VG Hannover

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Zitieren als:
VG Hannover, Urteil vom 03.03.2011 - 12 A 1967/09 - asyl.net: M18336
https://www.asyl.net/rsdb/M18336
Leitsatz:

Krankheitsbedingtes Abschiebungsverbot wegen fehlender Behandlungsmöglichkeit der psychischen Erkrankung. Die für den Zugang zum kostenfreien Gesundheitssystem erforderliche Registrierung ist in größeren Städten insbesondere für Kaukasier in der Russischen Föderation erschwert.

Schlagwörter: krankheitsbedingtes Abschiebungsverbot, Russische Föderation, psychische Erkrankung, Posttraumatische Belastungsstörung, Suizidgefahr, Inguschetien, medizinische Versorgung, Registrierung, Kaukasier
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1
Auszüge:

[...]

Dahingestellt bleiben kann, ob die Klägerin - wie die Fachärztin für Psychiatrie in ihrem Gutachten vom 12.09.2010 festgestellt hat und wovon der die Klägerin behandelnde Arzt ausgeht - an einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet. Denn jedenfalls leidet die Klägerin an einer psychischen Erkrankung, die einer pharmakologischen und/oder einer psychotherapeutischen Behandlung bedarf. Eine Nichtbehandlung - so die Gutachterin - kann zu einer Verschlimmerung der aktuellen Symptome, zur weiteren Chronifizierung, zu andauernden Persönlichkeitsstörungen nach Extrembelastungen, anderen Persönlichkeitsstörungen oder Verschlimmerung des somatisierten Bildes führen. Die Gefahr der gegebenen Suizidalität solle nicht außer Acht gelassen und regelmäßig überprüft werden.

Die somit zur Vermeidung schwerer Gesundheitsschäden dringend benötigte pharmakologische und/oder psychotherapeutische Behandlung wird die Klägerin bei einer Rückkehr in die Russische Föderation zum gegenwärtigen Zeitpunkt mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht erhalten.

Zwar sind nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 04.04.2010 in den Großstädten das Wissen und die technischen Möglichkeiten für anspruchsvollere Behandlungen wohl vorhanden. Die für den Zugang zum kostenfreien Gesundheitssystem erforderliche Registrierung ist jedoch gerade in größeren Städten erschwert. Auch in anderen Städten ist Voraussetzung für eine Registrierung der Nachweis von Wohnraum. Nur wer eine Bescheinigung seines Vermieters vorweist, kann sich registrieren lassen. Kaukasier habe jedoch größere Probleme als Neuankömmlinge anderer Nationalität, überhaupt einen Vermieter zu finden. Darüber hinaus erfolgen - so der Lagebericht - zumindest aufwändigere Behandlungen erst nach privater Bezahlung. Danach wird es der Klägerin im Falle ihrer Rückkehr in die Russische Föderation jedenfalls nicht in einem angemessenen Zeitraum möglich sein, Zugang zum kostenfreien Gesundheitssystem und damit die dringend erforderliche Behandlung zu erhalten. [...]