OVG Niedersachsen

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Zitieren als:
OVG Niedersachsen, Urteil vom 25.11.2010 - 11 LB 481/09 - asyl.net: M18307
https://www.asyl.net/rsdb/M18307
Leitsatz:

Zur Unzulässigkeit einer Regelausweisung gegenüber einem volljährigen Ausländer, der im Alter von zwei Jahren ins Bundesgebiet eingereist ist und - bis zu seiner Ausweisung - im Besitz einer Niederlassungserlaubnis war, und zur Unzulässigkeit der erstmaligen (hilfsweisen) Ausübung von Ermessen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren.

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: Ausweisung, Ermessensausweisung, Ausweisungsgrund, zwingende Ausweisung, Ist-Ausweisungstatbestand, Ausländer zweiter Generation, Ausweisungsschutz, minderjährig,
Normen: AufenthG § 53 Nr. 1 2. Alt., AufenthG § 56 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, AufenthG § 56 Abs. 1 S. 4, AufenthG § 53, AufenthG § 56 Abs. 2,
Auszüge:

[...]

Die zulässige, insbesondere fristgerecht begründete Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts ist auch in der Sache begründet. Die Ausweisung des Klägers hätte vorliegend nur als sog. Ermessensausweisung erfolgen dürfen. Dies ist jedoch zu Unrecht nicht geschehen, so dass der Bescheid des Beklagten vom 29. November 2007 rechtswidrig ist, den Kläger in seinen Rechten verletzt und deshalb aufzuheben ist, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Im Einzelnen ergibt sich dies aus folgenden Erwägungen:

Die Beteiligten gehen (im Berufungsverfahren) zutreffend davon aus, dass der Kläger den Ist- Ausweisungstatbestand des § 53 Nr. 1 Alt. 2 AufenthG verwirklicht hat, jedoch bis zu seiner Ausweisung im Besitz einer Niederlassungserlaubnis war, sich zuvor mehr als fünf Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hatte und somit besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG genießt. Nach § 56 Abs. 1 Satz 4 AufenthG wird ein Ausländer mit einem entsprechenden Ausweisungsschutz, wenn er - wie hier - einen Ist-Ausweisungstatbestand des § 53 AufenthG verwirklicht hat, in der Regel ausgewiesen.

Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urt. v. 23.10.2007 - 1 C 10/07 -, BVerwGE 129, 367 ff.), der der Senat folgt (vgl. etwa Urt. v. 11.8.2010 - 11 LB 425/09 -, juris), ist wegen der insoweit nach Maßgabe höherrangigen Rechts gebotenen individuellen Prüfung ein solcher Ausnahmefall im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 4 AufenthG grundsätzlich für sog. Ausländer der zweiten Generation anzunehmen, d.h. für solche, die entweder bereits im Bundesgebiet geboren sind oder - wie der Kläger - als Kleinkind in das Bundesgebiet eingereist sind und hier seitdem rechtmäßig gelebt haben. Es besteht im vorliegenden Fall auch kein Anlass der Frage abschließend nachzugehen, inwieweit ein solcher Ausnahmefall bei hier geborenen oder zumindest seit dem Kleinkinderalter lebenden Ausländern der zweiten oder gar einer folgenden Generation unabhängig vom erreichten Stand der Integration stets anzunehmen ist, obwohl der Personenkreis der in dieser Weise begünstigten Ausländer vom Bundesverwaltungsgericht in seiner bisherigen Rechtsprechung lediglich typologisch umschrieben, nicht aber abschließend normativ bestimmt worden ist. Eine "Rückausnahme" käme jedenfalls nach dem Sinn und der Zweck der neueren Rechtsprechung, die gebotene Würdigung des Einzelfalles zu ermöglichen, allenfalls dann in Betracht, wenn auf den ersten Blick erkennbar gleichsam alle wesentlich zu berücksichtigenden Umstände gegen den betroffenen Ausländer sprechen. Hiervon kann vorliegend jedoch schon deshalb nicht ausgegangen werden, weil der Kläger gegenwärtig seinen Lebensunterhalt eigenständig sichert und seine noch offenen Jugend- und Freiheitsstrafen zur Bewährung ausgesetzt sind.

