OVG Berlin-Brandenburg

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Zitieren als:
OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 07.12.2010 - 12 B 29.09 - asyl.net: M18549
https://www.asyl.net/rsdb/M18549
Leitsatz:

Wird das Sorgerecht für ein minderjähriges Kind durch gerichtliche Entscheidung nach Art. 83 Abs. 1 FamG 2004 auf einen Elternteil übertragen oder wird diese Entscheidung gemäß Art. 83 Abs. 4 FamG 2004 geändert, so verbleiben dem nicht sorgeberechtigten anderen Elternteil zumindest nach der mazedonischen Rechtspraxis substantielle Mitentscheidungsrechte (Aufenthaltsbestimmung). Daraus folgt, dass keine alleinige Personensorge im Sinne von § 32 Abs. 3 AufenthG besteht.

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: Sorgerecht, alleiniges Sorgerecht, minderjährig, Mazedonien, mazedonisches Familienrecht, Famlienrecht, Kindernachzug, Visumsverfahren, Visum, nationales Visum, Familienzusammenführung, Integration, besondere Härte, Sorgerechtsentscheidung, mazedonisches Familiengesetz,
Normen: AufenthG § 32 Abs. 3, FamG Art. 83 Abs. 1, FamG § 83 Abs. 4,
Auszüge:

[...]

Die Berufung der Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Der angegriffene Bescheid ist rechtmäßig, denn den Klägerinnen steht weder ein Anspruch auf Erteilung der begehrten Visa zur Familienzusammenführung mit ihrem Vater zu noch haben sie einen Anspruch auf Neubescheidung, § 113 Abs. 5 Satz 1 und 2 VwGO.

I. Die Klägerinnen können ihr Nachzugsbegehren nicht auf § 32 Abs. 3 AufenthG in Verbindung mit §§ 4 Abs. 1, 6 Abs. 4 AufenthG stützen.

Nach § 32 Abs. 3 AufenthG, der hier aufgrund der Übergangsregelung des § 104 Abs. 3 AufenthG anwendbar ist, ist dem minderjährigen Kind eines Ausländers, welches das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, eine Aufenthaltserlaubnis als Visum zu erteilen, wenn beide Eltern oder der allein personensorgeberechtigte Elternteil eine Aufenthaltserlaubnis, eine Niederlassungserlaubnis oder eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG besitzen. Die Klägerinnen erfüllen zwar die gesetzliche Altersgrenze, weil sie bei Beantragung der Visa 14 Jahre (Klägerin zu 1) bzw. 13 Jahre (Klägerin zu 2) alt waren (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 7. April 2009, BVerwGE 133, 329, 332 Rn. 10; BVerwG, Urteil vom 1. Dezember 2009, Buchholz 402.242 § 32 AufenthG Nr. 5). Ihr Vater verfügt auch über eine Aufenthaltserlaubnis. Dieser ist jedoch nicht allein personensorgeberechtigt im Sinne von § 32 Abs. 3 AufenthG.

1. Alleinige Personensorge im Sinne von § 32 Abs. 3 AufenthG in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c der Familienzusammenführungsrichtlinie (Richtlinie 2003/86/ EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung, ABl. L 251/12) besitzt ein Elternteil nur, wenn dem anderen Elternteil bei der Ausübung des Sorgerechts keine substantiellen Mitentscheidungsrechte und -pflichten zustehen, etwa in Bezug auf Aufenthalt, Schule und Ausbildung oder Heilbehandlung des Kindes. Ob dies der Fall ist, richtet sich gemäß Art. 21 EGBGB nach dem Recht des Staates, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Eine analoge Anwendung des § 32 Abs. 3 AufenthG kommt in den Fällen eines geteilten Sorgerechts nicht in Betracht (vgl. zu alledem BVerwG, Urteil vom 7. April 2009, BVerwGE 133, 329 ff.; BVerwG, Urteil vom 1. Dezember 2009, Buchholz 402.242 § 32 AufenthG Nr. 5).

Gemessen daran standen der Mutter der Klägerinnen trotz der Sorgerechtsentscheidung des Amtsgerichts Tetovo vom 11. Mai 2005 weiterhin substantielle Mitentscheidungsrechte und –pflichten zu, so dass der Vater im hier maßgeblichen Zeitraum nicht alleiniger Inhaber der Personensorge war. Soweit das Familiengesetz Nr. 4828 vom 15. Dezember 1992 in der Fassung vom 12. November 2004 (FamG 2004, Bergmann/Ferid/Heinrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Länderteil Mazedonien, 178. Lieferung, S. 44 ff.) Anlass zu verschiedenen Auslegungsmöglichkeiten geben könnte, müssen diese zu Lasten der Klägerinnen beantwortet werden. Nichts anderes gilt, wenn man ergänzend das mazedonische Familiengesetz in der Fassung vom 8. Februar 1996 (FamG 1996, Bergmann/ Ferid/Heinrich, a.a.O., 132. Lieferung 1998, S. 34 ff.) in den Blick nimmt. Inhaltlich stimmen die maßgeblichen früheren Vorschriften mit der im Zeitpunkt der Sorgerechtsübertragung geltenden Fassung des Gesetzes überein. Die derzeit aktuelle Fassung des Familiengesetzes vom 19. Dezember 2008 (FamG 2008, Bergmann/Ferid/Heinrichs, a.a.O., 181. Lieferung) ist zwar im Hinblick auf das Alter der Klägerinnen nicht mehr maßgeblich, ändert in der Sache jedoch ebenfalls nichts, denn der Inhalt der Fassung 2004 blieb unberührt .

