Ablehnung eines Eilantrags gegen eine Dublin-Überstellung nach Italien. Es gibt keine überzeugenden Hinweise darauf, dass das Asylsystem in Italien dem normativen Vergewisserungskonzept nicht (mehr) entsprechen könnte, insbesondere haben UNHCR und andere Menschenrechtsorganisationen wie etwa Amnesty International oder Human Rights Watch keine Empfehlungen für einen Überstellungsstopp wie für Griechenland abgegeben.
Verkannt werden nicht örtliche Probleme mit den Aufnahmekapazitäten bei den Unterkünften, diese allerdings nicht den unmittelbaren Zugang zum italienischen Asylsystem betreffen. Sollte die Antragstellerin bei der Unterbringung oder Lebensunterhaltssicherung Schwierigkeiten haben, wäre das italienische Rechtsschutzsystem zu nutzen.
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1. Der Antrag ist zulässig, insbesondere fehlt der Antragstellerin nun nicht mehr das Rechtsschutzbedürfnis, da das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge durch Bescheid vom 13. Dezember 2010 die Durchführung eines Asylverfahrens in der Bundesrepublik Deutschland abgelehnt und die Abschiebung nach Italien angeordnet hat (anders noch im Verfahren VG Düsseldorf, Beschluss vom 28. Oktober 2010 – 21 L 1733/10.A -).
Der Zulässigkeit des Antrages steht auch § 34a Abs. 2 AsylVfG nicht entgegen. Hiernach darf die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat, der - wie hier - auf dem Wege des § 27a AsylVfG ermittelt worden ist, nicht nach § 80 oder 123 VwGO ausgesetzt werden. Die vorläufige Untersagung der Abschiebung kommt nach § 123 VwGO jedoch in Betracht, wenn eine die konkrete Schutzgewährung nach § 60 AufenthG in Frage stellende Sachlage im für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gegeben ist. [...]
Ein Anordnungsanspruch ist allerdings nicht glaubhaft gemacht. Eine verfassungskonforme Reduktion des Anwendungsbereichs des § 34a Abs. 2 AsylVfG ist vorliegend nicht geboten. Es ist nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin von einem der im normativen Vergewisserungskonzept des Art. 16a Abs. 2 GG und der §§ 26a, 27a, 34a AsylVfG nicht aufgefangenen Sonderfälle betroffen ist. Es gibt keine überzeugenden Hinweise dafür, dass das Asylsystem in Italien diesem Konzept nicht (mehr) entsprechen könnte. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
Das UNHCR hat jüngst ausgeführt, dass es an seiner seit April 2008 geltenden Empfehlung festhalte, Asylsuchende nicht mehr auf der Grundlage der Dublin-II-Verordnung nach Griechenland zu überstellen. Vielmehr sollten die Mitgliedstaaten von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-Verordnung Gebrauch machen (UNHCR, Stellungnahme an das Bundesverfassungsgericht zur Verfassungsbeschwerde 2 BvR 2915/09 -, Februar 2010, S. 3 f.; abrufbar unter www.unhcr.de
fileadmin/unhcr_data/pdfs/rechtsinformationen/2_EU/2_EU-Asyl/B.01_Dubliner_Uebereinkommen/
BVerfGStellungnFinal.pdf).
Eine entsprechende Empfehlung hinsichtlich Italiens gibt es seitens des UNHCR hingegen nicht.
Zur Stellung des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen vgl. auch § 9 AsylVfG.
Dem Gericht sind auch keine entsprechenden Empfehlungen anderer Menschenrechtsorganisationen – wie etwa Amnesty International oder Human Rights Watch – bekannt.
Zum Bericht der Schweizerischen Beobachtungsstelle für Asyl- und Ausländerrecht siehe die Ausführungen unten.
Des weiteren ist darauf hinzuweisen, dass sowohl der österreichische Asylgerichtshof (Spruch vom 3. Mai 2010 - S16 412.104-1/2010-4E -, veröffentlicht unter www.ris.bka.gv.at, dort insbes. Ziffer 2.2.2.2.1. "Kritik am italienischen Asylwesen" m.w.N. -) als auch das schweizerische Bundesverwaltungsgericht (vgl. etwa Urteile vom 15. Juli 2010 – D-4987/2010 - und vom 18. März 2010 - D-1496/2010 -, jeweils veröffentlicht unter www.bundesverwaltungsgericht.ch/index entscheide/jurisdiction-datenbank/jurisdiction-recht-urteile-aza.htm -) die Rückführung von Asylsuchenden nach Italien auch in Ansehung der dortigen Asylverfahrenspraxis grundsätzlich als zulässig ansehen (vgl. bereits VG Düsseldorf, Urteil vom 30. Juli 2010 – 13 K 3075/10.A -).
Soweit Medien über Probleme von Asylsuchenden berichtet haben, wurde dort der Fokus auf die Situation von Flüchtlingen gelegt, die in Booten über das Mittelmeer nach Italien zu gelangen suchen. Diese Situation ist mit Asylsuchenden, die im Rahmen des Dublin II-Verfahrens in ein anderes EU-Land überstellt werden nicht zu vergleichen. Diese werden vielmehr am Flughafen von der Polizei im Empfang genommen und bevorzugt behandelt. (vgl. Bericht der Schweizerischen Beobachtungsstelle für Asyl- und Ausländerrecht, Stand: November 2009; abrufbar unter www.beobachtungsstelle.ch/fileadmin/user_upload/pdf_divers /Berichte/Bericht_DublinII/Italien.pdf).
Das Gericht verkennt dabei nicht, dass es nach dem genannten Bericht, der sich mit der Situation in Rom und Turin befasst, örtliche Probleme mit den Aufnahmekapazitäten bei den Unterkünften gibt, die allerdings nicht unmittelbar den Zugang zum italienischen Asylsystem betreffen. Es ist nicht ersichtlich, dass sich die Situation derart verschlechtert haben könnte, dass die Antragstellerin, die nach Mailand verbracht werden soll, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit diesen Problemen ausgesetzt sein wird. Sollte es im Falle der Antragstellerin im Zusammenhang mit Unterbringung oder Lebensunterhalt Schwierigkeiten geben, wäre das in Italien bestehende Rechtsschutzsystem, ggf. unter Anrufung der zuständigen Gerichte, zu nutzen.
Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Entscheidungen anderer Verwaltungsgerichte, die Überstellungen von Asylsuchenden im Rahmen des Dublin II-Verfahren vorübergehend ausgesetzt haben (VG Minden, Beschlüsse vom 7. Dezember 2010 – 3 L 625/10.A -; vom 28. September 2010 – 3 L 491/10.A – und vom 22. Juni 2010 – 12 L 284/10.A -; VG Darmstadt, Beschluss vom 9. November 2010 – 4 L 1455/10.DA.A (1) –; VG Weimar, Beschluss vom 15. Dezember 2010 – 5 E 20190/10 We –; VG Frankfurt/Main, Beschluss vom 2. August 2010 – 8 L 1827/10.F.A –), sich zumeist nicht darauf stützen, dass in Italien die Durchführung eines den Mindestanforderungen genügenden Asylverfahrens generell nicht gewährleistet sei, sondern werfen verschiedene Fragen auf, die im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auf der Ebene der Interessenabwägung zu Gunsten der jeweiligen Antragsteller als offen angesehen wurden. [...]