VG Magdeburg

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Zitieren als:
VG Magdeburg, Beschluss vom 31.01.2011 - 5 B 40/11 MD - asyl.net: M18310
https://www.asyl.net/rsdb/M18310
Leitsatz:

Kein Eilrechtsschutz gegen Dublin-Überstellung nach Italien. In Italien stoßen Asylbewerber bei der Durchführung geordneter Asylverfahren auf zahlreiche Schwierigkeiten humanitärer und administrativer Art. Diese sind jedoch nicht so schwerwiegend wie im Falle von Griechenland. Der UNHCR, der bezüglich Griechenlands eine eindeutig ablehnende Haltung einnimmt, hat bezüglich Italiens bislang keine negative Empfehlung ausgesprochen und es liegen auch keine Warnungen anderer Flüchtlingshilfsorganisationen (amnesty international, Pro Asyl) vor.

Schlagwörter: Dublin II-VO, Dublinverfahren, vorläufiger Rechtsschutz, Italien, Somalia, Zustimmungsfiktion, Familieneinheit, Konzept der normativen Vergewisserung
Normen: AsylVfG § 27a, AsylVfG § 34a Abs. 2, VO 343/2003 Art. 18 Abs. 7, VO 343/2003 Art. 14
Auszüge:

[...]

Der Sache nach ist der Antrag jedoch unbegründet. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass es in Italien für Asylbewerber zahlreiche Schwierigkeiten humanitärer und administrativer Art gibt, um ein geordnetes Asylverfahren durchzuführen zu können. Diese Bedenken sind aber nicht so schwerwiegend wie im Falle von Griechenland. Bezüglich dieses Staates hat die Kammer bislang grundsätzlich eine Abschiebung von Asylbewerbern zwecks Durchführung des Verfahrens dort abgelehnt.

Das Gericht folgt der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf (B. v. 07.01.2011, 21 L 2285/10.A) und des Verwaltungsgerichts Regensburg (B. v. 14.01.2011, RO 7 S 11.30018), beide zitiert nach juris). Maßgeblich ist, dass der UNHCR, der bezüglich Griechenlands eine eindeutig ablehnende Haltung einnimmt, bezüglich Italiens bislang keine negative Empfehlung ausgesprochen hat. Dem Gericht liegen ebenfalls keine Warnungen der großen anerkannten Flüchtlingshilfsorganisationen (amnesty international, pro asyl) vor. Die von den Antragstellern vorgelegten Dokumente (Bethke/Bender vom 29.11.2010) befassen sich mit der Situation in Rom und Turin im Oktober 2010. Repräsentativ für die Verhältnisse in ganz Italien sind sie hingegen nicht. Die Übersetzung eines Videos zweier italienischer Journalisten befasst sich ebenfalls mit der Situation von Flüchtlingen, die sich in der ehemaligen somalischen Botschaft in Rom aufhalten und auf einer Brachfläche am Bahnhof Ostiense in Rom.

Die Schweizerische Beobachtungsstelle für Asyl und Ausländerrecht hat im November 2009 über die "Rückschaffung In den sicheren Drittstaat Italien" berichtet. Das Gericht verkennt nicht, dass der Inhalt dieses Berichtes bedrückend ist. Gleichwohl kann aus ihm auch nicht abgeleitet werden, dass gerade die Antragsteller mit hoher Wahrscheinlichkeit in unzumutbare humanitäre oder administrative Zustände geraten, wenn sie nach Italien abgeschoben werden. Der Bericht beschäftigt sich vornehmlich mit abgelehnten Asylbewerbern. Der Bericht hält ausdrücklich fest, dass Dublin-Rückkehrer betreffend die Aufnahmeplätze in Asylbewerberunterkünften bevorzugt behandelt werden. Nur wenn kein Platz da sei, würden diese auf eine Warteliste gesetzt. Eine Gesundheitsversorgung ist gewährleistet, auch wenn diese von einer festen Wohnadresse abhängig gemacht werden sollte. Der Bericht hält auch fest, dass im Jahre 2008 in Italien 31.087 Asylgesuche eingereicht worden seien. 1.695 Personen erhielten Asyl, 7.054 Personen wurde "subsidiärer Schutz" erteilt, nämlich ein auf drei Jahre gültiger Aufenthaltstitel. In 2.100 Feilen wurde ein humanitärer Aufenthaltstitel für ein Jahr ausgestellt. Somit wurde in über einem Drittel aller Fälle ein Aufenthaltsrecht in Italien bewilligt. Vorliegend kommt entscheidend hinzu, dass die Antragstellerin zu 2) selbst ausgeführt hat, dass sie in Italien nicht menschenrechtswidrig behandelt worden ist. Sie hat ausgeführt, sie sei im April 2009 in Italien angekommen und habe in einem Lager gelebt. Dort sei sie mit Nahrungsmitteln versorgt worden. Nach drei Monaten habe sie eine humanitäre Aufenthaltserlaubnis bekommen und einen speziellen Reiseausweis für Flüchtlinge. Sodann habe sie in der Stadt Taranto in Apulien gelebt, wo sie ein Zimmer für sich und das Kind gehabt habe. Dort habe sie drei Monate lang gelebt. Zwischenzeitlich habe sie auch noch in Rom gelebt und in einer anderen Stadt in Norditalien. Ob die Antragsteller Italien verlassen mussten oder sie es selbst so wollten, ist unklar. Die Einzelheiten der Schilderung der Antragstellerin sind für das Gericht nicht vollkommen nachvollziehbar und glaubhaft, weil jedenfalls in Bezug auf die Darstellung der Ausreise zusammen mit ihrem Ehemann erhebliche Widersprüche aufgetaucht sind, welche darauf hindeuten, dass die Antragsteller nicht durchgängig wahrheitsgemäß vortragen. Die Ausführungen belegen indes keine menschenunwürdigen Verhältnisse.

Die Zuständigkeit Italiens ist für alle Familienmitglieder nach Art. 14 (lit. a) Dublin II VO begründet, ohne dass der Antragsteller zu 1) damit einverstanden sein muss.

Zusammenfassend ist das Gericht der Auffassung, dass die Verhältnisse für Asylbewerber in Italien deutlich ungünstiger sind als in Deutschland, jedoch bei weitem nicht so negativ sind wie in Griechenland. Angesichts der eigenen Schilderung der Antragstellerin zu 2) und der Schilderung im Bericht der Schweizerischen Beobachtungsstelle für Asyl- und Ausländerrecht kann nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen wurden, dass die Antragsteller im Falle ihrer Abschiebung nach Italien dort weitgehend rechtlos wären. Die vorliegenden Erkenntnismittel reichen für das Gericht nicht aus, um die gesetzliche Regelung von § 34a AsylVfG aus verfassungsrechtlichen Gründen auszuschalten. Da den Antragstellern die Absicht der Antragsgegnerin bekannt ist, bedürfen sie auch keiner weiteren Rechtsschutzmöglichkeit durch förmliche Bekanntgabe des in den Akten befindlichen Bescheides. [...]