OVG Sachsen

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Zitieren als:
OVG Sachsen, Urteil vom 23.03.2011 - A 5 447/08 - asyl.net: M18590
https://www.asyl.net/rsdb/M18590
Leitsatz:

1. Es kann nicht allein aus der Tatsache der Erneuerung oder Verlängerung von Ausweispapieren durch den Heimatstaat auf eine fehlende Verfolgungsgefahr geschlossen werden. Es ist in freier Beweiswürdigung der Umstände jedes Einzelfalles zu beurteilen, inwieweit sich die Tatsache einer Passerneuerung oder -verlängerung während des Asylverfahrens auf die zu treffende Verfolgungsprognose auswirkt.

2. Es besteht keine generelle Rückkehrgefährdung in die DR Kongo zurückkehrender oder abgeschobener Asylbewerber.

3. Eine ernst zu nehmende, mit der Gefahr politischer Verfolgung im Falle der Rückkehr in die DR Kongo verbundene Gegnerschaft setzt voraus, dass der jeweilige kongolesische Staatsbürger eine "exponierte Tätigkeit" entfaltet, die von einer breiten Öffentlichkeit in Deutschland wahrgenommen werden kann und bei der er selbst ein "eigenes Gesicht" gewinnt.

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: Passverlängerung, Passausstellung, Passerneuerung, Pass, exponierte Tätigkeit, Exilpolitik, Ausweispapiere, Demokratische Republik Kongo, Rückkehrgefährdung,
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1, AsylVfG § 72 Abs. 1 Nr. 1,
Auszüge:

[...]

Die zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 21. Oktober 1998 zu Unrecht abgewiesen, soweit darin das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG festgestellt wird. Der Bescheid ist in diesem Ausspruch rechtswidrig (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Beigeladene hat keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung, dass in seiner Person Abschiebungshindernisse gemäß der im Zeitpunkt der Entscheidung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts geltenden, mit der Vorschrift des § 51 Abs. 1 Satz 1 AuslG inhaltsgleichen, Vorschrift des § 60 Abs. 1 des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz - AufenthG -) vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 1950) vorliegen. [...]

Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG liegen hier nicht vor. [...]

Allein aus der Tatsache der Erneuerung oder Verlängerung von Ausweispapieren durch den Heimatstaat kann somit nicht auf fehlende Verfolgungsgefahr bzw. auf eine Unterschutzstellung geschlossen werden. Es ist in freier Beweiswürdigung der Umstände jedes Einzelfalles zu beurteilen, inwieweit sich die Tatsache der Passerneuerung bzw. erstmaligen Passausstellung während des Asylverfahrens auf die zu treffende Verfolgungsprognose auswirkt (BVerwG, Urt. vom 20. Oktober 1997, a.a.O., Rn. 10, Urt. v. 20.10.1987, a.a.O.).

Gegen die Annahme, durch die Ausstellung des Reisepasses sei auf eine fehlende Verfolgungsabsicht des kongolesischen Staates zu schließen, spricht, dass der Beigeladene die Ausstellung des Reisepasses weder persönlich beantragt hat noch den Reisepass persönlich bei der kongolesischen Botschaft abgeholt hat. Vielmehr wurde der Reisepass wegen der beabsichtigten Eheschließung des Beigeladenen von der Stadt Chemnitz bei der Botschaft der DR Kongo beantragt und dem Beigeladenen per Post übersandt. In einem solchen Fall sprechen keine gewichtigen Anhaltspunkte für eine Annahme, die Ausstellung des Reisepasses durch seinen Heimatstaat zeige dessen fehlende Verfolgungsabsicht. [...]

Ausgehend von den Feststellungen des Auswärtigen Amtes besteht keine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Beigeladene im Falle seiner Rückkehr in die DR Kongo wegen der von ihm behaupteten Aktivitäten und der gegen ihn gerichteten Maßnahmen des damaligen kongolesischen Militärs mit Verfolgungsmaßnahmen i.S.d. § 60 Abs. 1 AufenthG rechnen muss. Der Beigeladene war vor seiner Ausreise nicht in herausgehobener Position in der UDPS tätig. Auch die von ihm vorgetragenen Aktivitäten lassen ihn nicht als einen Aktivisten erscheinen, gegen den politische Verfolgungsmaßnahmen durch die staatlichen Stellen der DR Kongo nicht ausgeschlossen werden können. Nach seinem eigenen Vortrag war er vor seiner Ausreise als Laienprediger in einer evangelischen Kirchengemeinde in K. tätig und betrieb dort auch politische Aufklärungsarbeit, indem er über die damaligen Vorgänge im Land informierte. Nach seinem eigenen Vortrag äußerte er sich kritisch zu den politischen Verhältnissen in der DR Kongo, ohne dabei zu Maßnahmen, die nach den damaligen gesetzlichen Vorschriften illegal gewesen wären, aufzurufen. Er hielt sich damit in den von den staatlichen Behörden in der DR Kongo tolerierten Grenzen kritischer Äußerungen und hat deshalb allein wegen seiner Tätigkeiten vor der Ausreise aus der DR Kongo auch nicht mit politischen Repressalien zu rechnen.