a) Die allgemeinen Bestimmungen (Erster Teil) des mazedonischen FamG 2004 enthalten ebenso wie das mazedonische FamG 1996 jeweils in Art. 8 Ausführungen zum Elternrecht, das aus der Gesamtheit der Rechte und Pflichten der Eltern gegenüber ihren Kindern besteht. Nach Art. 8 Abs. 2 FamG 2004 gründen die Beziehungen zwischen Eltern und Kindern auf den Rechten und Pflichten der Eltern, für die Aufziehung, Obhut, Erziehung und Bildung ihrer Kinder zu sorgen und deren Arbeitsfähigkeiten und Neigungen zu entwickeln. Das elterliche Recht wird von den Eltern gemeinsam ausgeübt und kann nur nach den Vorschriften des FamG 2004 entzogen oder beschränkt werden (Art. 8 Abs. 3 und Abs. 4 FamG 2004).

Der Dritte Teil des FamG 2004, der insgesamt die Beziehungen zwischen Eltern und Kindern regelt, behandelt unter I. das Elternrecht (Art. 47, 48 FamG 2004 = Art. 44, 45 FamG 1996). Es wird definiert als Rechte und Pflichten der Eltern, für die Person, die Rechte und Interessen ihrer minderjährigen Kinder zu sorgen (Art. 47 FamG 2004 = 44 FamG 1996). Das Elternrecht steht beiden Eltern gemeinsam zu. Der andere Elternteil übt das Elternrecht aus, wenn ein Elternteil tot oder unbekannt ist oder ihm das Elternrecht entzogen ist oder er aus anderen Gründen an der Ausübung des Elternrechts gehindert ist (Art. 48 FamG 2004 = Art. 45 FamG 1996). [...]

Art. 79 bis 85 FamG 2004 (=76 bis 82 FamG 1996) befassen sich mit der Ausübung des Elternrechts. Es wird gemeinsam und einvernehmlich von beiden Eltern ausgeübt (Art. 79 FamG 2004 = Art. 76 FamG 1996). Leben die Eltern des Kindes nicht zusammen, vereinbaren sie, bei wem von ihnen das Kind zur Obhut und Erziehung bleiben soll. Können sie darüber nicht einigen oder entspricht ihre Vereinbarung nicht den Interessen des Kindes, so entscheidet das Zentrum für Sozialarbeit, das auch eine neue Entscheidung treffen kann, sofern geänderte Umstände dies erfordern (Art. 81 FamG 2004 = Art. 78 FamG 1996). Bei Getrenntleben der Eltern wird ferner eine Vereinbarung über die Art und Weise der Aufrechterhaltung der persönlichen Beziehungen und der unmittelbaren Kontakte mit dem Kind getroffen (Art. 82 FamG 2004 = Art. 79 FamG 1996). Im Fall der Scheidung entscheidet das Gericht mit dem Scheidungsurteil über "die Obhut, Erziehung und den Unterhalt der gemeinsamen Kinder" (Art. 83 Abs. 1 FamG 2004 = Art. 80 Abs. 1 FamG 1996). Auf Antrag eines geschiedenen Ehegatten oder des Zentrums für Sozialarbeit ändert das Gericht die Entscheidung über Obhut und Erziehung der Kinder und über die Beziehungen der geschiedenen Ehegatten gegenüber ihren gemeinsamen Kindern, sofern geänderte Umstände dies erfordern (Art. 83 Abs. 4 FamG 2004 = Art. 80 Abs. 4 FamG 1996)

Schließlich regeln Art. 86 bis 95 FamG 2004 (Dritter Teil, V. = Art. 83 bis 92 FamG 1996) die Aufsicht über die Ausübung des Elternrechts. Hervorzuheben sind hier insbesondere Art. 90 FamG 2004 (= Art. 87 FamG 1996) und Art. 93 FamG 2004 (= Art. 90 FamG 1996): Nach Art. 90 Abs. 1 FamG 2004 (= Art. 87 Abs. 1 FamG 1996) kann das Zentrum für Sozialarbeit durch Beschluss das Kind dem einen Elternteil wegnehmen und es in Obsorge und Erziehung dem anderen Elternteil, einer anderen Person oder einer entsprechenden Einrichtung anvertrauen, wenn die Eltern bzw. der Elternteil, bei dem das Kind lebt, die Obsorge und Erziehung des Kindes vernachlässigt oder wenn eine ernsthafte Gefahr für seine richtige Entwicklung und Betreuung besteht. Mit der Wegnahme des Kindes enden nicht die sonstigen Rechte und Pflichten der Eltern gegenüber dem Kind (Art. 90 Abs. 7 FamG 2004 = Art. 87 Abs. 3 FamG 1996). Das elterliche Recht kann durch Gerichtsentscheidung dem Elternteil entzogen werden, der die Ausübung des elterlichen Rechts missbraucht oder die Ausübung der elterlichen Pflichten grob vernachlässigt (Art. 93 Abs. 1 FamG 2004 = Art. 90 Abs. 1 FamG 1996).

