VG Magdeburg

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Zitieren als:
VG Magdeburg, Urteil vom 15.09.2010 - 9 A 165/10 MD - asyl.net: M18007
https://www.asyl.net/rsdb/M18007
Leitsatz:

Das BAMF hatte sich durch gerichtlichen Vergleich verpflichtet, die Zielstaatsbestimmung Syrien in der Abschiebungsandrohung zu streichen. An diese Verpflichtung ist es nur dann nicht weiter gebunden, wenn die Voraussetzungen für einen Widerruf vorliegen (§ 73 AsylVfG). Hintergrund des Vergleichs war die Erkenntnis, dass Staatenlose aus Syrien keine Möglichkeit der Wiedereinreise nach Syrien haben. Diese Lage hat sich auch durch das Rückübernahmeabkommen nicht geändert (ständige Rechtsprechung des Gerichts).

Schlagwörter: Abschiebungsverbot, Syrien, Zielstaatsbezeichnung, Vergleich, Widerruf, Deutsch-Syrisches Rückübernahmeabkommen, Änderung der Sach- und Rechtslage, Abschiebungsandrohung, staatenlos
Normen: AufenthG § 60 Abs. 2, AsylVfG § 73
Auszüge:

[...]

Die Beklagte hat sich zum Streichen der Zielstaatsbestimmung Syrien durch Vergleich verpflichtet. Dieser Vergleich ist formell und materiell wirksam geschlossen worden. An diese Verpflichtung ist sie nur dann nicht weiter gebunden, wenn die Voraussetzungen für einen Widerruf (§ 73 AsylVfG) vorliegen. Dies wäre nur dann der Fall, wenn der für die Aufhebung der Zielstaatsbestimmung bestimmende Grund weggefallen wäre. Hintergrund der Aufhebung der Zielstaatsbestimmung war die Erkenntnis, dass Staatenlose aus Syrien keine Möglichkeit der Wiedereinreise nach Syrien haben. Diese Lage hat sich auch unter Berücksichtigung des Rückführungsabkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Syrien nicht geändert. Insoweit verweist das Gericht auf seine ständige Rechtsprechung, vgl. nur Urteil des erkennenden Gerichts zu 9 A 8/08 MD vom 17.09.2009, in welchem das Gericht wie folgt ausgeführt hat:

"... Die Sachlage hat sich auch mit Inkrafttreten des Rückführungsübereinkommens zwischen der Bundesrepublik und Syrien nicht geändert. Nach Auffassung des Gerichts regelt das Übereinkommen allein das Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zu Syrien auf hoheitlicher Ebene. Es ermöglicht der Bundesrepublik unter erleichterten Bedingungen, die Wiederaufnahme von Staatenlosen aus Syrien von dem syrischen Staat zu verlangen (wobei offen bleibt, wie erleichtert die Bedingungen tatsächlich sind; insoweit hat das Gericht gewisse Zweifel, ob nicht das Erfordernis der unmittelbaren Einreise in die Bundesrepublik nach Art. 2 Abs. 2 des Rückführungsübereinkommens nahezu jeden Fall der Rückkehr ausschließt, weil kaum ein aus Syrien in die Bundesrepublik einreisender Asylbewerber ohne Berührung von Drittstaaten eingereist sein dürfte). Einem Staatenlosen aus Syrien ist es jedenfalls nicht möglich, sich bei der Wiedereinreise auf dieses Dokument zu berufen, so dass er sich weiterhin der Wiedereinreiseverweigerung ausgesetzt sehen wird. Auch kann das Abkommen nicht als Abkehr von dieser Verweigerung angesehen werden, nicht nur weil es - wie oben dargelegt - erhebliche Hürden für die Wiedereinreise aufstellt, sondern insbesondere, weil es eben ein zwischenstaatliches Abkommen ist, für dessen Abschluss Interessen auf internationaler Ebene ausschlaggebend sind, die eine ganz andere Ausrichtung haben als die Interessen, die im Zusammenhang zwischen dem Staat und dem Staatenlosen wirken. Schließlich ist offensichtlich auch der durchschlagende Erfolg dieses Rückführungsabkommens auch bislang nicht eingetreten, jedenfalls nicht im Hinblick auf Staatenlose ..."

Ist die Beklagte aber nicht berechtigt, die Zielstaatsbestimmung um Syrien zu ergänzen, so ergibt sich auch keine Befugnis, erneut überprüfen, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen. Dementsprechend war auch die insoweitige Entscheidung aufzuheben. [...]