinbürgerungen in der Nachkriegszeit objektiv rechtliche Zweifel. § 2 StARegG ist aber - wie gezeigt - gleichwohl von der Möglichkeit des Verlusts nach § 25 Abs. 1 RuStAG a.F. durch Antragserwerb ausgegangen. Dementsprechend wollte der Gesetzgeber für die zurechenbare Kenntnis der deutschen Staatsangehörigkeit das Bewusstsein des Betroffenen ausreichen lassen, dass die durch eine Sammeleinbürgerung vermittelte deutsche Staatsangehörigkeit fortbesteht. Rechtliche oder tatsächliche Zweifel am (Fort-)Bestand der deutschen Staatsangehörigkeit berühren die erforderliche zurechenbare Kenntnis der deutschen Staatsangehörigkeit nur und erst dann, wenn sie dem Betroffenen auch bekannt und bei einer objektiven Betrachtung geeignet sind, sich auf sein Bewusstsein, dass die deutsche Staatsangehörigkeit (fort-)besteht, auszuwirken.

c) Diesen Maßstäben entspricht das Berufungsurteil nicht, soweit es im Hinblick auf denkbare Zweifel an der Rechtswirksamkeit der Sammeleinbürgerung des Vaters der Klägerin allein darauf abgestellt hat, dass die Rechtslage im Jahr 1950 in der Bundesrepublik Deutschland noch ungeklärt und in der Rechtsprechung und Rechtspraxis der Besatzungszonen zwischen 1945 und 1955 umstritten war. Das Oberverwaltungsgericht hat damit allein objektive rechtliche Zweifel ausreichen lassen, ohne deren Eignung in den Blick zu nehmen, das subjektive Staatsangehörigkeitsbewusstsein des Vaters der Klägerin zu berühren.

d) Auch die Annahme des Berufungsgerichts, dem Vater der Klägerin hätte sich die Fortgeltung seiner deutschen Staatsangehörigkeit im Jahr 1950 nicht aufdrängen müssen, beruht auf diesem rechtlich unzutreffenden Ansatz. Die Bewertung des Oberverwaltungsgerichts, der Vater der Klägerin habe bei Erwerb der tschechoslowakischen Staatsangehörigkeit keine Kenntnis seiner deutschen Staatsangehörigkeit gehabt, erweist sich auch nicht aus einem anderen Grund als zutreffend. Vielmehr lassen die vom Berufungsgericht festgestellten Tatsachen nur den Schluss zu, dass der Vater der Klägerin bei der Beantragung der tschechoslowakischen Staatsangehörigkeit in dem Bewusstsein gehandelt hat, noch die deutsche Staatsangehörigkeit zu besitzen.

aa) Der Vater der Klägerin war nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ein deutscher Volkszugehöriger, der ausweislich der vorgelegten Schulzeugnisse die deutsche Sprache in Wort und Schrift beherrschte. Ob er im Jahr 1938 als Dreizehnjähriger die Annexion des Sudetenlands bewusst miterlebt hat und ob ihm bereits in der deutschen Schule das Bewusstsein vermittelt worden ist, nunmehr zum Deutschen Reich zu gehören und die deutsche Staatsangehörigkeit zu besitzen, ist nicht festgestellt. Der Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit musste sich dem Vater der Klägerin jedenfalls als Fünfzehnjährigem nach Abschluss des Schulbesuches aufdrängen, weil in seinem Arbeitsbuch unter Staatsangehörigkeit "Deutsches Reich" vermerkt war. Die Einberufung zur Deutschen Wehrmacht war ein weiteres Indiz. Schließlich wurde ihm in seinem Soldbuch, das als Personalausweis diente, der Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit bescheinigt. Ist aber ein deutscher Volkszugehöriger - wie der Vater der Klägerin - im Besitz von Dokumenten, die ihn als deutschen Staatsangehörigen ausweisen, dann lässt dies regelmäßig den Schluss zu, dass er das Bewusstsein hat, deutscher Staatsangehöriger zu sein. Auch das Oberverwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Vater des Klägers während des Zweiten Weltkrieges um seine deutsche Staatsangehörigkeit wusste.

