Keine Gruppenverfolgung von Yeziden im Irak. Die Lage der Yeziden in Scheichan ist derzeit ruhig. Zwar ist die Arbeitsmarktsituation nach wie vor schlecht, es bestehen aber Arbeitsmöglichkeiten durch Pendeln zwischen den yezidischen Dörfern in Scheichan und Großstädten. Im Gegensatz zu Yeziden in Sindjar müssen Yeziden aus Scheichan dabei nicht durch von sunnitischen Aufständischen dominiertes Gebiet fahren. Auch die ökonomische Situation ist in Scheichan besser als in Sindjar.
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Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass er als Yezide im Irak einem so hohen Verfolgungsrisiko ausgesetzt ist, dass er einer Gruppenverfolgung unterliegt. Die dafür erforderliche Verfolgungsdichte lässt sich zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht feststellen. Ausweislich des aktuellen Lageberichtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 28. November 2010, S. 27, liegt die Zahl der Yeziden nach eigenen Angaben bei etwa 200.000. Die Mehrzahl siedelt im Nordirak, vor allem im Gebiet um die Stadt Sindjar sowie in Scheichan, dem Herkunftsort des Klägers. Im Jahr 2009 kam es laut UNAMI außerhalb der Region Kurdistan Irak dort immer wieder zu sporadischen Übergriffen von Peschmergaeinheiten gegen yezidische Dörfer. Die schwersten verübten Anschläge gehen allerdings auf das Jahr 2007 zurück. Zuletzt kamen bei einem Bombenanschlag auf ein Café in Sindjar am 18.08.2009 einundzwanzig Yeziden ums Leben. Seitdem sind allerdings keine größeren Anschläge mehr bekannt geworden. Zwar hat der Kläger geltend gemacht, dass die Zahl der Toten im Irak im Jahr 2010 höher gewesen sei als im Jahr 2009. Ausweislich der von ihm vorgelegten Pressemitteilung der AFP beruht dies allerdings in erster Linie auf einer höheren Zahl von Übergriffen gegenüber Polizisten und Soldaten. Die Zahl der getöteten Zivilpersonen ging demgegenüber im Jahr 2010 zurück.
Der Kläger selbst kann auch nicht glaubhaft machen, dass er aufgrund einer individuellen Verfolgung geflohen ist.
Im Rahmen der Einzelfallprüfung legt die Kammer die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Pflicht des Asylbewerbers zugrunde, sein Verfolgungsschicksal glaubhaft zur Überzeugung des Gerichts darzulegen. Dem Asylsuchenden obliegt es, bei den in seine persönliche Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere bei seinen persönlichen Erlebnissen, von sich aus eine Schilderung zu geben, die geeignet ist, seinen Asylanspruch lückenlos zu tragen. Er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern (BVerwG, Beschl. v. 26.10.1989, InfAuslR 1990, 38; BVerwG, Urt. v. 24.03.1987, Buchholz 402.25, § 1 AsylVfG, Nr. 40). An der Glaubhaftmachung von Verfolgungsgründen fehlt es in der Regel, wenn der Asylsuchende im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe unglaubhaft erscheinen, sowie auch dann, wenn er sein Vorbringen im Laufe des Asylverfahrens steigert (vgl. BVerfG, Beschl. v. 29.11.1990, InfAuslR 1991, 94, 95; BVerwG, Urt. v. 30.10.1990, Buchholz 402.25, § 1 AsylVfG Nr. 135, BVerwG , B. v. 19.10.2001, InfAuslR 2002, S. 149 f).
Das Vorbringen des Klägers ist bereits deshalb unglaubwürdig, weil er dieses in der mündlichen Verhandlung gesteigert hat. So hat er angegeben, ihm sei von Mitschülern der Arm gebrochen worden. Davon hatte er, obwohl es sich um ein einschneidendes Erlebnis gehandelt hätte, wenn es tatsächlich stattgefunden hätte, in der Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nichts berichtet. Hinzu kommt, dass er den Zeitpunkt der Schlägerei, die für ihn fluchtauslösend gewesen sein soll, in der mündlichen Verhandlung zunächst abweichend mit dem ersten November bezeichnet hatte, obwohl beim Bundesamt noch der erste Dezember der Tag der Schlägerei war. Zur Unglaubwürdigkeit des Vorbringens des Klägers führt auch, dass dieser dann auf Nachfrage selbst erklärt hat, sein Armbruch sei zum Zeitpunkt seiner Anhörung beim Bundesamt, also drei bzw. zwei Monate nach der Tat, bereits verheilt gewesen. Er habe auch keine Beschwerden mehr gehabt und deshalb keinen Anlass gehabt, diesen Umstand zu schildern. [...]
Ausweislich des Berichts des Europäischen Zentrums für kurdische Studien vom 17. Februar 2010 an das Bayerische Verwaltungsgericht München, Seiten 25 bis 27, ist die Lage der Yeziden in Scheichan derzeit ruhig. Zwar sei die Arbeitsmarktsituation nach wie vor schlecht, es bestünden aber doch Arbeitsmöglichkeiten im Pendeln zwischen den yezidischen Zetraldörfern im Scheichan und in Großstädten. Im Gegensatz zu den Yeziden im Sindjar müssen Yeziden aus dem Scheichan dabei nicht durch von sunitischen Aufständischen dominiertes Gebiet fahren. Auch sei die ökonomische Situation im Scheichan im Verhältnis zu Sindjar besser. Eine existentielle Gefährdung des Klägers, der selbst erklärt hat, dass die Hälfte seiner Mitschüler Yeziden gewesen seien, vermag die Kammer dann nicht erkennen. [...]