BlueSky

BAMF

Merkliste
Zitieren als:
BAMF, Bescheid vom 02.03.2011 - 5440918-224 - asyl.net: M18518
https://www.asyl.net/rsdb/M18518
Leitsatz:

Flüchtlingsanerkennung im Folgeverfahren, da der Antragsteller nunmehr volljährig ist und bei Rückkehr nach Eritrea mit Bestrafung wegen Wehrdienstentziehung rechnen muss.

Schlagwörter: Asylverfahren, Flüchtlingsanerkennung, Eritrea, Asylfolgeantrag, Militärdienst, Wehrdienstverweigerung, politische Verfolgung, Änderung der Sachlage
Normen: AsylVfG § 71 Abs. 1, VwVfG § 51 Abs. 1 Nr. 1
Auszüge:

[...]

Der Antragsteller, eritreischer Staatsangehöriger, hat bereits unter Aktenzeichen 2 330 747-224 Asyl in der Bundesrepublik Deutschland beantragt.

Der Asylantrag wurde am 12.04.2000 durch Urteil des zuständigen Verwaltungsgerichtes unanfechtbar abgelehnt. Im anschließenden Klageverfahren wurde für den Antragsteller festgestellt, dass ein Abschiebungshindernis gem. § 53 Abs. 6 AuslG vorliegt.

Am 31.08.2010 stellte der Antragsteller mit Schreiben seiner Rechtsanwältin einen Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens (Folgeantrag), der auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gem. § 60 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) beschränkt wurde. Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, der Antragsteller sei nun volljährig und müsse deshalb bei einer Rückkehr nach Eritrea mit seiner sofortigen Einziehung zum Militärdienst rechnen. Dass er noch nicht in sein Heimatland zurückgekehrt sei, werde als Wehrdienstentziehung angesehen und entsprechend seitens des eritreischen Staates bestraft. Diese Bestrafung knüpfe an die unterstellte Regimefeindlichkeit an und sei somit als politische Verfolgung zu werten. [...]

Die Voraussetzungen für die Durchführung eines erneuten Asylverfahrens sind vorliegend gegeben.

Der Wiederaufgreifensgrund der Sachlagenänderung nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG ist im vorliegenden Fall gegeben.

Eine Änderung der Sachlage im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG erfordert, dass sich der der früheren Entscheidung zugrunde gelegte entscheidungserhebliche Sachverhalt nachträglich tatsächlich zu Gunsten des Betroffenen geändert hat.

Hierfür ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 03.03.2000, DVBl 2000, 1048-1050) ein schlüssiger und objektiv geeigneter Sachvortrag erforderlich, aber auch ausreichend, um das Vorliegen der Wiederaufgreifensvoraussetzungen nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG zu bejahen. Soweit das Gesetz verlangt, dass eine Änderung der Sachlage zu Gunsten des Betroffenen vorliegt, beinhaltet dies nicht die zusätzliche Voraussetzung, dass auch die neue Entscheidung zu Gunsten des Betroffenen ergehen muss. Ausreichend ist vielmehr, dass die Änderung der Sachlage geeignet ist, sich möglicherweise zu Gunsten des Betroffenen auszuwirken.

Im vorliegenden Verfahren hat der Antragsteller erstmalig vorgetragen, dass ihm bei einer Rückkehr eine Bestrafung wegen Wehrdienstentziehung drohe. [...]

1. Dem Antrag wird entsprochen; die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gem. § 60 Abs. 1 AufenthG liegen vor.

Nach § 60 Abs. 1 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Eine politische Verfolgung kann gem. § 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG ausgehen vom Staat, von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen (staatsähnliche Akteure), oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern staatliche oder staatsähnliche Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der landesweit drohenden Verfolgung zu bieten. Dies gilt unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht. Ein Schutz ist gewährleistet, wenn die genannten Akteure geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung der Verfolgungshandlungen und der Betroffene Zugang zu diesem Schutz hat.

Die Sachverhaltsermittiung hat vorliegend ergeben, dass sich der Antragsteller aus begründeter Furcht vor politischer Verfolgung außerhalb seines Herkunftsstaates aufhält und deshalb Flüchtlingsschutz gem. § 60 Abs. 1 AufenthG benötigt. [...]