Es gibt seit dem Abschluss des Rückübernahmeabkommens mit Syrien keine Anzeichen einer verschärften Vorgehensweise der syrischen Sicherheitskräfte. Exilpolitische Betätigung führt nicht automatisch zu einem relevanten Nachfluchtgrund, sondern ist im Zusammenhang mit den Umständen des Einzelfalles zu würdigen.
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Des Weiteren beruft sich der Antragsteller auf neue Beweismittel, um seine exilpolitischen Aktivitäten in der Bundesrepublik Deutschland zu belegen. Diese Beweismittel genügen jedoch nicht den Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG.
Beweismittel i.S. des § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG sind solche, die während der Anhängigkeit des ersten Asylverfahrens noch nicht existierten, aber auch solche, die damals zwar schon vorhanden waren, aber ohne Verschulden des Antragstellers nicht oder nicht rechtzeitig beigebracht werden konnten. Zudem muss der Antragsteller die Eignung des Beweismittels für eine ihm günstigere Entscheidung schlüssig darlegen. Ferner ist ein auf ein neues Beweismittel gestützter Folgeantrag nur dann begründet, wenn das neue Beweismittel - ggf. in Verbindung mit anderen beachtlichen Beweismitteln - eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeiführt (vgl. bereits BVerwG, Urteil vom 21.04.1982, NJW 1982, 2204).
Der Wiederaufgreifensgrund des neuen Beweismittels nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG liegt nicht vor, da hierzu das neue Beweismittel - gegebenenfalls in Verbindung mit anderen (beachtlichen) Beweismitteln - tatsächlich eine für den Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben müsste. Der auf ein neues Beweismittel gestützte Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens ist nämlich nur begründet, wenn sämtliche Anspruchsvoraussetzungen für das mit diesem angestrebte Ziel, die Asylgewährung nach Art. 16 a Abs. 1 GG bzw. die Zuerkennung von Flüchtlingsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG, gegeben sind. Für den Antragsteller ist nämlich nichts gewonnen, wenn bezogen auf den Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens zunächst von bestimmten Voraussetzungen abgesehen wird und dann im anschließend durchgeführten Verwaltungsverfahren gerade wegen des Nichterfüllens dieser Voraussetzungen der Erfolg versagt bleibt (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.04.1982, NJW 1982, S. 2204, 2205). Dabei hat der Antragsteller zunächst die Eignung des Beweismittels für eine ihm günstigere Entscheidung schlüssig darzulegen. Neue Beweismittel im Sinne von § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG sind dabei solche, die während der Anhängigkeit des ersten Verfahrens noch gar nicht existiert haben oder ohne Verschulden nicht oder nicht rechtzeitig beigebracht werden konnten (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.09.1984, BVerwGE 70, 110, 113f.).
Das Beweismittel muss auf den im ersten Verfahren entschiedenen Sachverhalt Bezug nehmen und geeignet sein, die Richtigkeit gerade derjenigen Feststellungen in Frage zu stellen, die für die Entscheidung im Erstverfahren tragend waren. Dazu muss es sich auf eine beweisbedürftige Tatsache beziehen, die auch angegeben werden muss. An der Beweisbedürftigkeit fehlt es z.B., wenn das Asylbegehren nicht mangels Beweises oder wegen fehlender Glaubhaftmachung der durch das Beweismittel zu belegenden individuellen Gründe des Asylbewerbers abgelehnt worden war, sondern aus anderen tatsächlichen oder rechtlichen Gründen. Wird so in einem Folgeantrag lediglich eine Behauptung urkundlich belegt, die bereits im ursprünglichen Verfahren selbst bei Unterstellung ihrer Wahrheit als für die Annahme politischer Verfolgung unerheblich und unzureichend gewürdigt wurde, ist der Folgeantrag asylverfahrensrechtlich nicht relevant. Die beweisbedürftige Tatsache muss auch ausreichend substantiiert sein, denn die Vorlage eines Beweismittels vermag Substantiierungsmängel grundsätzlich nicht zu beheben. Der Beweiswert eines Beweismittels (Urkunde oder Zeuge), das vorgebracht wird, um Glaubwürdigkeitsmängel aus dem vorangegangenen Verfahren auszuräumen, darf aber nicht mit dem bloßen Hinweis auf die damaligen Zweifel an der Glaubwürdigkeit verneint werden. Das Beweismittel muss schließlich tatsächlich vorgelegt werden, die Ankündigung allein genügt nicht (vgl. Funke-Kaiser in GK-AsylVfG, Stand Dezember 2007, § 71 Rn. 179 ff.).
