OVG Berlin-Brandenburg

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Zitieren als:
OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 09.07.2010 - 3 S 33.10 - asyl.net: M18501
https://www.asyl.net/rsdb/M18501
Leitsatz:

Kein Duldungsanspruch für den Vater zum Schutz der Eltern-Kind-Beziehung, da die Fortsetzung der familiären Lebensgemeinschaft in Vietnam zumutbar ist. Denn die Tochter besitzt neben der deutschen auch die vietnamesische Staatsangehörigkeit.

Schlagwörter: Duldung, vorläufiger Rechtsschutz, Abschiebung, Eltern-Kind-Verhältnis, deutsches Kind, familiäre Lebensgemeinschaft, Vietnam, Zumutbarkeit,
Normen: AufenthG § 60a Abs. 2, GG Art. 6 Abs. 1, EMRK Art. 8
Auszüge:

[...]

Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch auf Erteilung einer Duldung nach § 60 a Abs. 2 AufenthG nicht mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht.

Das Verwaltungsgericht hat sinngemäß ausgeführt, der Antragsteller führe eine familiäre Lebensgemeinschaft mit seiner am ... 2008 geborenen Tochter L. Diese halte sich wie ihre Mutter berechtigt im Bundesgebiet auf, wobei das Aufenthaltsrecht der Mutter durch ihre am ... 2007 geborene Tochter D. (deren Vater nicht der Antragsteller ist) vermittelt werde. Diese Tochter besitze die deutsche Staatsangehörigkeit. Mit Rücksicht hierauf sei es ihr, der Mutter und damit auch L. nicht zuzumuten, die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen. Dies führe dazu, dass die Abschiebung des Antragstellers aus rechtlichen Gründen unmöglich sei, da er ansonsten die familiäre Lebensgemeinschaft mit L. auf unabsehbare Zeit nicht fortsetzen könne. Die aus Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK resultierende Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, dränge einwanderungspolitische Belange regelmäßig zurück, wenn zwischen einer Mutter und ihrem Kind eine Lebens- und Erziehungsgemeinschaft bestehe und diese nur in der Bundesrepublik Deutschland verwirklicht werden könne, etwa weil das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit besitze und ihm wegen der Beziehungen zu seiner Mutter das Verlassen der Bundesrepublik nicht zumutbar sei (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 8. Dezember 2005 - 2 BvR 1001/04 -, InfAuslR 2006, 122, 124).

Von einer solchen Unzumutbarkeit ist im hiesigen Fall allerdings nicht auszugehen. Vielmehr können D. und ihre Mutter, die kein Daueraufenthaltsrecht besitzt und derzeit eine Fiktionsbescheinigung innehat, darauf verwiesen werden, ihre familiäre Lebensgemeinschaft in Vietnam fortzusetzen. Dies führt dazu, dass auch L., die ebenfalls eine Fiktionsbescheinigung besitzt, und ihr Vater, der Antragsteller, dort leben können, seine Abschiebung also nicht wegen Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK aus rechtlichen Gründen unmöglich ist.

Nach dem vom Antragsgegner zu den Gerichtsakten gereichten Melderegisterauszug besitzt D. neben der deutschen auch die vietnamesische Staatsangehörigkeit. Zwar hat der Antragsteller im gerichtlichen Verfahren einen deutschen Reisepass des Kindes vorgelegt. Damit ist aber nicht glaubhaft gemacht, dass das Kind nicht (auch) vietnamesische Staatsangehörige ist. Jedenfalls im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist daher davon auszugehen, dass D. - und entsprechend ihrer Mutter sowie L. und damit auch dem Antragsteller, die sämtlich nur die vietnamesische Staatsangehörigkeit besitzen - die Ausreise nach Vietnam zumutbar ist (vgl. Senatsbeschluss vom 16. Juni 2010 - OVG 3 M 10.10 -; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. Mai 2006 - OVG 12 S 8.06 -, juris, Rn. 14). Sie sind grundsätzlich darauf verwiesen, die familiäre Lebensgemeinschaft im gemeinsamen Heimatland herzustellen und zu wahren, solange die Voraussetzungen für einen Familiennachzug nicht vorliegen (vgl. Senatsbeschluss vom 10. Juli 2008 - OVG 3 S 44.08 - m.w.N.; OVG Berlin, Beschlüsse vom 17. Juni 2004 - 8 S 70.04 -, NVwZ-RR 2005, 208, sowie vom 8. Juli 2004 - OVG 8 S 134.02 -, juris, Rn. 8). Anhaltspunkte dafür, dass für D. ausnahmsweise etwas anderes gilt, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Zum Aufenthalt des Vaters von D. hat der Antragsteller nur vage bekundet, dieser lebe "auch in Deutschland". Zu der Frage, ob zwischen dem Vater und D. tatsächliche Bindungen bestehen, hat er keine Angaben gemacht. Dass das Kind in Berlin in den Kindergarten geht, stellt kein unüberwindliches Hindernis für den Umzug nach Vietnam dar. Unergiebig ist auch die pauschale Behauptung des Antragstellers, die Familie habe in Vietnam keine Lebensgrundlage. Der Antragsteller und die Kindesmutter befinden sich im arbeitsfähigen Alter, wobei die Kindesmutter selbst angibt, derzeit bei einer Berliner Reinigungsfirma beschäftigt zu sein. Dass es ihr nicht gelingen wird, in Vietnam einen zur Sicherung des Lebensunterhalts geeigneten Arbeitsplatz zu finden, erschließt sich nicht. [...]