b) Schon allein die genannten Vorschriften enthalten Hinweise darauf, dass einem Elternteil trotz der Sorgerechtsübertragung auf den anderen Elternteil substantielle Mitbestimmungsrechte und -pflichten verbleiben. So steht nach Art. 48 Abs. 2 FamG 2004 (= Art. 45 Abs. 2 FamG 1996) das Elternrecht nur dann nicht beiden Eltern gemeinsam zu, wenn ein Elternteil tot oder unbekannt ist oder ihm das Elternrecht entzogen ist oder er aus anderen Gründen an der Ausübung des Elternrechts gehindert ist. Da die Entziehung des Elternrechts gemäß Art. 93 FamG 2004 ein gravierendes Fehlverhalten voraussetzt, deutet Art. 48 FamG 2004 darauf hin, dass es im Normalfall keine gesetzliche Möglichkeit zur vollständigen Übertragung auf einen Elternteil gibt.

Auch die hier von dem Amtsgericht Tetovo angeführte Regelung des Art. 83 Abs. 4 FamG 2004 (Änderung der anlässlich einer Scheidung getroffenen Sorgerechtsentscheidung) lässt an der Möglichkeit einer vollständigen Sorgerechtsübertragung Zweifel aufkommen. Nach dem Wortlaut der Vorschrift trifft das Gericht eine Entscheidung über Obhut und Erziehung der Kinder sowie über die Beziehungen der geschiedenen Ehegatten gegenüber ihren gemeinsamen Kindern. Auch wenn sich die Begriffe "Obhut" und "Erziehung" bei unbefangener Betrachtung als alles umfassende Personensorge darstellen, bleibt fraglich, ob die Erziehung sämtliche Aspekte wie z.B. die Ausbildung des Kindes als deren Bestandteil erfasst. Anlass zu Zweifeln gibt vor allem Art. 8 Abs. 2 FamG 2004, wonach sich elterliche Rechte und Pflichten nicht nur auf Obhut und Erziehung, sondern – neben der Aufziehung – ausdrücklich auch auf die Bildung erstrecken. In dieselbe Richtung geht Art. 49 FamG 2004 (= Art. 46 FamG 1996), wonach die Eltern für Erziehung, schulische und fachliche Ausbildung sowie Leben und Gesundheit sorgen müssen. Die ausdrückliche Nennung der schulischen und fachlichen Ausbildung neben der Erziehung könnte dafür sprechen, dass es sich um einen eigenständigen Bestandteil des Elternrechts handelt, der bei der Übertragung von Obhut und Erziehung auf einen Elternteil nicht erfasst wird, so dass das Elternrecht in Bildungsangelegenheiten auch nach einer Übertragung von Obhut und Erziehung bei beiden Elternteilen verbleibt (so VG Berlin, Urteil vom 29. Mai 2006 – VG 34 V 9.03 -).

Ferner spricht die gesetzliche Differenzierung zwischen "allein das Elternrecht ausübt" (z.B. Art. 79 Abs. 2 FamG 2004 = Art. 77 Abs. 2 FamG 1996) und "Entscheidung über Obhut und Erziehung" (Art. 83 Abs. 1 und Abs. 4 FamG 2004 = Art. 80 Abs. 1 und 4 FamG 1996) dafür, dass Obhut und Erziehung nicht das gesamte Elternrecht umfassen. Wenn nach der Scheidung der Eheleute das gesamte elterliche Recht übertragen werden könnte, hätte es nahe gelegen, dies in Art. 83 Abs. 1 FamG 2004 auch so zu formulieren ("…entscheidet das Gericht über das Elternrecht" statt "…entscheidet das Gericht über die Obhut, die Erziehung und den Unterhalt"). Auch Art 80 Abs. 2 und 3 FamG 2004 (= Art. 77 Abs. 2 und 3 FamG 1996) legen nahe, dass Obhut und Erziehung weniger sind als das Elternrecht. So können die Eltern oder der Elternteil, der allein das Elternrecht ausübt, das Kind bei längerer Ortsabwesenheit einer anderen Person zur Obhut und zur Erziehung anvertrauen.

Soweit ein in einem anderen Verfahren durch das Verwaltungsgericht Berlin eingeholtes Gutachten des Max-Planck-Instituts vom 18. Juli 2005 zum mazedonischen Kindschaftsrecht eine alleinige Personensorge nach der Übertragung des Elternrechts bejaht wird, ist dies nicht überzeugend. Zwar stellt das Gutachten fest, dass das Elternrecht als solches beiden Eltern auch nach der Trennung bzw. Scheidung zustehe, während für die Obhut und Erziehung nur ein Elternteil zuständig sei. Die dann gezogene Schlussfolgerung unter Hinweis auf ein Familienrechtswerk aus dem Jahr 1980 zum jugoslawischen Recht, dass die Ausübung des Elternrechts in diesen Fällen allein bei dem Elternteil liege, dem Obhut und Erziehung anvertraut seien, während dem anderen Elternteil lediglich das Recht auf persönlichen Umgang mit dem Kind, auf Begleitung der Entwicklung des Kindes und auf Rechenschaft über die Ausübung der elterlichen Pflichten verbleibe, lässt nicht erkennen, ob es sich hierbei tatsächlich um die aktuelle mazedonische Rechtslage und Rechtspraxis handelt. Soweit das Gutachten wegen gemeinsamer Wurzeln das Recht Jugoslawiens und der jugoslawischen Nachfolgestaaten für maßgeblich hält, zeigt es ferner nicht konkret auf, wie die Gesetzeslage und die Rechtspraxis in diesen Staaten sind.