Soweit der Antragsteller angibt und durch Vorlage von Dokumenten und Fotografien belegt, er habe sich in der Bundesrepublik Deutschland exilpolitisch betätigt, indem er an Demonstrationen teilgenommen, Veranstaltungen der "YEKITI" als Mitglied dieser Partei besuche und die AZADI-Partei unterstütze, führt dies im vorliegenden Fall nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens.
Syrien ist ein Land mit begrenzten Ressourcen und einem dramatischen Bevölkerungswachstum. Auch in Anbetracht der chronischen Devisenknappheit ist es aus syrischer Sicht erwünscht, dass syrische Bürger im Ausland ihren Lebensunterhalt verdienen. Der syrische Geheimdienst beobachtet die politischen Aktivitäten syrischer Staatsangehöriger im Ausland zwar genau (vgl. hierzu Europäisches Zentrum für Kurdische Studien vom 25.09.2006 an das VG Stuttgart; VG Göttingen, Urteil vom 13.03.2008, Az.: 2 A 371/05), auch durch eingeschleuste oder angeworbene Spitzel (siehe hierzu VG Dresden, Beschluss vom 13.07.2007, Az.: A 1 K 30124/07), eine flächendeckende Überwachung der Aktivitäten liegt jedoch nicht vor (siehe hierzu OVG Magdeburg, Urteil vom 20.06.2007, Az.: 3 L 309/05; ähnlich VG Chemnitz, Urteil vom 26.05.2009, Az.: A 1 K 1296/04; VG Aachen, Urteil vom 27.08.2008, Az.: 9 K 600/06.A; VG Osnabrück, Beschluss vom 19.08.2008, Az.: 5 B 79/08).
Exilpolitische Betätigung führt nicht automatisch zu einem relevanten Nachfluchtgrund, sondern ist im Zusammenhang mit den Umständen des Einzelfalles zu würdigen. Für die asylrechtliche Relevanz exilpolitischer Betätigung kommt es auf die Sicht des Verfolgerstaates an, von ihm nicht erkannte oder nicht ernst genommene Aktivität hat asyl- und flüchtlingsrechtlich keine Bedeutung (vgl. zu der Problematik: OVG Münster, Beschluss vom 15.04.2010, Az.: 14 A 729/10.A). Die syrischen Sicherheitsdienste wissen zwischen geflüchteten Regimegegnem und denjenigen zu unterscheiden, die durch die Schaffung von sogenannten Nachfluchtgründen ein Aufenthaltsrecht erwerben möchten (siehe hierzu OVG Magdeburg, Urteil vom 20.06.2007, Az.: 3 L 309105). Die Geheimdienste unterscheiden bei Rückkehrern zwischen Führungspersönlichkeiten, Aktivisten, einfachen Sympathisanten und Mitläufern (vgl. Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Arabischen Republik Syrien vom 17.03.2006, Gz.: 508-516.80/3 SYR; OVG Magdeburg, Urteil vom 20.06.2007, Az.: 3 L 309/05).