Ist somit ein Ausnahmefall i.S.d. § 56 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG gegeben und deshalb vorliegend nur eine Ermessensausweisung des Klägers möglich, so ergibt sich eine abweichende Beurteilung auch nicht aus der Sonderregelung des § 56 Abs. 2 AufenthG.

Dem Wortlaut nach ist diese Bestimmung auf die vorliegende Konstellation schon deshalb nicht anzuwenden, weil sie sich auf die besondere Situation der Ausweisung von minderjährigen oder heranwachsenden Ausländern bezieht, insoweit auf ihr Lebensalter im Zeitpunkt des Erlasses des Ausweisungsbescheides abzustellen ist (vgl. nur Hailbronner, AuslR, § 56 AufenthG, Rn. 67, m.w.N.), der Kläger aber im Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Ausweisungsbescheides im November 2007 mindestens bereits 23 Jahre und damit nicht einmal mehr "heranwachsend" gewesen ist. Denn "heranwachsend" ist ein junger Erwachsener nach der insoweit maßgeblichen Einstufung des § 1 Abs. 2 JGG, der zwar das 18., aber noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat.

Schon nach der Systematik sowie dem Sinn und Zweck des § 56 Abs. 2 AufenthG kann aus ihm auch nicht im Wege des "Erstrechtschlusses" eine Einschränkung des Ausweisungsschutzes nach Maßgabe des § 56 Abs. 1 Satz 4 AufenthG entnommen werden. Dies geht schon deshalb nicht, weil sich weder dem Wortlaut noch der - nicht widerspruchsfreien - Systematik des § 56 Abs. 2 AufenthG für den darin unmittelbar betroffenen Personenkreis ein solcher Schluss entnehmen lässt. Ursprünglich enthielt § 56 Abs. 2 AufenthG nämlich ausschließlich eine Privilegierung für Heranwachsende und Minderjährige gegenüber Erwachsenen, wie sich aus dem Regelungsinhalt der Sätze 1 und 2 ergibt. Sie sollten nämlich unabhängig von der Schwere der von ihnen begangenen Straftaten anders als Erwachsene stets nur nach Ermessen, d.h. unter Berücksichtigung des Einzelfalls, ausgewiesen werden können (Satz 1). Für Minderjährige sollte eine Ausweisung nach Maßgabe des Satz 2 überhaupt nur in den Fällen des § 53 (nach Ermessen) zulässig sein. Die Privilegierung nach Satz 1 ist dann durch den nachträglich, nämlich durch das Richtlinienumsetzungsgesetz vom 19. August 2007 (BGBl. I S. 1970, 1982) eingefügten Satz 3 wiederum eingeschränkt worden, wonach sie u. a. für einen heranwachsenden Serientäter nicht mehr gelten soll. Rechtsfolge ist dann nach der gesetzlichen Systematik aber nur, dass auch ein heranwachsender Serientäter wie ein Erwachsener, nicht aber schlechter als ein solcher behandelt wird. Wenn jedoch - wie dargelegt - auch für einen erwachsenen Ausländer "der zweiten Generation" über das vorgenannte neue Verständnis des § 56 Abs. 1 Satz 4 AufenthG gilt, dass er - wenn er besonderen Ausweisungsschutz genießt - nur im Wege des Ermessens ausgewiesen werden kann, so gilt dies eben auch für den unmittelbar von § 56 Abs. 2 einschließlich dessen Satz 3 AufenthG betroffenen Personenkreis der minderjährigen oder heranwachsenden Ausländer (im Ergebnis jedenfalls für die hier betroffene, durch die neuere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geschützte Personengruppe ebenso Hailbronner, a.a.O., Rn. 63). Wenn der Gesetzgeber bei Erlass des § 56 Abs. 2 Satz 3 AufenthG etwas anderes, nämlich eine Regel- oder Ist-Ausweisung von Ausländern, die (spätestens) als Heranwachsende u. a. durch serienmäßige Begehung von Straftaten negativ aufgefallen sind, zwingend hätte vorschreiben wollen (vgl. BTDrs. 16/5065, S. 184), so ist ihm dies misslungen. § 56 Abs. 2 Satz 3 AufenthG gleichwohl einen solchen Regelungsgehalt zuzuschreiben, verbietet sich schon deshalb, weil es andernfalls zu einer kaum mit höherrangigem Recht vereinbaren Schlechterstellung von heranwachsenden straffälligen Ausländern gegenüber Erwachsenen käme, für die über § 56 Abs. 1 Satz 4 AufenthG selbst bei Begehung schwerster Straftaten nur eine Ermessensausweisung zulässig wäre. Gilt somit schon für Minderjährige bzw. Heranwachsende nach § 56 Abs. 2 AufenthG kein anderer (für sie ungünstigerer) Maßstab, so entfällt schon deshalb die Grundlage für eine im Wege des Erstrechtschlusses entsprechende, zu einer Begrenzung des Ausweisungsschutzes nach § 56 Abs. 1 Satz 4 AufenthG führende Anwendung des § 56 Abs. 2 Satz 3 AufenthG auf erwachsene Ausländer - wie den Kläger.