Abgesehen davon trifft die Auffassung des Gutachtens, wonach das jugoslawische bzw. serbische Recht eine alleinige Personensorge kenne, nicht zu. Das inzwischen außer Kraft getretene serbische Gesetz über die Ehe und die Familienbeziehungen vom 22. April 1984 in der Fassung vom 30. Mai 1994 (abgedruckt bei Bergmann/Ferid/Heinrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Jugoslawien, 136. Lieferung) bestimmte zwar, dass bei einem Getrenntleben oder einer Scheidung der Eltern derjenige Elternteil das Elternrecht selbständig ausübte, dem das Kind zur Obhut und Erziehung anvertraut worden war (Art. 124 Abs. 3). In diesem Fall entschieden jedoch beide Eltern weiterhin einvernehmlich über Fragen, die für die Entwicklung des Kindes von wesentlicher Bedeutung waren, wenn der Elternteil, der das Elternrecht nicht ausübte, seine Pflichten gegenüber dem Kind erfüllte (Art. 126). Gleiches gilt in Bezug auf das derzeit gültige Familiengesetz der Republik Serbien vom 24. Februar 2005 (abgedruckt bei Bergman/Ferid/Heinrich, a.a.O., Serbien, 169. Lieferung; vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 7. Dezember 2010 – OVG 12 B 3.08 -).

c) Der gesetzliche Befund, wonach alles auf ein geteiltes Sorgerecht der Eltern trotz Übertragung des Elternrechts auf einen Elternteil hindeutet, wird durch die mazedonische Rechtspraxis bestätigt. Danach verbleiben – wie die Beklagte durch eine Befragung des Präsidenten und des Vizepräsidenten des Amtsgerichts Skopje II überzeugend ermittelt hat – dem Elternteil, dem das Elternrecht nicht übertragen worden ist, weiterhin substantielle Mitentscheidungsrechte. Die danach vor allem erforderliche Zustimmung bei der Beantragung eines Reisepasses bzw. eines Visums sowie bei Reisen des Kindes in das Ausland berührt das Aufenthaltsbestimmungsrecht, das einen wesentlichen Bestandteil der Personensorge ausmacht. Steht das Aufenthaltsbestimmungsrecht insoweit nicht einem Elternteil allein zu, kann von alleiniger Personensorge nicht die Rede sein.

Vor diesem Hintergrund kommt es entgegen der Ansicht der Klägerinnen auch nicht darauf an, dass die fehlende Zustimmung zur Ausstellung eines Reisedokuments oder eines Visums nach den Vorschriften des Familiengesetzes unter Umständen überwunden werden kann. Entscheidend ist vielmehr, dass eine solche Zustimmung des anderen Elternteils kraft Gesetzes grundsätzlich erforderlich ist.

2. Die beiden Bestätigungen des Zentrums für Soziale Angelegenheiten Tetovo vom 24. Dezember 2007 führen zu keiner abweichenden Beurteilung.

Die in der vorgelegten beglaubigten Übersetzung jeweils mit "Bestätigung" überschriebenen Dokumente gehen auch inhaltlich nicht über eine solche hinaus, insbesondere nicht über die mit (Änderungs-) Urteil des Amtsgerichts Tetovo vom 11. Mai 2005 zu Gunsten des Vaters der Klägerinnen getroffene Entscheidung. Im ersten Absatz der Bescheinigungen wird vielmehr ausdrücklich lediglich "bestätigt", dass der Vater der Klägerinnen derjenige "einzige Elternteil" ist, der für ihre "Erziehung, Bewahrung und Unterhalt sorgt". Das entspricht in der Sache Art. 83 Abs. 1 und 4 FamG 2004, wonach im Fall der Ehescheidung über "die Obhut, Erziehung und den Unterhalt der gemeinsamen Kinder" durch Gerichtsurteil zu entscheiden ist, und diese Entscheidung durch das Gericht – wie hier - wieder geändert werden kann, sofern geänderte Umstände dies erfordern. Die Urkunden des Zentrums für Soziale Angelegenheiten bekräftigen damit erneut die im Mai 2005 bereits gerichtlich erfolgte Sorgerechtsübertragung auf den Vater der Klägerinnen, ohne indes Inhalt und Umfang der Sorgeberechtigung zu ändern. Zu einer solchen Modifikation wäre das Zentrum - soweit ersichtlich - im Wege der hier vorgelegten Bestätigungen auch nicht befugt gewesen. Es kann allenfalls im Rahmen der "Aufsicht über die Ausübung des Elternrechts" originär Maßnahmen zum Schutz der Person und der Rechte sowie Interessen des Kindes ergreifen (Art. 86 und 87 Abs. 1 FamG 2004). So ist – wie dargelegt - das Zentrum für Sozialarbeit nach Art. 90 Abs. 1 FamG 2004 befugt, durch Beschluss das Kind dem einen Elternteil wegzunehmen und es in Obsorge und Erziehung dem anderen Elternteil anzuvertrauen, wenn der Elternteil, bei dem das Kind lebt, die Obsorge und Erziehung des Kindes vernachlässigt oder wenn eine ernsthafte Gefahr für seine richtige Entwicklung und Betreuung besteht. Dies ist erkennbar nicht geschehen. Abgesehen davon, dass kein entsprechender Beschluss ergangen ist (die Beschlussform ist durchgehend auch in den Fällen des Art. 90 Abs. 2 bis 6 FamG 2004 erforderlich), oblagen dem Vater der Klägerinnen deren Obhut und Erziehung bereits seit über 2 ½ Jahren.

