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Zitieren als:
BSG, Beschluss vom 20.03.2009 - B 8 AY 3/08 R - asyl.net: M18185
https://www.asyl.net/rsdb/M18185
Leitsatz:

Keine Erfolgsaussichten im Revisionsverfahren für Anspruch auf Analogleistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG für Kinder, die nur die Vorbezugsfrist von 36 Monaten (jetzt: 48 Monaten) nicht erfüllt haben. Es steht im sozialpolitischen Ermessen des Gesetzgebers, für Ausländer mit ungesichertem Aufenthaltsstatus ein eigenes Konzept zur Sicherung des Lebensbedarfs abweichend vom Recht der Sozialhilfe zu entwickeln; besonderen Bedürfnissen von Kindern kann auch durch Gewährung sonstiger Leistungen nach § 6 AsylbLG Rechnung getragen werden.

Schlagwörter: Asylbewerberleistungsgesetz, Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, Analogleistungen, minderjährig, Vorbezugsfrist, Haushaltsgemeinschaft, Prozesskostenhilfe
Normen: AsylbLG § 2 Abs. 1, AsylbLG § 2 Abs. 3, GG Art. 3 Abs. 1, AsylbLG § 6 Abs. 1
Auszüge:

[...]

I. Im Streit sind höhere Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) vom 1. Oktober 2005 bis 2. Januar 2006 (Klägerin zu 1) und vom 1. Oktober 2005 bis Februar 2006 (Klägerin zu 2), insbesondere so genannte Analog-Leistungen unter entsprechender Anwendung des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) statt der gezahlten Grundleistungen.

Die am ... 2002 geborene Klägerin zu 1 und die am ... 2004 geborene Klägerin zu 2, deren Eltern nach ihrer Einreise aus Aserbaidschan am 29. November 2001 in der Bundesrepublik Deutschland Asyl beantragt hatten, erhielten ab 3. Januar 2003 (Klägerin zu 1) bzw ab 13. Januar 2004 (Klägerin zu 2) Leistungen nach § 3 AsylbLG (Grundleistungen). Widerspruch, Klage und Berufung gegen den Bescheid vom 12. Oktober 2005, mit dem ihnen weiterhin Leistungen nach § 3 AsylbLG statt nach § 2 AsylbLG (Analog-Leistungen) bewilligt wurden, blieben ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 17. Januar 2006; Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 7. Februar 2007; Urteil des Landessozialgerichts <LSG> Nordrhein-Westfalen vom 5. Mai 2008). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, die Klägerinnen hätten keinen Anspruch auf höhere (Analog-)Leistungen nach § 2 AsylbLG, weil sie die geforderte 36-monatige Vorbezugszeit in den jeweils streitbefangenen Zeiträumen nicht erfüllten. Nach dem Wortlaut, der Gesetzessystematik und dem Willen des Gesetzgebers schränke § 2 Abs. 3 AsylbLG (Analog-Leistungen an minderjährige Kinder, nur wenn ein Elternteil in der Hausgemeinschaft auch diese Leistungen erhält) einen möglichen Anspruch nach § 2 Abs 1 AsylbLG ein; die Voraussetzungen des Abs. 1 und 3 müssten kumulativ erfüllt sein. § 2 Abs. 3 AsylbLG begründe auch keine uneingeschränkte Akzessorietät, weil Ansprüche nach dem AsylbLG wie solche nach dem SGB XII und Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) als Individualansprüche konzipiert seien. Auch eine erweiternde Auslegung des § 2 Abs. 1 AsylbLG komme nicht in Betracht, weil der Ablauf der Vorbezugsfrist unabdingbare Voraussetzung des dort normierten Leistungsanspruchs sei. Die Frage der Sinnhaftigkeit des Auseinanderfallens von Ansprüchen innerhalb einer familiären Haushaltsgemeinschaft und des Ausschlusses von in Deutschland geborenen Kindern von Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG bis zur Vollendung ihres dritten bzw jetzt vierten Lebensjahres stelle sich angesichts der klaren gesetzlichen Vorgaben im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung nicht.

Mit ihren vom LSG zugelassenen Revisionen tragen die Klägerinnen vor, § 2 Abs. 3 AsylbLG sei dahin auszulegen, dass immer dann, wenn ein in Haushaltsgemeinschaft lebender Elternteil (erhöhte) Analog-Leistungen beziehe, auch dem minderjährigen Kind, gleich welchen Alters, Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG zustünden. Ansonsten läge ein Verstoß gegen Verfassungsrecht, insbesondere gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz vor.

Mit Beschluss vom 22. Dezember 2008 hat der Senat einen ersten Antrag der Klägerinnen auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) abgelehnt.

II. Der erneute Antrag der Klägerinnen auf Bewilligung von PKH zur Durchführung des Revisionsverfahrens und Beiordnung von Rechtsanwältin Dolk vom 4. Februar 2009 ist jedenfalls nicht begründet; ob er überhaupt - ggf. als Gegenvorstellung - zulässig ist, kann dahinstehen. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 73a Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz iVm § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung). Nach der Entscheidung des Senats vom 17. Juni 2008 (B 8/9b AY 1/07 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen) ist dies nicht der Fall. Insofern nimmt der Senat Bezug auf seinen Beschluss vom 22. Dezember 2008.

Der Einwand der Klägerinnen, die begehrten Analog-Leistungen gemäß § 2 Abs. 1 AsylbLG und erst recht die (niedrigeren) Leistungen nach § 3 AsylbLG seien verfassungswidrig, was die Vorlagebeschlüsse des 14. Senats des Bundessozialgerichts vom 27. Januar 2009 (B 14/11 b AS 9/07 R bzw B 14 AS 5/08 R zur Vorschrift des § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB II: Regelleistung in Höhe von 60 vH für Kinder bis 14 Jahren) belegten, greift nicht durch. Es steht im sozialpolitischen Ermessen des Gesetzgebers, für Ausländer mit ungesichertem Aufenthaltsstatus ein eigenes Konzept zur Sicherung ihres Lebensbedarfs zu entwickeln und dabei auch Regelungen über die Gewährung von Leistungen abweichend vom Recht der Sozialhilfe zu treffen, was mit dem AsylbLG geschehen ist. Insbesondere ist es dem Gesetzgeber nicht verwehrt, Art und Umfang von Sozialleistungen an Ausländer grundsätzlich von der voraussichtlichen Dauer ihres Aufenthalts in Deutschland oder dem Vorbezug abgesenkter Leistungen für einen bestimmten Zeitraum abhängig zu machen, zumal den besonderen Bedürfnissen von Kindern auch durch Gewährung sonstiger Leistungen nach § 6 Abs. 1 AsylbLG Rechnung getragen werden kann. Da vergleichbare Regelungen im SGB II fehlen, stellt sich die Frage der vom 14. Senat aufgeworfenen Verfassungswidrigkeit im Bereich des AsylbLG nicht (vgl. bereits Beschluss des Senats vom 11. Februar 2009 - B 8 AY 2/08 R).