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Zitieren als:
BGH, Beschluss vom 18.11.2010 - V ZB 165/10 - asyl.net: M18010
https://www.asyl.net/rsdb/M18010
Leitsatz:

Die Beachtung der Rechte, die einem Ausländer nach Art. 36 Abs. 1 Buchst. b des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen zustehen, muss für das Rechtsbeschwerdegericht nachvollziehbar sein. Die Belehrung des Ausländers über diese Rechte, seine Reaktion hierauf und, sofern verlangt, die unverzügliche Unterrichtung der konsularischen Vertretung von der Inhaftierung sind daher aktenkundig zu machen.

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: Abschiebungshaft, Verfahrensfehler, konsularische Vertretung, Benachrichtigung
Normen: WÜK Art. 36 Abs. 1 Bst. b
Auszüge:

[...]

II. Die - ungeachtet der Erledigung der Hauptsache statthafte (vgl. Senat, Beschluss vom 25. Februar 2010 - V ZB 172/09, NVwZ 2010, 726, 727 Rn. 9) und auch im Übrigen zulässige - Rechtsbeschwerde ist begründet, weil die Rechte des Betroffenen aus Art. 36 Abs. 1 Buchst. b WÜK nicht gewahrt worden sind. Dies stellt einen grundlegenden Verfahrensmangel dar, der die Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehung zur Folge hat (vgl. Senat, Beschluss vom 6. Mai 2010 - V ZB 223/09, FGPrax 2010, 212 Rn. 17 f.; BVerfG, NJW 2007, 499, 500 f.).

Nach der genannten Vorschrift sind die konsularischen Vertretungen des Heimatstaates eines Betroffenen auf Verlangen unverzüglich von dessen Inhaftierung zu unterrichten (Satz 1); auf dieses Recht ist der Betroffene unverzüglich hinzuweisen (Satz 3). Das Gericht hat deshalb neben der Belehrung des Betroffenen sicherzustellen, dass eine von diesem verlangte Unterrichtung der konsularischen Vertretung unverzüglich erfolgt. Da es sich bei den Rechten aus dem Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen um Verfahrensgarantien handelt, muss deren Beachtung für die Rechtsmittelinstanzen nachvollziehbar sein und daher aktenkundig gemacht werden. Die Belehrung des Betroffenen, seine Reaktion hierauf und die unverzügliche Unterrichtung der konsularischen Vertretung (sofern verlangt) sind zu dokumentieren. Unterbleibt dies, kann nicht festgestellt werden, dass die Verfahrensgarantien des Wiener Übereinkommens gewahrt worden sind; dies wirkt zugunsten des Betroffenen (vgl. Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, InfAuslR 2010, 359, 360 für den Haftantrag).

So verhält es sich hier. Ausweislich des Protokolls über die Anhörung des Betroffenen vom 15. April 2010 ist dieser von dem Amtsgericht zwar über sein Recht belehrt worden, die Unterrichtung seiner konsularischen Vertretung zu verlangen. Dass die von ihm verlangte Unterrichtung erfolgt ist, lässt sich der Verfahrensakte dagegen nicht entnehmen; diese enthält keinen Hinweis auf eine schriftliche oder telefonische Kontaktaufnahme mit dem Konsulat. Lediglich hinsichtlich der Bitte des Betroffenen um Benachrichtigung seiner Schwester findet sich in einer Protokollabschrift ein Erledigungsvermerk; dass sich dieser auch auf die Benachrichtigung des Konsulats beziehen soll, ist nach seiner räumlichen Anordnung auszuschließen.

Der Verstoß gegen Art. 36 WÜK ist nicht dadurch geheilt worden, dass die marokkanische Botschaft im späteren Verlauf des Verfahrens Kenntnis von der Inhaftierung des Betroffenen erhalten hat. Das Recht auf konsularische Hilfe kann nur dann effektiv in Anspruch genommen werden, wenn die Vertretung des jeweiligen Heimatlandes, wie in Art. 36 Abs. 1 Buchst. b Satz 1 WÜK vorgeschrieben, unverzüglich von der Inhaftierung unterrichtet wird (vgl. Senat, Beschluss vom 6. Mai 2010 - V ZB 223/09, FGPrax 2010, 212 Rn. 17 aE). [...]