Soweit der Akzent der Bestätigungen darauf liegen sollte, der Vater sei "einziger" Elternteil, der für die Klägerinnen sorge (Absatz 2 der Bestätigungen) und die Rechte und Pflichten im Interesse der Minderjährigen erledigen dürfe (Absatz 3), begründet dies im Hinblick auf die alleinige Personensorge des Vaters ebenfalls keinen Anspruch nach § 32 Abs. 3 AufenthG. Selbst wenn darin – wovon der Senat nicht ausgeht - eine konstitutive Erweiterung der im Mai 2005 übertragenen Sorgeberechtigung dergestalt zu sehen sein sollte, den Vater als allein personenberechtigten Elternteil zu bestimmen, führt dies schon deshalb zu keinem Nachzugsanspruch der Klägerinnen, weil beide im Zeitpunkt der – unterstellten – erstmaligen alleinigen Personensorgeübertragung im Dezember 2007 ihr 16. Lebensjahr bereits vollendet hatten.

II. Unabhängig von alledem ist der Vater der Klägerinnen nicht allein personensorgeberechtigt im Sinne von § 32 Abs. 3 AufenthG, weil die Sorgerechtsentscheidung des Amtsgerichts Tetovo vom 11. Mai 2005, mit der das Sorgerecht von der Mutter der Klägerinnen auf deren Vater übertragen worden ist, von Behörden und Gerichten im Bundesgebiet nicht anzuerkennen ist. Dies gilt gleichermaßen für die Bestätigungen des Zentrums für Soziale Angelegenheiten vom 24. Dezember 2007, soweit darin konstitutive Entscheidungen im Sinne einer Erweiterung der Personensorge auf die alleinige Sorgeberechtigung des Vaters liegen sollten.

Der Senat hat in Bezug auf eine gerichtliche Sorgerechtsentscheidung aus der Türkei einen Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen ordre public festgestellt, wenn ein minderjähriges Kind nicht angehört wird, bevor das ausländische Gericht die Personensorge von der im Heimatland lebenden Mutter auf den im Bundesgebiet lebenden Vater überträgt (vgl. zu den Einzelheiten OVG Berlin- Brandenburg, Urteil vom 29. September 2010 – OVG 12 B 21.09 -, juris). Nichts anderes gilt – wie der Senat mit Urteil vom heutigen Tag in der Sache OVG 12 B 11.08 entschieden hat – für Sorgerechtsentscheidungen mazedonischer Gerichte oder Behörden. Auf das Urteil wird insbesondere mit Blick auf die dort zur ergänzenden Begründung im Einzelnen dargelegten völkerrechtlichen bzw. gemeinschaftsrechtlichen Regelungen, nach denen sich die Anhörung des Kindes im Sorgerechtsverfahren als eine elementare Verfahrensgarantie darstellt, Bezug genommen.

a) Da Mazedonien – anders als die Türkei - weder Vertragsstaat des Haager Übereinkommens über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen vom 5. Oktober 1961 – MSA - (BGBl II S: 217) noch des Europäischen Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung über das Sorgerecht für Kinder und die Wiederherstellung des Sorgeverhältnisses vom 20. Mai 1980 – ESÜ - (BGBl II 1990, 220) ist, richten sich die Voraussetzungen, unter denen eine in Mazedonien ergangene Sorgerechtsentscheidung in der Bundesrepublik Deutschland anzuerkennen ist, nach §§ 108, 109 Abs. 1 Nr. 4 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit – FamFG – vom 17. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2586), die die bis zum 31. August 2009 gültige entsprechende Regelung in § 16 a des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit – FGG – abgelöst haben.