Konnte der Kläger somit im Jahr 2007 und kann er auch heute nach seinen gegenwärtigen Lebensverhältnissen nur nach Ermessen ausgewiesen werden, so ist eine solche Ermessensentscheidung grundsätzlich bereits im Ausgangsbescheid zu treffen, die dann nach Maßgabe des § 114 Satz 2 VwGO im laufenden Gerichtsverfahren ggf. den sich ändernden tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen angepasst werden kann. Danach ist es jedoch grundsätzlich ausgeschlossen, eine gebundene Entscheidung nachträglich als Ermessensentscheidung aufrecht zu erhalten (vgl. nur BVerwG, Urt. v. 5.9.2006 - 1 C 20/05 -, NVwZ 2007, 470 f., juris, Rn. 22; Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., § 113, Rn. 71, m. w. N).

Das Bundesverwaltungsgericht hat für die hier maßgebliche Fallgestaltung der Ausweisung in seinem Urteil vom 3. August 2004 (- 1 C 30/02 -, BVerwGE 121, 297, 310) einen Ausnahmefall anerkannt. Da auf Grund einer Rechtsänderung freizügigkeitsberechtigte EU-Bürger nur noch aufgrund einer ausländerbehördlichen Ermessensentscheidung ausgewiesen werden konnten, wurde den Ausländerbehörden wegen der insoweit bedingten Änderung der ständigen Rechtsprechung während eines Übergangszeitraums im gerichtlichen Verfahren Gelegenheit zur vollständigen Nachholung einer Ermessensentscheidung selbst dann gegeben, wenn die Ausweisung zuvor ohne Ermessensentscheidung auf einen Ist- oder Regelausweisungstatbestand gestützt worden war.