Ob jemandem bei seiner Rückkehr nach Syrien aufgrund seiner Aktivitäten staatliche Verfolgung droht, hängt z.B. von der Quantität (z.B. Zahl der besuchten Demonstrationen) und/oder der Qualität seiner Betätigung "besonders sichtbare" Aktivitäten, beispielsweise Verfassung regimekritischer Artikel auf einschlägigen Internetseiten) ab, wobei die - bewusst angewandte - Willkür der syrischen Sicherheitskräfte zu berücksichtigen ist (vgl. hierzu Europäisches Zentrum für Kurdische Studien vom 15.11.2009 an das VG Osnabrück; VG Wiesbaden, Urteil vom 24.09.2010, Az.: 2 K 1084/09.WI.A). Exilpolitische Tätigkeit wird erst wahrgenommen, wenn sie sich als "antisyrisch" interpretieren lässt und aufgrund hoher Publizität oder anderer Öffentlichkeitswirksamkeit eine besondere Aufmerksamkeit im Ausland gegen den syrischen Staat erzeugt (siehe hierzu OVG Magdeburg, Urteil vom 20.06.2007, Az.: 3 L 309/05; VG Chemnitz, Urteil vom 26.05.2009, Az.: A 1 K 1296/04; VG Aachen, Urteil vom 27.08.2008, Az.: 9 K 600/06.A; VG Osnabrück, Beschluss vom 19.08.2008, Az.: 5 B 79/08; VG Göttingen, Urteil vom 13.03.2008, Az.: 2 A 371/05). Die exilpolitische Betätigung muss nach Syrien hineinzuwirken geeignet oder bestimmt sein und dem syrischen Geheimdienst bekannt werden (vgl. VG Göttingen, Urteil vom 13.03.2008, Az.: 2 A 371/05), dann wird eine nicht zu unterschätzende asyl- bzw. flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgungsgefährdung bei unterstellter Rückkehr nach Syrien begründet.
Unterhalb dieser Schwelle wird ein Rückkehrer mit den üblichen Befragungen des Sicherheitsdienstes bei der Einreise, aber nicht mit gezielter asyl- bzw. flüchtlingsrechtlich relevanter Verfolgung zu rechnen haben. Es ist in Syrien üblich, dass Rückkehrer gezielt vom Geheimdienst hinsichtlich ihrer eigenen Aktivitäten sowie die anderer Kurden im Exil befragt werden, wobei ihnen z.T. Fotos von Demonstrationen vorgelegt werden mit der Aufforderung, die darauf abgebildeten Personen zu identifizieren (vgl. Europäisches Zentrum für Kurdische Studien vom 15.11.2009 an das VG Osnabrück).
Wenn sich im Verlauf der Befragungen bei der Einreise konkrete Verdachtsmomente hinsichtlich der oppositionellen, exilpolitischen Aktivitäten erhärten, kommt es zu einer Inhaftierung und Befragung in den Haft- und Verhörzentren der verschiedenen Geheimdienste, die die Gefahr von Folter, Misshandlung und unmenschlichen Haftbedingungen mit sich bringt.
An dieser Einschätzung ändert sich auch nichts dadurch, dass Deutschland - wie zuvor bereits dargelegt - zwischenzeitlich ein Rückübemahmeabkommen mit Syrien abgeschlossen hat, denn Rückführungen und vereinzelte Festnahmen von aus Deutschland abgeschobenen abgelehnten Asylbewerbern gab es schon seit Jahren, auch vor dem Abschluss des Vertrages. Aufgrund dessen bestand jedoch noch keine beachtliche Wahrscheinlichkeit politischer Verfolgung für alle unverfolgt ausgereisten Rückkehrer (siehe hierzu: OVG Münster, Beschluss vom 15.04.2010, Az.: 14 A 729/10.A; VG Minden, Beschluss vom 10.05.2010, Az.: 1 L 220/10.A). Es gibt keine Anzeichen einer verschärften Vorgehensweise der syrischen Sicherheitskräfte (vgl. dazu: OVG Münster, Beschluss vom 15.04.2010, Az.: 14 A 729/10.A), auch wenn es nach Angaben des Auswärtigen Amtes 2009 in drei Fällen zu Festnahmen von rückgeführten Syrern kam (vgl. Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Arabischen Republik Syrien vom 27.09.2010, Gz.: 508-516.80/3 SYR) und nach Angaben der Bundesregierung (in der Drucksache 17/3365) zwei zurückgeführte Personen im Juli 2010 inhaftiert wurden. Soweit es nach der Stellungnahme des Europäischen Zentrums für Kurdische Studien vom 15.11.2009 an das VG Osnabrück nach den Erfahrungen in jüngster Zeit mit Rückführungen abgelehnter Asylbewerber besonders gefährdete Gruppen geben soll, fällt der Antragsteller nicht darunter. Betroffen seien 1) exilpolitisches Engagement, das sich durch die Quantität und/oder Qualität auszeichne, 2) parteipolitisches Engagement auf Führungsebene (in Syrien wie im Exil), im Allgemeinen, insbesondere aber in der Yekiti, der Azadi und vor allem der PYD; 3) Tätigkeiten in sicherheitsrelevanten Bereichen (z.B. im militärischen Bereich vor der Ausreise aus Syrien) sowie 4) Denunziation (Verfassung von zutreffenden oder unzutreffenden Berichten über Aktivitäten von Asylbewerbern und Flüchtlingen und Weiterleitung an syrische Stellen durch Dritte).