Die in § 108 Abs. 1 FamFG normierte Anerkennung ausländischer Sorgerechtsentscheidungen ist gemäß § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG ausgeschlossen, wenn die Anerkennung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, insbesondere wenn die Anerkennung mit den Grundrechten unvereinbar ist. Ein Verstoß gegen den deutschen ordre public, der sowohl in verfahrensrechtlicher als auch in materiell-rechtlicher Hinsicht in Betracht kommt, liegt somit erst vor, wenn das Ergebnis in einem so starken Widerspruch zu den Grundgedanken der deutschen Regelungen und den in ihnen enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen steht, dass es nach inländischen Vorstellungen untragbar erscheint (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Mai 1986 - 1 B 20/86 -, juris Rn. 6 ff. = FamRZ 1986, 351; BGH, Beschluss vom 18. September 2001, NJW 2002, 960, 961; BGH, Urteil vom 21. April 1998, BGHZ 138, 331, 334; Bumiller/Harders, Freiwillige Gerichtsbarkeit FamFG, 9. Aufl., § 109 Rn. 9). Aus verfahrensrechtlichen Gründen kann einer ausländischen Entscheidung die Anerkennung dann zu versagen sein, wenn das Verfahren von den Grundprinzipien des deutschen Verfahrensrechts in einem solchen Maße abweicht, dass nach der deutschen Rechtsordnung nicht mehr von einem geordneten rechtsstaatlichen Verfahren ausgegangen werden kann (vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 29. Mai 1986 - 1 B 20/86 -, juris Rn. 10 m.w.N. = FamRZ 1986, 381). In materiell-rechtlicher Hinsicht ist zu prüfen, ob die Entscheidung in der Sache selbst gegen rechtliche Grundprinzipien der deutschen Rechtsordnung verstößt. Prüfungsmaßstab sind in beiden Fällen vor allem auch die Grundrechte (vgl. § 108 Abs. 1 Nr. 4 FamFG).

Übertragen auf ausländische Sorgerechtsentscheidungen kann ein Verstoß gegen den ordre public insbesondere dann gegeben sein, wenn das Ergebnis der ausländischen Sorgerechtsentscheidung mit den Grundwerten des deutschen Kindschaftsrechts offensichtlich unvereinbar ist. Hierzu zählt vor allem das Wohl des Kindes, dessen Beachtung einen wesentlichen und unverzichtbaren Grundsatz des deutschen Familien- und Kindschaftsrechts bei allen Entscheidungen über das Sorgerecht darstellt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. September 2006 – 2 BvR 2216/05 -, juris Rn. 15; BVerfG, Beschluss vom 29. Januar 2010 - 1 BvR 374/09 – NJW 2010, 2333 ff.; s. z.B. auch §§ 1626 Abs. 3, 1666, 1696 Abs. 1, 1697 a BGB). Das deutsche Recht sieht in § 159 FamFG (bis zum 31. August 2009 in § 50 b FGG) grundsätzlich eine obligatorische Anhörung des Kindes im gerichtlichen Sorgerechtsverfahren vor. Hierbei handelt es sich um einen Verfahrensgrundsatz mit Verfassungsrang, der nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der Zivilgerichte der Absicherung des Kindeswohles dient und die Stellung des Kindes als Subjekt im Verfahren, seine Grundrechte im Sinne von Art. 6 Abs. 2, Art. 2 Abs. 1 GG sowie seinen verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) schützt (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 29. Juli 1968, BVerfGE 24, 119, 144; BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 2007, BVerfGK 10, 519, 522 f.; BVerfG, Beschluss vom 29. Oktober 1998, BVerfGE 99, 145, 156, 163 f.; OLG Oldenburg, Beschluss vom 6. Juli 2009, FamRZ 2010, 44). Danach ist es von Verfassungs wegen geboten, den Willen des Kindes zu berücksichtigen, soweit dies mit seinem Wohl vereinbar ist (BGH, Beschluss vom 14. Oktober 1992, BGHZ 120, 29, 35).

Im Einzelnen sehen die deutschen Verfahrensvorschriften folgendes vor: Grundsätzlich ist ein Kind, das das 14. Lebensjahr vollendet hat, vor Erlass einer Sorgerechtsentscheidung anzuhören, es sei denn, dass schwerwiegende Gründe gegen eine Anhörung sprechen (§ 159 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 FamFG). Hat das Kind das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet, ist es persönlich anzuhören, wenn die Neigungen, Bindungen oder der Wille des Kindes für die Entscheidung von Bedeutung sind, oder wenn eine persönliche Anhörung aus sonstigen Gründen angezeigt ist (§ 159 Abs. 2 FamFG). Auch insoweit kann von der Anhörung nur aus schwerwiegenden Gründen abgesehen werden (§ 159 Abs. 3 FamFG). Unterbleibt die Anhörung nur wegen Gefahr im Verzug, so ist sie unverzüglich nachzuholen (§ 159 Abs. 3 Satz 2 FamFG). Die besondere Bedeutung der Anhörung manifestiert sich schließlich auch darin, dass die höchstrichterliche Zivilrechtsprechung bei gebotener Tatsachenermittlung eine persönliche Anhörung vor dem beauftragten Richter nicht für ausreichend hält, weil sich der gesamte Spruchkörper einen entsprechenden Eindruck verschaffen müsse (BGH, Beschluss vom 28. April 2010, FamRZ 2010, 1060, 1064). Entsprechendes galt nach § 50 b FGG.