Dem Beigeladenen droht bei einer Rückkehr in die DR Kongo auch nicht deshalb mit hinreichender Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung i.S.d. § 60 Abs. 1 AufenthG, weil er in Deutschland einen Asylantrag gestellt hat. Es kann von einer generellen Verfolgungsgefahr für alle rückkehrenden Asylbewerber keine Rede sein. Nach den Angaben des Auswärtigen Amtes in seinem Lagebericht vom 14. Mai 2009 (der nachfolgende Lagebericht vom 9. Juli 2010 enthält keine davon abweichenden Feststellungen) werden abgelehnte und in die DR Kongo zurückgeführte Asylbewerber bei ihrer Ankunft am internationalen Flughafen von Kinshasa von Beamten der Einwanderungsbehörde, Direction Générale de Migration (DGM), befragt. Alle ankommenden Passagiere, die nur mit einem Passersatzpapier einreisen oder als zurückgeführte Personen angekündigt sind, werden in die Büros der DGM neben der Abflughalle im Flughafengebäude begleitet, wo ihre Personalien aufgenommen werden und ein Einreiseprotokoll erstellt wird. Geprüft wird dabei vornehmlich die Staatsangehörigkeit. Daneben werden die ausliegenden Fahndungslisten abgeglichen. Bei begründeten Zweifeln an der kongolesischen Staatsangehörigkeit wird die Einreise verweigert. Aufgrund von in unregelmäßigen Abständen durchgeführten Beobachtungen der Einreise kongolesischer Rückkehrpflichtiger durch das Auswärtige Amt und Informationen von Menschenrechtsorganisationen sowie Botschaften anderer Staaten vor Ort, die ebenfalls Abschiebungen durchführten, bleiben nach den bisherigen Erfahrungen Zurückgeführte unbehelligt und können nach der Überprüfung durch die DGM, den Zoll und die Gesundheitsbehörden sowie in besonderen Fällen auch durch den Geheimdienst ANR zu ihren Familienangehörigen gelangen. Gegenteilige Berichte einiger Menschenrechtsorganisationen und die von ihnen genannten Referenzfälle wurden vom Auswärtigen Amt eingehend geprüft, konnten aber in keinem Fall bestätigt werden. Mitarbeiter von Menschenrechtsorganisationen besuchen in besonders gelagerten Fällen im Auftrag des Auswärtigen Amtes zurückgekehrte Personen an ihren Wohnadressen. Staatliche Repressionen gegen diese Personen wurden dabei bislang in keinem Fall festgestellt.

Es liegen keine Erkenntnisse vor, welche die Einschätzung des Auswärtigen Amtes, es gebe keine generelle Rückkehrgefährdung abgeschobener Asylbewerber, ernstlich erschüttern könnten. [...]

Dem Beigeladenen stehen auch nicht deshalb Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 1 AufenthG zur Seite, weil er sich in Deutschland exilpolitisch betätigt hat. Das Auswärtige Amt verneint in seinem Lagebericht vom 14. Mai 2009 eine generelle Gefährdung von Kongolesen, die sich in Deutschland exilpolitisch betätigt haben. Es führt hierzu aus:

"Viele Exilpolitiker sind im Zuge der politischen Öffnung unter Joseph Kabila in die DR Kongo zurückgekehrt, um dort politisch aktiv zu werden. Beispiele hierfür sind Joseph Olenghankoy (FONUS - "Forces Novatrices pour l’Union et la Solidarité"), Etienne Tshisekédi (UDPS - "Union pour la Démocratie et le Progrès Social"), Pierre Pay Pay (CODECO - "Coalition des Démocrates Congolais"), François Lumumba und andere.

Fast alle namhaften Politiker und politischen Bewegungen hatten am innerkongolesischen Dialog im südafrikanischen Sun City bzw. bei den Verhandlungen im November/Dezember 2002 in Pretoria teilgenommen. Nach den Kämpfen gegen die Regierungstruppen am 22. und 23. März 2007 wurden zahlreiche Anhänger der Bewegung MLC ("Mouvement pour la Libération du Congo" unter Jean-Pierre Bemba), auch Personen, die aus dem Exil zurückgekehrt waren, in Kinshasa und Bembas Heimatprovinz Equateur festgenommen. Viele von ihnen (auch Militärs) sind bis heute verschwunden. In Gesprächen mit der Botschaft haben sich Angehörige darüber beklagt, dass seitens der staatlichen Behörden auf Anfrage nach dem Verbleib praktisch nie eine Antwort erfolgt ist."

Der Beigeladene gehört nicht der Bewegung MLC; er hat sich für sie weder vor seiner Ausreise aus der DR Kongo noch in Deutschland politisch betätigt. Eine vom Auswärtigen Amt im Falle eines politischen Engagements für diese Organisation angenommene Rückkehrgefährdung scheidet deshalb hier aus. Aber auch die vom Beigeladenen vorgetragene exilpolitische Tätigkeit begründet keine hinreichende Wahrscheinlichkeit politisch motivierter Verfolgungsmaßnahmen im Falle seiner Rückkehr in die DR Kongo.