Eine vergleichbare Übergangsregelung hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 23. Oktober 2007 den Ausländerbehörden für die hier gegebene Fallkonstellation jedenfalls ausdrücklich nicht eingeräumt, um den abgesenkten Anforderungen der Rechtsprechung an die Anerkennung eines Ausnahmefalles von der Regelausweisung Rechnung zu tragen und auch insoweit noch im laufenden Verfahren übergangsweise eine Regelausweisung erstmals mit Ermessenserwägungen "anzureichern" zu können (vgl. auch Fricke, jurisPR-BVerwG 4/2008 Anm. 3, D, zu den Auswirkungen des Urteils auf die Praxis). Auch ungeschrieben ist eine solche übergangsweise Möglichkeit nicht anzuerkennen. Denn es handelt sich um eine Fortentwicklung der Rechtsprechung, die nicht durch eine Änderung höherrangigen Gemeinschafts- oder Verfassungsrechts vorgegeben, sondern eher durch die sich kontinuierlich fortgeschriebene Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ausgelöst worden ist und damit eine erstmalige Ausübung von Ermessen im Laufe des gerichtlichen Verfahrens nicht zulässt (vgl. ebenso OVG Koblenz, Urt. v. 22.4.2009 - 7 A 11361/08 -, NVwZ-RR 2009, 737 f). Im vorliegenden Fall tritt noch hinzu, dass eine etwaige Übergangsfrist mutmaßlich auch bereits abgelaufen wäre. Denn das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, in dem die entsprechende Rechtsprechungsänderung enthalten ist, stammt vom 23. Oktober 2007. Unter demselben Datum hat das Bundesverwaltungsgericht auch eine Pressemitteilung (lfd. Nr. 65/2007) veröffentlicht, in der auf diese Rechtsprechungsänderung ausdrücklich hingewiesen wird. Danach hat "der Senat seine Rechtsprechung anlässlich neuerer Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sowie des Bundesverfassungsgerichts dahingehend weiterentwickelt, dass bei einer Regelausweisung ein zur Ausübung von Ermessen führender Ausnahmefall dann anzunehmen ist, wenn höherrangiges Recht unter Beachtung der Gesamtumstände des Falles eine Einzelfallwürdigung gebietet". Auch wenn das Urteil in vollständiger Form erst am 17. Januar 2008 der Öffentlichkeit bekanntgegeben worden ist, bestand damit für die Ausländerbehörde im Zeitpunkt des Erlasses ihres Bescheides am 29. November 2007 doch hinreichender Anlass zu überprüfen, ob an dem zuvor geltenden Verständnis des § 56 Abs. 1 Satz 4 AufenthG noch festgehalten werden konnte; ggf. hätte die Entscheidung über die Ausweisung auch bis zur Veröffentlichung des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts zurückgestellt werden können, da der Kläger damals noch inhaftiert war, eine Freilassung nicht aktuell anstand und damit für den Erlass der - bis heute - nicht für sofort vollziehbar erklärten Ausweisung kein besonderer Zeitdruck bestand.

Sollte das Vorbringen des Beklagten so zu verstehen sein, dass eine erstmalige Ermessensausweisung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren auch zulässig sei, wenn sich dazu durch eine Änderung der Sach- oder Rechtslage während des Verfahrens erstmals Anlass ergebe - das Bundesverwaltungsgericht hat ausdrücklich offen gelassen, ob hiervon auszugehen ist (vgl. Urt. v. 15.11.2007 - 1 C 45/06 -, BVerwGE 130, 120 ff., juris, Rn. 20 f.), so ist ein solcher Fall hier nicht gegeben. Denn nicht die Sach- oder Rechtslage hat sich geändert, sondern "nur" die Rechtsprechung und dies, wie dargelegt, auch bereits vor Erlass des angefochtenen Bescheides.

