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VG Wiesbaden

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Zitieren als:
VG Wiesbaden, Urteil vom 04.03.2010 - 6 K 1371/09.WI - asyl.net: M18188
https://www.asyl.net/rsdb/M18188
Leitsatz:

Das Bundeskriminalamt hat gemäß Art.106 Abs. 2 SDÜ alles zu unternehmen, damit eine zu Unrecht erfolgte Ausschreibung im Schengener Informationssystem gelöscht wird, auch wenn es diese nicht selbst zu verantworten hat.

Schlagwörter: Schengener Durchführungsabkommen, Bundeskriminalamt, Schengener Informationssystem, Ausschreibung, Datenschutz, Italien, Löschung, Drittstaat,
Normen: SDÜ Art. 111, SDÜ Art. 106, SDÜ Art. 106 Abs. 2,
Auszüge:

[...]

Vorliegend ist die Ausgangsbehörde auch die Widerspruchsbehörde. Das Bundeskriminalamt ist auch aufgrund des Art. 2 Nr. 2 des Gesetzes zum Schengener Informationssystem der 2. Generation vom 06.06.2009 die für das Schengener Informationssystem zuständige Behörde. Insoweit ist das Bundeskriminalamt auch für ein Verfahren nach Art. 111 Abs. 1 SDÜ die vor dem nach nationalem Recht zuständigen Gericht zu verklagende Behörde. Die nationale Verfahrensordnung lässt keine Klage sui generis zu, nach der ein Verwaltungsgericht ohne Beklagten, wie im vorliegenden Fall wohl von dem Bundeskriminalamt gewünscht, eine Löschungsverpflichtung auszusprechen vermag.

Die Frage, ob ein personenbezogenes Datum gelöscht wird oder nicht, stellt vielmehr nach nationalem Recht einen Verwaltungsakt dar, welcher in entsprechender Anwendung des Schengener Durchführungsübereinkommens nur von der nach nationalem Recht zuständigen Behörde - hier vorliegend das Bundeskriminalamt gemäß § 3 Abs. 1a BKAG – erlassen werden kann.

Zwar regelt Art. 105 SDÜ, dass nur die ausschreibende Partei für die Richtigkeit und die Aktualität der Daten sowie die Rechtmäßigkeit der Speicherung im Schengener Informationssystem verantwortlich ist. Dies wäre vorliegend Italien. Zugleich regelt jedoch das Schengener Durchführungsübereinkommen, dass jeder das Recht hat, im Hoheitsgebiet jeder Vertragspartei eine Klage wegen einer seine Person betreffenden Ausschreibung, insbesondere auf Löschung vor dem nach nationalem Recht zuständigen Gericht zu erheben. Soll diese Regelung nicht leerlaufen, ist der Anspruch insoweit zunächst gegenüber dem zuständigen Bundeskriminalamt geltend zu machen. Denn zwingende Prozessvoraussetzung für eine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage ist ein Antrag bei der zuständigen Behörde und ein Vorverfahren gemäß § 68 VwGO; mithin ist auch ein Widerspruchsverfahren durchzuführen. Ein solches führt nicht das Gericht durch, sondern die zuständige Verwaltungsbehörde.

Insoweit ist in entsprechender Auslegung des Schengener Durchführungsübereinkommens das Bundeskriminalamt in Deutschland die zuständige Behörde, auch wenn diese für die gespeicherten Daten nicht die originäre datenschutzrechtliche Verantwortung trägt. Insoweit muss sich das Bundeskriminalamt jedoch das Verhalten der zuständigen Stelle, in diesem Fall der italienischen Behörden, zurechnen lassen. Hier gilt nichts anderes, als beispielsweise in einem Bauverfahren, in dem eine Bauaufsichtsbehörde eine Baugenehmigung nach § 34 BauGB zu versagen hat, wenn die Gemeinde das notwendige Einvernehmen nicht herstellt. Auch hier ist die Bauaufsichtsbehörde und nicht die Gemeinde nach außen hin der richtige Gegner. Insoweit ist das Verhältnis zwischen dem Bundeskriminalamt und der zuständigen Behörden in Italien ein Bereich des Innenverhältnisses, welches durch die Vertretung des Bundeskriminalamtes als national zuständige Behörde im Rahmen des Schengener Durchführungsabkommens seinen Ausdruck findet.

Mithin muss sich das Verhalten der ausschreibenden Vertragspartei das Bundeskriminalamt zurechnen lassen. Dass das Bundeskriminalamt insoweit gegenüber dem Kläger die verantwortliche Stelle ist, ergibt sich auch aus Art. 106 SDÜ. Zwar hat nach dessen Absatz 1 nur die ausschreibende Vertragspartei die Berechtigung eine Löschung der Daten vorzunehmen. Absatz 2 von Art. 106 SDÜ regelt jedoch, dass für den Fall, dass Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Daten unrichtig oder unrechtmäßig gespeichert worden sind, eine Vertragspartei, die selber die Ausschreibung nicht veranlasst hat, der ausschreibenden Vertragspartei dieses mitzuteilen hat und diese wiederum zur unverzüglichen Prüfung verpflichtet ist. Soweit sich die nichtausschreibende Vertragspartei und die ausschreibende Vertragspartei nicht einigen können, ist gemäß Art. 106 Abs. 3 SDÜ die gemeinsame Kontrollinstanz zur Stellungnahme anzurufen.

Daraus ergibt sich, dass das Bundeskriminalamt alles zu unternehmen hat, dass eine Ausschreibungen, deren Unrichtigkeit das Bundeskriminalamt zwar selbst nicht zu verantwortende trotz alledem gelöscht werden. [...]