bb) Bei dieser Sachlage, die mit den vom Senat bislang entschiedenen Sachverhalten nicht vergleichbar ist, kann die nach den Umständen anzunehmende Kenntnis des Vaters der Klägerin, deutscher Staatsangehöriger zu sein, nur dann in einer für die Anwendung des § 25 Abs. 1 RuStAG a.F. beachtlichen Weise berührt werden, wenn sich aus anderen Tatsachen nicht nur objektiv, sondern auch aus Sicht des Betroffenen hinreichend gewichtige Zweifel am Fortbestand der bisherigen (deutschen) Staatsangehörigkeit ergeben. Solche Zweifel sind hier aber weder geltend gemacht noch erkennbar. Insbesondere musste sich bei deutschen Staatsangehörigen, die - wie der Vater der Klägerin - nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in der Tschechoslowakei verblieben sind, die Frage nach dem Fortbestand der deutschen Staatsangehörigkeit nicht ernsthaft stellen. Die Tschechoslowakei ging nämlich, wie das Oberverwaltungsgericht festgestellt hat, selbst von der Wirksamkeit der deutschen Sammeleinbürgerungen aus und betrachtete die verbliebenen Deutschen nicht als tschechoslowakische Staatsbürger. Aus dem Verhalten der tschechoslowakischen Behörden kann sich daher gegenüber dem Vater der Klägerin kein Indiz für den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit ergeben haben.

Auch aus den Zweifeln, die sich vor allem in der amerikanischen Besatzungszone am Fortbestand der deutschen Staatsangehörigkeit ergeben hatten, die aber z.B. in der britischen Besatzungszone nicht geteilt wurden (s. etwa Schätzel, AöR 74, 273 299 f.>; s.a. Makarov, JZ 1952, 403 405>; Augst, NJW 1950, 98), lässt sich entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts nicht herleiten, dass der Vater der Klägerin hiervon Kenntnis hatte und dass dies sein Bewusstsein, Deutscher zu sein, erschüttert haben könnte.

Die Klägerin hat auch selbst keine Umstände vorgetragen, die darauf schließen ließen, dass ihr Vater im Jahr 1950 das Bewusstsein verloren hätte, die deutsche Staatsangehörigkeit wahrscheinlich noch zu besitzen. Weder sie noch das Berufungsgericht haben behauptet oder gar belegt, dass der Vater der Klägerin im Jahr 1950 von der rechtlichen Diskussion in Deutschland über die generelle Rechtmäßigkeit der Sammeleinbürgerungen Kenntnis gehabt und sich die umstrittene Auffassung von der Völkerrechtswidrigkeit der Sammeleinbürgerungen zu eigen gemacht hätte.

cc) Selbst wenn aufgrund von - von dem Oberverwaltungsgericht nicht angenommenen und auch sonst nicht ersichtlichen - besonderen Umständen Rechtskenntnisse dahin unterstellt werden könnten, dass eine nach Besatzungszonen divergierende rechtliche Bewertung der auf einer Sammeleinbürgerung im Sudetenland gründenden deutschen Staatsangehörigkeit in der Nachkriegszeit bekannt gewesen ist, reichte dies für sich allein nicht aus. Denn dann wäre für den Regelfall davon auszugehen, dass eine Person, die aufgrund der Sammeleinbürgerung in der amerikanischen Zone mit Schwierigkeiten bei der Anerkennung der deutschen Staatsangehörigkeit rechnete, auch darum wusste, dass z.B. in der britischen Besatzungszone ihre Anerkennung als deutscher Staatsangehöriger ohne weiteres zu erwarten war.

e) Im Übrigen ginge es hier ausnahmsweise nicht zu Lasten der Beklagten, wenn insoweit nicht ausräumbare Unklarheiten bestünden. Zwar gilt im Staatsangehörigkeitsrecht, dass der Bürger grundsätzlich für den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit beweispflichtig ist, während die Behörde in der Regel die objektive Beweislast für den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit trägt (Beschluss vom 16. Januar 1992 - BVerwG 9 B 192.91 - NVwZ-RR 1992, 439 441>; BayVGH, Urteil vom 22. März 1999 - 11 B 96.2183 - DVBl 1999, 1218). Diese Verteilung der Darlegungs- und Beweislast ist allerdings in Bezug auf Tatsachen, die sich in der für behördliche Ermittlungen nur schwer zugänglichen Sphäre des Einzelnen bewegen, jedenfalls dann nicht sachgerecht, wenn dem Erwerber positiv bekannt gewesen ist, die deutsche Staatsangehörigkeit besessen zu haben, und nur zu beurteilen ist, ob er in der Folgezeit aufgrund objektiv feststellbarer Umstände an deren Fortbestand beachtliche Zweifel gehabt hat. Zumindest in dieser besonderen Fallkonstellation kann der Behörde die Darlegungs- und Beweislast für den Nachweis der Kenntnis vom Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit allenfalls dann auferlegt werden, wenn bereits beachtliche Zweifel des Erwerbers an deren Fortbestand dargelegt und bewiesen sind. Letzteres wäre aber hier - wie dargelegt - nicht der Fall. [...]