Anhand der vorgelegten Fotografien ist tatsächlich davon auszugehen, dass der Antragsteller an verschiedenen Demonstrationen teilgenommen hat und dort auch Transparente trug. Es wird auch davon ausgegangen, dass der Antragsteller tatsächlich Mitglied der YEKITI ist.
Insgesamt handelt es sich jedoch um keine herausgehobenen exilpolitischen Aktivitäten weder in ihrer Qualität noch ihrer Quantität. An den Demonstrationen, wie auf den Fotografien ersichtlich, nahmen mehrere Teilnehmer teil. Dass syrische Sicherheitskräfte gerade den Antragsteller als für den Bestand des Regimes gefährlichen politischen Aktivisten wahrnahmen oder -nehmen, ist auf Grund seiner untergeordneten Tätigkeit im Rahmen dieser Veranstaltungen nicht wahrscheinlich. Derartige Aktivitäten werden seit Jahren durch syrische Asylbewerber in Deutschland durchgeführt. Auch unter Berücksichtigung der in jüngster Zeit dokumentierten Festnahmen und Übergriffe syrischer Sicherheitskräfte auf zurückkehrende Syrer im Rahmen des Rückübemahmeabkommens ist nicht der Rückschluss gerechtfertigt, dass jeder Rückkehrer aus der Bundesrepublik Deutschland mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit asylerheblichen Übergriffen ausgesetzt sein wird. Abgesehen davon, dass die exilpolitischen Aktivitäten des Antragstellers nicht über das hinausgehen, was bei zahlreichen Landsleuten der Fall ist, ist auch ein System der syrischen Sicherheitskräfte bei Einreise abgeschobener Asylbewerber nicht erkennbar.
Auch die kurdische Volkszugehörigkeit des Antragstellers führt zu keiner anderen Beurteilung des Sachverhaltes. Wie bereits zuvor dargelegt, kann zwar angenommen werden, dass sich der Antragsteller in der vorgetragenen Art und Weise exilpolitisch engagiert hat. Es lässt sich aber gleichwohl nicht feststellen, dass es dabei um solch gewichtige regimefeindliche Aktivitäten handelt, durch die sich das syrische Regime in seinem Bestand bedroht fühlen könnte. Auch aus Sicht syrischer Sicherheitsorgane ist ersichtlich, dass sich mit zunehmender Aufenthaltsdauer im Ausland die Anzahl exilpolitischer Betätigungen erhöht, so dass allein aus der größeren Anzahl derartiger Aktivitäten, wie sie der Antragsteller unternommen hat, nicht auf eine exponierte Regimegegnerschaft geschlossen werden kann. Die Betätigungen des Antragstellers unterscheiden sich qualitativ nicht von den als bloße Mitläuferhandlungen zu wertenden Aktivitäten.
Aktivitäten wie die Teilnahme an Demonstrationen, Parteiveranstaltungen exilpolitischer Organisationen, Teilnahme an Newroz-Festen oder dem Verteilen von Flugblättern, halten sich im Rahmen üblicher exilpolitischer Bemühungen und sind nicht als herausragend zu werten. Vor diesem Hintergrund ist nicht wahrscheinlich, dass die syrischen Sicherheitskräfte gerade den Antragsteller als ernstzunehmenden Regimekritiker wahrnehmen.
Nach alledem ist festzustellen, dass sowohl der Sachvortrag als auch die vorgelegten Beweismittel nicht ausreichend sind, um vorliegend ein weiteres Asylverfahren durchzuführen.
Die somit erforderliche Änderung der Beweislage dahingehend, dass nunmehr die Voraussetzungen für die Asylgewährung nach Art. 16a Abs. 1 GG oder die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gem. § 60 Abs. 1 AufenthG erfüllt sind, ist hiernach vorliegend nicht gegeben. [...]