Eilrechtsschutz gegen Dublin-Überstellung nach Italien. Es spricht Überwiegendes dafür, dass der Antragsteller in Italien keine materiellen Aufnahmebedingungen vorfinden würde, die Lebensunterhalt einschließlich Unterbringung wie auch Gesundheit gewährleisten.
[...]
Der Antrag auf Abänderung des Beschlusses ist auch begründet. Anders als im Verfahren A 1 K 45/11 hat der Antragsteller nunmehr einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO); denn nach den vorliegenden Erkenntnissen spricht nunmehr Überwiegendes dafür, dass beim Antragsteller ein Sonderfall vorliegt und er bei einer Überstellung nach Italien keine materiellen Aufnahmebedingungen vorfinden würde, die Lebensunterhalt einschließlich Unterbringung wie auch Gesundheit gewährleisten. Zwar ist nach wie vor davon auszugehen, dass der Antragsteller nach seiner Einreise in Italien im Februar 2009 ein Schutzgesuch hat stellen können und kurze Zeit danach eine bis Mitte 2012 gültige Aufenthaltserlaubnis für Italien erhalten hat. Er hat aber im Änderungsverfahren im Einzelnen dargelegt, dass er sich nach Erteilung dieser Aufenthaltserlaubnis ohne jede staatliche Unterstützung bis zu seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland als Obdachloser in Italien aufgehalten hat. Diese Angaben werden durch den von PRO ASYL veröffentlichten und vom Antragsteller vorgelegten Bericht "Zur Situation von Flüchtlingen in Italien" belegt. Dieser Bericht beruht auf einer Recherchereise von Bethke und Bender im Oktober 2010, der die Eindrücke von der Lebenswirklichkeit von anerkannten Flüchtlingen, von subsidiär oder humanitär Schutzberechtigten sowie von abgelehnten Asylsuchenden insbesondere in Rom und Turin wiedergibt. Der detaillierte Bericht zur Situation in Rom und Turin schildert Obdachlosigkeit und fehlende existentielle Versorgung der großen Mehrheit der Asylsuchenden aber auch derjenigen Personen, die - wie offensichtlich der Antragsteller - subsidiären Schutz erhalten haben.
Diesem Bericht hat die Antragsgegnerin im vorliegenden Verfahren nichts substantiiert entgegengesetzt. Die Tatsache, dass Italien alle EU-Richtlinien zum Flüchtlingsschutz in nationales Recht übernommen hat und dass es bei Italien keine Empfehlungen des UNHCR wie bei Griechenland gibt, Asylsuchende nicht in diesen Staat zu überstellen, genügt nicht. Vielmehr deutet der Bericht von Bethke und Bender nach der Recherchereise im Oktober 2010 wie auch der Bericht der Schweizerischen Beobachtungsstelle für Asyl- und Ausländerrecht vom November 2009 darauf hin, dass gerade die von der Antragsgegnerin zitierte Richtlinie 2003/9/EG zum Flüchtlingsschutz, nach der die Mitgliedstaaten insbesondere materielle Aufnahmebedingungen schaffen, die Lebensunterhalt einschließlich Unterbringung wie auch Gesundheit der Asylbewerber gewährleisten, derzeit in vielen Bereichen nicht umgesetzt wird.
Der Antragsteller soll auch nach der oben erwähnten telefonischen Auskunft wie die meisten im Rahmen der Verordnung Dublin II zurücküberstellten Personen, nach Rom abgeschoben werden. Die völlig unzureichenden Aufnahmebedingungen dort werden in dem Bericht von Bethke und Bender besonders hervorgehoben.
Anhaltspunkte dafür, dass sich die Aufnahmebedingungen für nach Italien überstellte Asylbewerber seither verbessert haben könnten, gibt es nicht. Im Gegenteil spricht vieles für die Annahme, dass sich die Situation in den letzten Wochen und Monaten wegen der steigenden Zahl von neuen Flüchtlingen aus den nordafrikanischen Staaten sogar dramatisch zugespitzt hat.
Nachdem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dem Regierungspräsidium Karlsruhe als der für die Durchführung der Abschiebung zuständigen Ausländerbehörde bereits die Abschiebungsanordnung übersandt und damit den Vollzug seiner Entscheidung in Gang gesetzt hat, war der Antragsgegnerin zur Sicherung effektiven Rechtsschutzes für den Antragsteller aufzugeben, dem Regierungspräsidium mitzuteilen, dass eine Abschiebung nach Italien vorläufig nicht durchgeführt werden darf. [...]