VG Frankfurt a.M.

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Zitieren als:
VG Frankfurt a.M., Beschluss vom 22.11.2010 - 2 L 4369/10.F.A; 2 L 4373/10.F.A - asyl.net: M18116
https://www.asyl.net/rsdb/M18116
Leitsatz:

Rechtmäßige Einreiseverweigerung und Überstellung nach Dänemark durch die Bundespolizei am Flughafen Frankfurt, da in Dänemark der Ehemann und Vater der Antragsteller als anerkannter Flüchtling lebt und auch geplant war, über Deutschland auf dem Landweg nach Dänemark zu reisen (Art. 7 Dublin II-VO).

Schlagwörter: Dublin II-VO, Dublinverfahren, vorläufiger Rechtsschutz, Zurückschiebung, Dänemark, Einreiseverweigerung, unerlaubte Einreise, Bundespolizei, Asylantrag, Asylgesuch, Zurückweisung
Normen: AsylVfG § 18 Abs. 2 Nr. 2, VO 343/2003 Art. 7, AsylVfG § 18 Abs. 3, AufenthG § 15, VO 343/2003 Art. 15, AsylVfG § 18a S. 6
Auszüge:

[...]

Nach Überzeugung des Gerichts bestehen keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides der Bundespolizeidirektion vom 31.10.2010, mit welchem den Antragstellern die Einreise verweigert wurde und ihre Zurückschiebung nach Dänemark verfügt wurde.

Gemäß § 18 Abs. 2 Nr. 2 AsylVfG ist dem Ausländer die Einreise zu verweigern, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkergerichtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und ein Auf- oder Wiederaufnahmeverfahren eingeleitet wird. Gerade in "vermuteten Dublinverfahren" greift also die vorgenannte Vorschrift. Dänemark ist für die Prüfung des Asylbegehrens der Antragsteller zuständig. Gemäß Art. 7 Dublin II-VO ist für den Fall, dass der Asylbewerber einen Familienangehörigen - ungeachtet der Frage, ob die Familie bereits im Herkunftsland bestanden hat - hat, dem das Recht auf Aufenthalt in einem Mitgliedsstaat in seiner Eigenschaft als Flüchtling gewährt wurde, dieser Staat für die Prüfung des Asylantrags zuständig, sofern die betroffenen Personen dies wünschen. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Der Ehemann und Vater der Antragsteller zu 1-4 verfügt über ein Recht auf Aufenthalt in Dänemark in seiner Eigenschaft als Flüchtling, und die Antragstellerin zu 1. hat im Rahmen des vorliegenden Verwaltungsverfahrens, insoweit auch für die minderjährigen Antragsteller zu 2.bis 4., hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass ein diesbezüglicher Wunsch der Antragstellerseite, das Verfahren in Dänemark durchzuführen besteht. Dies folgt für das Gericht aus den von der Antragstellerin zu 1. gegenüber der Grenzbehörde im Beisein eines Dolmetschers abgegebenen und von ihr auch handschriftlich unterzeichneten Erklärungen. Die Antragstellerin zu 1. hat ausweislich der Niederschrift zum Einreisebegehren vom 31.10.2010 erklärt, dass sie mit ihren Kindern zu ihrem Mann nach Dänemark wolle. Dieser sei in Dänemark anerkannter Asylbewerber. Sie habe in Deutschland niemanden und kenne auch niemanden. Weiterhin hat sie im Rahmen ihrer Beschuldigtenvernehmung am 31.10.2010 ebenfalls in Anwesenheit eines Dolmetschers und von ihr unterzeichnet erklärt, dass sie zu ihrem Ehemann möchte. Es sei geplant gewesen, dass sie über Deutschland einreisen und auf dem Landweg nach Dänemark zu ihrem Ehemann reisen wolle. Durch all diese von der Antragstellerin zu 1. abgegebenen Erklärungen insoweit den Antragstellern zu 2 bis 4 auch ohne weiteres zurechenbar, hat die Antragstellerseite, die im Bundesgebiet offenbar ohne jegliche Bindung ist, hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie eine Prüfung ihres Schutzgesuchs am Aufenthaltsort ihres Ehemannes und Vaters wünscht. Dies reicht ohne weiteres aus, um die Zuständigkeit von Dänemark für die Prüfung des Asylbegehrens der Antragsteller zu 1 bis 4 zu begründen. Dieser Annahme steht auch das von der Bevollmächtigten der Antragsteller gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge anhängig gemachte Asylbegehren, bezugnehmend auf die obigen Ausführungen, nicht entgegen. Die Antragstellern zu 1. hat vielmehr nach Stellung des vorgenannten Asylantrages die oben im Einzelnen aufgeführten Erklärungen, an denen sie sich und die minderjährigen Antragsteller zu 2 bis 4 festhalten lassen müssen, abgegeben. Nach § 18 Abs. 3 AsylVfG ist der Ausländer zurückzuschieben, wenn er im grenznahen Raum in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit einer unerlaubten Einreise angetroffen wird und die Voraussetzungen des Abs. 2 vorliegen, was bereits bejaht wurde. Die Antragsteller sind daher nach § 18 Abs. 2 Nr. 2 AsylVfG i.V.m. § 18 Abs. 3 AsylVfG i.V.m. § 15 AufenthG, wonach ein Ausländer, der unerlaubt einreisen will, an der Grenze zurückgewiesen wird[, zurückzuweisen]. Die Antragsteller können sich letztlich auch nicht auf die Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland nach Art. 15 Dublin ll-VO berufen. Danach kann jeder Mitgliedstaat aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, Familienmitglieder [Familienangehörige] zusammenführen, auch wenn er dafür nach den Kriterien dieser Verordnung nicht zuständig ist. Bei der Anwendung dieser humanitären Klausel hat die Antragsgegnerin ihr pflichtgemäßes Ermessen auszuüben, welches sich insbesondere an den Regelbeispielen des Art. 15 Abs. 2 Dublin ll-VO orientiert. Vorliegend ergeben sich indes im Hinblick auf den Umstand, dass die Antragsteller in der Bundesrepublik Deutschland über keinerlei familiäre Bindungen verfügen und sich ihr Ehemann und Vater in Dänemark als Asylberechtigter aufhält, keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge diesbezüglich eine Ermessensentscheidung für ein Tätigwerden eröffnet sein könnte.

Aus den vorgenannten Gründen war auch der Antrag, die Bundespolizeidirektion Flughafen Frankfurt am Main im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Einreise zu gestatten und sie an die nächstgelegene Aufnahmeeinrichtung weiterzuleiten, abzulehnen. Soweit die Antragsteller darüber hinaus die Verpflichtung zur Aufhebung einer Aufenthaltsanordnung erstreben, ist dieser Antrag bereits unzulässig, da eine diesbezügliche Aufenthaltsanordnung seitens der Bundespolizeidirektion überhaupt nicht ergangen Ist.

Die hilfsweise gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge begehrte Verpflichtung der Bundespolizeidirektion mitzuteilen, dass über das Asylgesuch nicht innerhalb der Fristen des § 18a AsylVfG entschieden werden kann, hat ebenfalls keinen Erfolg. Es geht ins Leere, da es sich vorliegend nicht um ein Verfahren nach § 18a AsylVfG handelt. § 18a AsylVfG und damit die für das "Flughafenverfahren" geltenden Fristen finden schon deshalb keine Anwendung, weil gemäß § 18a Satz 6 AsylVfG, § 18 Abs. 2 AsylVfG unberührt bleibt. [...]