Nichts anderes ergibt sich für die deutsche Rechtsordnung aus einschlägigen materiell-rechtlichen Vorschriften. Zwar regelt beispielsweise § 1671 Abs. 2 Nr. 1 BGB, dass einem Antrag auf Sorgerechtsübertragung bei Zustimmung des anderen Elternteils stattzugeben ist, wenn nicht das Kind, sofern es das 14. Lebensjahr vollendet hat, widerspricht. Diese Vorschrift greift aber nur, wenn den Eltern – anders als hier - das Sorgerecht gemeinsam zusteht. Hinzu kommt, dass auch die Sorgerechtsübertragung bei elterlichem Einvernehmen gemäß § 1671 Abs. 2 Nr. 1 BGB unter dem Vorbehalt des § 1671 Abs. 3 BGB steht, wonach das Kindeswohl eine abweichende Entscheidung gebieten kann. Im Übrigen muss das Kind wegen der es selbst betreffenden (Grund-)Rechte auch dann im gerichtlichen Verfahren angehört werden, wenn sich die Eltern einig sind (vgl. z.B. OLG Rostock, Beschluss vom 9. Dezember 2005, FamRZ 2007, 1835; OLG Oldenburg, Beschluss vom 6. Juli 2009, FamRZ 2010, 44; s. auch Finger, in: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl., § 1671 Rn. 148).

b) Gemessen daran hat das Amtsgericht Tetovo den nach deutschem Recht erforderlichen verfahrensrechtlichen Mindeststandard nicht eingehalten, der eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung garantieren soll. Das Amtsgericht hat das Sorgerecht von der Mutter auf den Vater der Klägerinnen übertragen, ohne die damals 13 und 14 Jahre alten Klägerinnen persönlich anzuhören. Es ist auch nicht ersichtlich, dass deren Anhörung vor einer anderen sachkundigen zuständigen Stelle erfolgt ist oder ausnahmsweise (etwa im Hinblick auf das Alter der Klägerin zu 2) entbehrlich gewesen wäre. Ganz im Gegenteil erscheint hier – unter Berücksichtigung von § 50 b FGG bzw. § 159 FamFG - eine persönliche Anhörung geradezu gefordert, weil beide Klägerinnen, die seit der Scheidung 1997 bei ihrer Mutter in ihrer Heimat gelebt haben und dort erzogen und geprägt worden sind, in ein ihnen fremdes Land zu ihrem Vater übersiedeln sollen, der sich selbst bereits seit 2001 im Bundesgebiet aufgehalten hatte und dort im Jahre 2005 mit seiner damaligen deutschen Ehefrau lebte. Angesichts dessen ist eine Anhörung für eine am Kindeswohl orientierte Sorgerechtsübertragung unabdingbar. Ebenso wenig hat das Amt für Soziale Angelegenheiten – sofern es im Dezember 2007 eine konstitutive Erweiterung der Personensorgeberechtigung getroffen haben sollte – den nach deutschem Recht erforderlichen verfahrensrechtlichen Mindeststandard eingehalten, denn es hat die damals 16 und 17 Jahre alten Klägerinnen ebenfalls nicht angehört, sondern sich ausweislich der Bestätigungen "auf ein Gespräch mit de(m) Elternteil" der Minderjährigen beschränkt.

Vor diesem Hintergrund ist das Ergebnis der mazedonischen Sorgerechtsentscheidung(en) unter ordre-public-Gesichtspunkten greifbar unangemessen. Da bereits der Verstoß gegen den deutschen verfahrensrechtlichen ordre public zu einem Anerken-nungshindernis führt, kommt es auf die Vereinbarkeit der Entscheidung(en) mit dem Kindeswohl in materiell-rechtlicher Hinsicht nicht mehr an.

III. 1. Den Klägerinnen steht auch kein Anspruch auf Erteilung der begehrten Visa nach § 32 Abs. 4 AufenthG bzw. nach § 20 Abs. 4 AuslG, § 104 Abs. 3 AufenthG zu. Danach kann dem minderjährigen ledigen Kind eines Ausländers eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn es aufgrund der Umstände des Einzelfalles zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist (§ 20 Abs. 4 Nr. 2 AuslG, § 32 Abs. 4 AufenthG) bzw. wenn das Kind die deutsche Sprache beherrscht oder gewährleistet erscheint, dass es sich aufgrund seiner bisherigen Ausbildung und Lebensverhältnisse in die Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland einfügen kann (§ 20 Abs. 4 Nr. 1 AuslG). Die Annahme einer besonderen Härte ist vor allem dann gerechtfertigt, wenn sich die Lebensumstände des Kindes nach der Ausreise der Eltern oder des Elternteils geändert haben, ohne dass dies zuvor absehbar war (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. Januar 1994 - 1 B 181.93 -, juris Rn. 3; BVerwG, Beschluss vom 24. Oktober 1996 - 1 B 180.96 -, juris Rn. 5).

Unter Berücksichtigung dieses Maßstabes kann das Vorliegen einer besonderen Härte nicht festgestellt werden. Der Umstand, dass der Vater der Klägerinnen über umfangreichere materielle/finanzielle Mittel und bessere Unterbringungsbedingungen für die Klägerinnen in Deutschland verfügt als die Mutter in Mazedonien, begründet noch keine besondere Härte. Es handelt sich um Lebensumstände, deren Entwicklung seit der Ausreise des Vaters im Jahre 2001 absehbar war und denen der Vater der Klägerinnen ggf. durch (höhere) finanzielle Zuwendungen begegnen kann. Ebenso wenig ist ersichtlich oder nachgewiesen, dass die Klägerinnen bis zur hier jeweils maßgeblichen Vollendung des 18. Lebensjahres im Oktober 2008 bzw. im November 2009 (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. November 1997, NVwZ-RR 1998, 517) die Voraussetzungen des § 20 Abs. 4 Nr. 1 AuslG erfüllt haben, zu denen u.a. die Beherrschung der deutschen Sprache zählt. Dass sich die äußerst rudimentären deutschen Sprachkenntnisse der Klägerinnen, über die sie nach Aktenlage im Frühjahr 2007 verfügten und von denen sich die Beklagte anlässlich einer Vorsprache in der Botschaft überzeugen konnte (GA Bd. I, Bl. 118), in den beiden folgenden Jahren in nennenswertem Umfang verbessert hätten, ist weder vorgetragen noch sonst erkennbar. Auch wenn die Klägerinnen meinen, bei der damaligen Befragung in der Botschaft sehr nervös gewesen zu sein und über ausreichende passive Deutschkenntnisse zu verfügen, haben sie es in der Folgezeit versäumt, entsprechende aussagekräftige Nachweise vorzulegen.

