VG München

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Zitieren als:
VG München, Beschluss vom 24.02.2010 - M 22 S 10.30056 - asyl.net: M18201
https://www.asyl.net/rsdb/M18201
Leitsatz:

Wenn die Abschiebung nicht in einen konkreten Zielstaat, sondern in den "Herkunftsstaat" oder den "Heimatstaat" angedroht wird, enthält die Abschiebungsandrohung keine ordnungsgemäße Zielstaatsbezeichnung, sondern lediglich einen unverbindlichen Hinweis. Vorläufiger Rechtsschutz gegen eine solche Abschiebungsandrohung ist mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig.

Schlagwörter: Abschiebungsandrohung, Zielstaatsbezeichnung, vorläufiger Rechtsschutz, Rechtsschutzinteresse, ungeklärte Staatsangehörigkeit,
Normen: AufenthG § 59 Abs. 2, GG Art. 19 Abs. 4
Auszüge:

[...]

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die – kraft Gesetzes sofort vollziehbare – Abschiebungsandrohung im streitgegenständlichen Bescheid ist unzulässig. Voraussetzung für jede gerichtliche Entscheidung ist, dass derjenige, der sie beantragt hat, an ihr ein rechtlich geschütztes Interesse hat. Das setzt voraus, dass durch die beantragte gerichtliche Entscheidung die Rechtsstellung des Klägers oder Antragstellers auch tatsächlich verbessert würde; das Rechtsschutzbedürfnis muss im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (noch) bestehen. Ein solches Rechtsschutzbedürfnis an der beantragten Entscheidung besteht für den Antragsteller nicht, da er auf der Grundlage der streitgegenständlichen Abschiebungsandrohung ohnehin nicht abgeschoben werden kann.

Gemäß § 59 Abs. 2 AufenthG soll in der Abschiebungsandrohung der Zielstaat, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, bezeichnet werden. Die Bezeichnung "Herkunftsstaat" oder "Heimatstaat" genügt nur dann als Zielstaatsbezeichnung i.S.v. § 59 Abs. 2 AufenthG, wenn sich aus der Begründung des Bescheids ergibt, welcher konkrete Staat damit gemeint ist; ist dies nicht der Fall, so enthält die Androhung der Abschiebung in den noch ungeklärten "Herkunftsstaat" keine ordnungsgemäße Zielstaatsbezeichnung, sondern lediglich einen unverbindlichen Hinweis (BVerwG vom 25.7.2000, BVerwGE 111, 343, zur gleich lautenden Vorschrift des § 50 Abs. 2 AuslG a.F.). Im vorliegenden Fall ist dem Bescheid nicht zu entnehmen, ob der Antragsteller nach Afghanistan oder nach Pakistan abgeschoben werden soll; das Bundesamt sah sich aufgrund der ungeklärten Staatsangehörigkeit des Antragstellers gerade nicht in der Lage, in der Abschiebungsandrohung ein konkretes Zielland zu benennen.

Wie bereits das Bundesamt in den Gründen des streitgegenständlichen Bescheids ausgeführt hat, muss dem Betroffenen vor einer Abschiebung der konkrete Zielstaat in einer Weise mitgeteilt werden, dass er einen den Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 GG genügenden Rechtsschutz erlangen kann. In einem solchen Fall ist der Betroffene mit dann erst erhobenen zielstaatsbezogenen Einwendungen auch dann nicht ausgeschlossen, wenn die Abschiebungsandrohung Bestandskraft erlangt hat. Denn eine solche Präklusion setzt eine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Bezeichnung eines konkreten Zielstaats in der Abschiebungsandrohung voraus, da nur dann über das Vorliegen zielstaatsbezogener Abschiebungsverbote entschieden werden kann. Wenn ein Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gegen eine – mangels Benennung eines konkreten Zielstaats noch nicht verbindliche – Abschiebungsandrohung als unzulässig behandelt wird, bringt dies daher für den Antragsteller keinerlei rechtliche Nachteile mit sich. [...]