VG Saarland

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Zitieren als:
VG Saarland, Beschluss vom 16.02.2011 - 10 L 50/11 - asyl.net: M18275
https://www.asyl.net/rsdb/M18275
Leitsatz:

Auch bei langjährigem legalen Aufenthalt kein Recht auf Privatleben im Sinne des Art. 8 Abs. 1 EMRK, wenn die Erwerbsbiografie durch häufigen Arbeitsplatzwechsel gekennzeichnet ist und mehrmaliger Bezug von Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe und Arbeitslosengeld II vorliegt.

Schlagwörter: Duldung, Aufenthaltserlaubnis, vorläufiger Rechtsschutz, Achtung des Privatlebens, Integration, wirtschaftliche Integration, rechtliche Unmöglichkeit, inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis, faktischer Inländer,
Normen: VwGO § 123 Abs. 1, AufenthG § 60a Abs. 2, EMRK Art. 8
Auszüge:

[...]

Gemäß § 60a Abs. 2 AufenthG ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben, insbesondere ist die Abschiebung des Antragstellers in sein Heimatland nicht aus rechtlichen Gründen unmöglich. Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist ein rechtliches Abschiebungshindernis auf der Grundlage des Art. 8 EMRK nicht gegeben. Sein Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland seit 11.01.1994 vermittelt ihm auch mit Blick auf die Gewährleistung des "Privatlebens" in Art. 8 Abs. 1 EMRK kein Bleiberecht. Eine derartige schützenswerte Rechtsposition kommt nur dann ausnahmsweise in Betracht, wenn von einer abgeschlossenen "gelungenen" Integration des Ausländers in die Lebensverhältnisse in Deutschland ausgegangen werden kann, die nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte Grundvoraussetzung für die Annahme eines rechtlichen Ausreisehindernisses auf der Grundlage des Art. 8 Abs. 1 EMRK ist. Nicht ausreichend ist es hingegen, dass sich der Betreffende über einen langen Zeitraum im Inland aufgehalten hat. Eine Aufenthaltsbeendigung kann vielmehr nur dann einen konventionswidrigen Eingriff in das "Privatleben" im Verständnis des Art. 8 Abs. 1 EMRK darstellen, wenn der Ausländer aufgrund seines (längeren) Aufenthalts über so "starke persönliche, soziale und wirtschaftliche Kontakte" zum "Aufnahmestaat" verfügt, dass er aufgrund der Gesamtentwicklung "faktisch zu einem Inländer" geworden ist, dem ein Leben in dem Staat seiner Herkunft, zu dem er keinen Bezug mehr hat, schlechterdings nicht zugemutet werden kann (so ständige Rechtsprechung der saarländischen Verwaltungsgerichte: siehe z.B. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 18.01.2011, 2 A 293/10).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend ersichtlich nicht gegeben.

Zum einen kann von einer Integration des Antragstellers in die hiesigen Lebensverhältnisse jedenfalls unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht ausgegangen werden. Nach den Feststellungen im Bescheid des Landratsamtes Main-Spessart vom 16.09.2008, denen der Antragsteller nicht entgegengetreten ist, ist die Erwerbsbiographie des Antragstellers durch häufigen Arbeitsplatzwechsel gekennzeichnet und bezog er des Öfteren Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe und Arbeitslosengeld II. Den seit dem 01.01.2008 und noch im Zeitpunkt des Erlasses dieses Bescheides betriebenen selbstständigen Autohandel, der mit Zuschüssen der Agentur für Arbeit gefördert worden ist, übt er offensichtlich ebenfalls nicht mehr aus. Soweit er sich in seinen Schreiben an den Antragsgegner vom 15.12.2010 und 22.12.2010 sowie im vorliegenden Eilrechtsschutzverfahren lediglich darauf beruft, dass er seit dem 30.11.2010 in Saarbrücken bei einer Firma für Autoaufbereitung einer Erwerbstätigkeit mit einem monatlichen Bruttoverdienst von 1800,- Euro nachgehe, lässt sich schon aufgrund der geringen Zeitdauer dieser Tätigkeit nicht von einer bereits gelungenen Integration in das Wirtschaftsleben ausgehen. Darüber hinaus hat der Antragsgegner hierzu unwidersprochen dargelegt, dass der Antragsteller dieser Tätigkeit überhaupt nicht nachgehen darf, da er weder im Besitz einer Duldung ist, noch die hierzu erforderliche Arbeitserlaubnis besitzt. [...]