VG Leipzig

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Zitieren als:
VG Leipzig, Gerichtsbescheid vom 03.08.2010 - A 1 K 304/10 - asyl.net: M18166
https://www.asyl.net/rsdb/M18166
Leitsatz:

Abweisung einer Klage gegen eine Dublin-Überstellung nach Spanien per Gerichtsbescheid.

Schlagwörter: Dublin II-VO, Dublinverfahren, Spanien, Aufenthaltstitel, Asylverfahren, Überstellungsfrist, Untersuchungshaft, Gerichtsbescheid, Klagefrist, Rechtsmittelbelehrung, örtliche Zuständigkeit
Normen: AsylVfG § 27a, AsylVfG § 34a Abs. 1, VO 343/2003 Art. 16 Abs. 1 Bst. c, VO 343/2003 Art. 20 Abs. 2, VwGO § 58 Abs. 2
Auszüge:

[...]

Die Klage ist jedoch unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 10.2.2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Denn der Kläger hat bereits keinen Anspruch auf Durchführung eines Asylverfahrens in der Bundesrepublik Deutschland. Das Bundesamt hat den Asylantrag des Klägers zu Recht gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt und dem Kläger gegenüber in rechtlich nicht zu beanstandender Weise nach § 34a Abs. 1 AsylVfG die Abschiebung nach Spanien angeordnet. Der Kläger hat demnach keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter oder Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG bzw. von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG (§113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO). [...]

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts der Bundesrepublik Deutschland. Dabei kann dahinstehen, ob bzw. inwieweit die Selbsteintrittskompetenz eines EU-Mitgliedsstaats nach Art. 2 Abs. 2 Dublin II VO überhaupt ein subjektives Recht eines Asylbewerbers zu begründen vermag oder ob es sich dabei um ein bloßes Recht des einzelnen Unterzeichnerstaates des Dubliner Übereinkommens im Verhältnis zu den anderen Unterzeichnerstaaten handelt (vgl. zum Meinungsstand z. B. VG Frankfurt a.M., Urt. v. 8.7.2009 - 7 K 4376/07.FA -, Asylmagazin 9/2009, 23; VG d. Saarlands, Urt. v. 24.9.2008 - 2 K 94/08 - m.w.RsprN., zit. n. Juris). Der Umstand, dass der Antragsteller bei seiner Anhörung am 4.12.2009 auch zu seinen Gründen bezüglich des Verlassens seines Heimatlands angehört wurde, löste die Ausübung des Selbsteintrittsrechts der Beklagten nicht aus. Denn allein die Anhörung des Klägers reicht nicht aus, die für eine Übernahme notwendige Absicht, über das Asylbegehren auch in der Sache zu entscheiden, anzunehmen (vgl. VG Sigmaringen, Beschl. v. 25.11.2008 - A 2 K 2032/08 -, Asylmagazin 1-2/2009, 40; VG d. Saarlands, Urt. v. 24.9.2008 - 2 K 94/08 Rn. 38 f. zit. n. Juris). Für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts ist den Mitgliedsstaaten ein weiter Ermessensspielraum eingeräumt. So kommt insbesondere auch die Ausübung des Selbsteintrittsrechts aufgrund humanitärer Gründe i.S.d. Art. 15 Abs. 1 Dublin II VO in Betracht. Bereits zur Feststellung, ob humanitäre Gründe vorliegen, bedarf es einer Anhörung des Asylantragstellers.

Gründe, die die Beklagte verpflichten könnten, von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen, sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Insbesondere sind keine besonderen humanitären Gründe i.S.v. Art. 15 Abs. 1 Dublin II VO erkennbar, die Anlass für eine Prüfung des Asylantrags des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland böten. Nach eigenen Angaben des Klägers leben keine näheren Verwandten in Deutschland, überhaupt lebt von seinen Verwandten im Ausland nur eine Tante mütterlicherseits in Frankreich.

Die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens ist auch nicht nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Dublin II VO auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen. Danach geht die Zuständigkeit auf den Mitgliedsstaat über, in dem der Asylantrag eingereicht wurde, wenn die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt wurde. Zwar ist danach die Überstellungsfrist am 7.7.2010 abgelaufen, allerdings wird die Frist auf ein Jahr verlängert, wenn die Überstellung aufgrund der Inhaftierung des Asylbewerbers nicht erfolgen konnte, oder höchstens auf 18 Monate, wenn Asylbewerber flüchtig ist (Art. 19 Abs. 4 Satz 2 Dublin II VO i.V.m. Art. 20 Abs. 2 Dublin II VO. Vorliegend konnte die beabsichtigte Überstellung am 9.3.2010 nicht erfolgen, weil der Kläger inhaftiert war. Nach Mitteilung der Beklagten vom 21.7.2010 befindet sich der Kläger in U-Haft in der JVA, so dass die Überstellungsfrist auf 12 Monate gemäß Art. 20 Abs. 2 Dublin II VO verlängert wurde und damit längstens bis zum 7.1.2011 greift. Ist nach alledem die Zuständigkeit Spaniens gegeben, so ist die im Bescheid des Bundesamts vom 10.2.2010 getroffene Feststellung, dass der Asylantrag unzulässig sei, gemäß § 27a AsylVfG rechtmäßig. [...]