VG Meiningen

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Zitieren als:
VG Meiningen, Urteil vom 01.04.2010 - 8 K 20140/09 Me - asyl.net: M18072
https://www.asyl.net/rsdb/M18072
Leitsatz:

Ein syrischer Kurde mit yezidischer Glaubenszugehörigkeit kann sich auf Abschiebungsschutz nach § 60 Abs.2 AufenthG unter Berücksichtigung des ad-hoc-Berichtes des Auswärtigen Amtes vom 28.12.2009 berufen, wenn er sich bereits in Syrien kulturell (Newroz-Fest) betätigt hat.

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: Asylverfahren, Abschiebungsverbot, Syrien, Yeziden, Gruppenverfolgung
Normen: AufenthG § 60 Abs. 2
Auszüge:

[...]

4) Unter diesen Voraussetzungen ist eine relevante politische Verfolgung in Syrien nicht glaubhaft. Der Kläger hat allerdings glaubhaft und nachvollziehbar ausgeführt, dies auch anlässlich seiner Anhörung beim Bundesamt, dass er zur Glaubensgemeinschaft der Yeziden zählt. Diese Glaubensgemeinschaft, die zugleich in aller Regel auch nicht die syrische Staatsangehörigkeit besitzt, lebt in Syrien am Rande der Gesellschaft (vgl. auch die Ausführungen im angefochtenen Bescheid des Bundesamtes). Sicherlich ist weiter daran festzuhalten, dass eine Gruppenverfolgung der Yeziden nicht stattfindet, doch muss andererseits gesehen werden, dass sie deutlich wirtschaftlich und sozial benachteiligt sind. Ausweislich der Feststellungen der Schweizerischen Flüchtlingshilfe Syrien, update: aktuelle Entwicklungen vom 20.08.2008 hat sich die Menschenrechtssituation 2006 weiterhin verschlechtert. Drohungen, Belästigungen, Vorladungen zum Verhör, Berufsverbote usw. seien Mittel der Regierung, Druck auf Kritiker auszuüben. Dabei seien gerade Kurden im Blickfeld der Sicherheitskräfte. Die Regierung gehe immer wieder mit großer Härte gegen von Kurden organisierte Anlässe vor. Dabei stehe auch besonders das kurdische Neujahrsfest in Kamishli im Vordergrund. Ohne vorherige Warnungen hätten Sicherheitskräfte das Feuer gegen feiernde Kurden eröffnet. Von daher gesehen kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger seinem eigenen Vortrag zu Folge als Teilnehmer am Newroz-Fest in den Blick der syrischen Sicherheitskräfte geraten ist, ohne unmittelbar verfolgt worden zu sein. Im Falle einer Rückkehr ist aber im Hinblick auf die aktuelle Erkenntnislage, und hierbei insbesondere die Feststellungen des Auswärtigen Amtes vom 28.12.2009 nicht auszuschließen, dass der Kläger mindestens mit nachhaltiger Befragung oder gar Strafverfahren rechnen muss. Die vorliegende Erkenntnislage lässt auch vermuten, dass sich Haftbedingungen und Befragungen durchaus als menschenrechtswidrig darstellen können. Insoweit ist dem Kläger Abschiebungsschutz gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG zu gewähren. [...]