Die demnach allein mögliche Ermessensentscheidung über die Ausweisung des Klägers enthält die Verfügung des Beklagten vom 29. November 2007 nicht. Dazu muss die Behörde überhaupt erkennen, dass ihr ein entsprechendes Ermessen offensteht, und dieses in einem zweiten Schritt sachgerecht ausüben (vgl. nur Kopp/Ramsauer, VwVfG, 11. Aufl., § 40, Rn. 59 - 61, m. w. N.). Hier mangelt es ersichtlich schon an der ersten Stufe, d.h. an dem Bewusstsein, dass eine Ermessenentscheidung zu treffen ist. Der Beklagte hat vielmehr ausdrücklich festgehalten, dass ihm als Ausländerbehörde grundsätzlich kein Ausweisungsermessen zustehe, sondern dies nur dann der Fall sei, wenn ein Ausnahmefall vorliege. Auf der Grundlage des überholten Verständnisses von § 56 Abs. 1 Satz 4 AufenthG mangele es aber an den erforderlichen Voraussetzungen. Aus den Ausführungen auf Seite 6 Absatz 3 des Ausweisungsbescheides wird der fehlende Wille, eine Ermessensentscheidung zu treffen, unterstrichen. Danach sei bei der vorliegenden Ausweisungsform "im Gegensatz zu einer Ermessensausweisung" eine beabsichtigte, der Rehabilitation dienende Drogentherapie gerade nicht maßgeblich zu berücksichtigen. Dieses Ermessensdefizit wird auch nicht dadurch kompensiert, dass der Beklagte die Verhältnismäßigkeit der Ausweisung geprüft und jedenfalls nach den damaligen Verhältnissen im Ergebnis zu Recht bejaht hat. Denn insoweit handelt es sich um eine gebundene Prüfung, die von der Ausübung von Ermessen zu unterscheiden ist. Ebenso wenig kann das zuvor aufgezeigte Ermessensdefizit dadurch ausgeglichen werden, dass der Beklagte in seinem Ausweisungsbescheid ausdrücklich gemäß § 55 Abs. 3 AufenthG bei einer Ermessensausweisung zu berücksichtigende Gesichtspunkte angeführt und in seine Entscheidung einbezogen hat. Zum einen hat der Beklagte gerade nicht erkannt, dass es sich um eine Ermessensausübung handelt, er also - wenn er nicht zu einer Ermessensreduzierung auf Null zu Lasten des Klägers gekommen wäre - ohne Rechtsverstoß auch von der Ausweisung hätte absehen können. Im Übrigen hat er seiner Entscheidung auch insoweit ein Prüfprogramm zugrunde gelegt, das nicht vollständig gewesen ist. So hat er etwa die Drogentherapie bewusst als im Rahmen einer Regelausweisung unerheblich angesehen.

Die (hilfsweise) erstmalige Ermessensausübung des Beklagten im Schriftsatz vom 9. März 2010 ist damit schon rechtlich nicht möglich, wäre im Übrigen aber auch sonst fehlerhaft. Denn angesichts der vorgenannten Mängel hätte es dazu mehr bedurft, als die ausdrücklich unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt erfolgten Ausführungen aus dem Bescheid zur Verhältnismäßigkeit als solche aufrechtzuerhalten, nunmehr als Ermessensentscheidung zu bezeichnen und unter Berücksichtigung der aktuellen Entwicklung (bis dahin) fortzuschreiben und zu ergänzen. Vielmehr wäre dann eine grundsätzliche Überarbeitung des Bescheides geboten gewesen. Damit ist der Bescheid vom 29. November 2009 ermessensfehlerhaft.

Zur Klarstellung wird allerdings ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass eine Ermessensausweisung des Klägers damit nicht abschließend als rechtswidrig angesehen worden ist. Insbesondere auch bei nur einer weiteren, nicht notwendig rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung des Klägers, etwa aufgrund einer der beiden gegenwärtig zugelassenen Anklagen, wird der Beklagte vielmehr erneut den Erlass einer solchen, ggf. dann auch sofort vollziehbaren (Ermessens-)Ausweisung erneut zu prüfen haben.

Ist somit die im November 2007 erfolgte Ausweisung des Klägers aufzuheben und er damit rückwirkend wieder im Besitz seiner Niederlassungserlaubnis (§ 84 Abs. 2 Satz 3 AufenthG), so erweist sich auch die jedenfalls vorliegend noch nicht erledigte Androhung seiner Abschiebung aus der Haft gemäß § 59 Abs. 5 AufenthG als rechtswidrig und ist ebenfalls aufzuheben. [...]