2. Ebenso wenig besteht ein Anspruch auf Neubescheidung (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Die von der Beklagten gemäß § 20 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 AuslG, § 104 Abs. 3 AufenthG zu Lasten der Klägerinnen getroffene, an dem Kindeswohl orientierte Ermessensentscheidung ist nicht zu beanstanden. Die Klägerinnen, die bei Beantragung des Visums bereits im 15. (Klägerin zu 1) bzw. 14. Lebensjahr (Klägerin zu 2) standen, haben ihre soziale Prägung im Heimatland erfahren, sind dort zur Schule gegangen und konnten weiterhin in ihrer Heimat betreut werden, wobei altersbedingt typischerweise ein stetig geringer werdender Betreuungsbedarf bestand und besteht. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts Tetovo im Sorgerechtsänderungsurteil vom 11. Mai 2005 haben die Klägerinnen nach der Scheidung ihrer Eltern "8 Jahre lang mit ihrer Mutter" gelebt. Die maßgeblichen Gründe für die Sorgerechtübertragung auf den Vater waren nach dessen Antrag wirtschaftlicher Natur. Dem Änderungsbegehren lagen somit offenbar weder Betreuungsdefizite seitens der Mutter noch sonstige grobe Vernachlässigungen zu Grunde. Das Amtsgericht, das die Mutter persönlich gehört hat, ist dem Antrag in der Sache gefolgt, nachdem diese ausdrücklich ihr Einverständnis mit der Übertragung der Sorge erklärt hat, "weil sie sich wirklich in einem sehr schweren materiellen und wirtschaftlichen Zustand befinde".

Angesichts dessen erscheinen die widersprüchlichen und unsubstantiiert gebliebenen Angaben der Klägerinnen gegenüber der Beklagten sowie im weiteren Verwaltungsrechtsstreit verfahrensangepasst, wonach ihre Mutter bereits 2002 weggezogen sei und sie seither keinen Kontakt zu ihr gehabt hätten (GA Bd. I, Bl. 118). Dies lässt sich insbesondere auch nicht aus der eingereichten "Bestätigung" der Gemeinde Tearce vom 8. Mai 2006 entnehmen (GA Bd. I, Bl. 13), wonach die Mutter die Klägerinnen "verlassen" haben soll. Die Bescheinigung ist weder hinsichtlich des Zeitpunkts noch der konkreten Umstände aussagekräftig, sondern wurde ausdrücklich für den Vater erstellt, "um ih(m) als Nachweis zu dienen dass er für die … Kinder sorgt" Die weitere Behauptung der Klägerinnen im Frühjahr 2007, ihre Mutter sei in das knapp zwei Kilometer entfernte Dorf N. gezogen, wo sie einen Mann geheiratet habe, der ihnen unbekannt sei (GA Bd. I, Bl. 118), verstärkt die Widersprüchlichkeit ihrer Angaben, ohne – die Richtigkeit des Vortrags unterstellt - den behaupteten Kontaktabbruch seit 2002 zu belegen. Dass die Klägerinnen im März 2009 – zu diesem Zeitpunkt waren sie 18 Jahre (Klägerin zu 1) und 17 Jahre (Klägerin zu 2) alt – in Mazedonien im Haus der Großeltern lebten, die sich ihrerseits wie die gesamte Familie größtenteils in Deutschland aufhielten (GA Bd. II, Bl. 222), führt schon deshalb nicht zu einer Ermessensreduktion auf Null, weil der Umstand weder die ungünstige Integrationsprognose durch die Beklagte in Frage stellt noch – schon altersbedingt - ein Betreuungsdefizit der Klägerinnen aufzeigt. Soweit diese daher im Ergebnis vorwiegend im Hinblick auf wirtschaftliche Erwägungen zu ihrem Vater in das Bundesgebiet ziehen sollten, käme (auch weiterhin) eine finanzielle Unterstützung durch den Vater in Mazedonien in Betracht. Unter diesen Umständen durfte die Beklagte selbst dann ermessensfehlerfrei davon ausgehen, dass der Verbleib der Klägerinnen in Mazedonien ihrem Wohl entsprach, wenn man unterstellt, dass ihr Vater und andere Familienmitglieder Hilfe bei einer Integration im Bundesgebiet hätten leisten können (vgl. zu den Kindeswohlerwägungen im Rahmen von § 20 Abs. 3 Satz 1 AuslG auch BVerwG, Urteil vom 18. November 1997, NVwZ-RR 1998, 517). [...]