Die kongolesische Regierung misst insgesamt den exilpolitischen Tätigkeiten ihrer Landsleute in Deutschland im Vergleich zu denen in Belgien oder Frankreich keine Bedeutung bei. Die kongolesische Botschaft in Bonn überwacht nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes exilpolitische Aktivitäten in Deutschland nicht in nennenswerter Weise. Ihm liegen keine Erkenntnisse über die Überwachung exilpolitischer Gruppen im Ausland durch die kongolesischen Behörden vor. Zwar ist davon auszugehen, dass der kongolesische Geheimdienst ANR auch über Quellen im Ausland verfügt, allerdings ist eine flächendeckende und systematische Überwachung aufgrund mangelnder Kapazitäten eher unwahrscheinlich (Auswärtiges Amt, Auskunft an das Verwaltungsgericht Aachen vom 18. Dezember 2009 - 508-516.80/42749 -). Diese allgemeine Auskunft des Auswärtigen Amtes deckt sich mit früheren Auskünften des Amtes. So führt es in seiner Auskunft vom 7. Dezember 2004 an das Verwaltungsgericht Münster (Az: 508-516.80/40057) u. a. aus, dass zwar nicht ausgeschlossen werden könne, dass in der Bundesrepublik Deutschland von Exilkongolesen gegründete Vereinigungen von den kongolesischen Behörden wahrgenommen werden. Es werde aber z. B. mit einer Erklärung, Präsident der Exilregierung der Demokratischen Republik Kongo zu sein, kein besonderes Interesse bei den kongolesischen Behörden geweckt. Bei der deutschen Botschaft in Kinshasa seien in der Vergangenheit bereits einige solcher Erklärungen verschiedener "selbst ernannter Chefs von Exilregierungen der Demokratischen Republik Kongo" eingegangen. Nicht nur den kongolesischen Behörden, sondern auch unter der kongolesischen Bevölkerung sei bekannt, dass derartige Erklärungen überwiegend im Rahmen von in Europa betriebenen Asylverfahren abgegeben würden, in der Hoffnung, dass sich diese positiv auf das laufende Asylverfahren auswirkten.

Diese Erkenntnisse des Auswärtigen Amtes stehen nicht in grundsätzlichem Widerspruch zu der Auskunft des Bundesnachrichtendienstes vom 9. November 2004 an das Verwaltungsgericht Münster. Dort führt der Bundesnachrichtendienst aus, dass ein Hinweis aus Mitte des Jahres 2002 vorliege, wonach der 1997 gegründete militärische Geheimdienst DEMIAP in Auslandsaktivitäten der kongolesischen Sicherheitsdienste eingebunden worden sei. Zuständig für die Auslandsaktivitäten sei der Bereich äußere Sicherheit "DEMIAP Extérieure". Dabei solle dieser Dienst seine Überwachungstätigkeit auf Aktivitäten Intellektueller und ehemaliger Offiziere - insbesondere in den Ländern Belgien, USA, Frankreich und Deutschland - konzentrieren. Zur Intensität der Überwachung in den unterschiedlichen Ländern lägen dem Amt keine Hinweise vor. Dem Bundesnachrichtendienst seien jedoch in den letzten Jahren keine Fälle von Repressalien gegen Kongolesen bekannt geworden, die sich in Deutschland exilpolitisch betätigt hätten.

Letztlich bedarf jedoch die Frage, ob eine Möglichkeit politischer Gefährdung wegen exilpolitischer Betätigung in Deutschland nunmehr generell verneint werden kann, keiner weiteren Klärung. Denn die exilpolitische Betätigung des Beigeladenen löst auch unabhängig von den in das Verfahren eingeführten Auskünften des UNHCR vom 9. November 2003 an das Bayerische Verwaltungsgericht München und amnesty international vom 6. April 2004 an das Verwaltungsgericht Frankfurt/Oder keine Rückkehrgefährdung aus.

Nach Auffassung des UNHCR deute einiges darauf hin, dass nach der Einbindung der Rebellengruppierungen MLC und RCG-Goma in die Übergangsregierung verstärkt die UDPS und PALU als destabilisierender Faktor eingeschätzt werde. Vor allem die Behörden in Kinshasa reagierten sehr empfindlich auf die Aktivitäten dieser beiden Parteien. Insbesondere der UDPS werde vorgeworfen, dass sie die nationalen Vorschriften für Parteien missachtet, obgleich die Übergangsverfassung sich zur politischen Meinungs- und Versammlungsfreiheit bekenne. Als Beispiel für Übergriffe auf die zivile Opposition sei das Auseinandertreiben der Anhänger von Etienne Tshisekédi, die sich aus Anlass einer Messe zum Jahrestag seiner damaligen Wahl zum Premierminister durch die Nationalkonferenz versammelt hätten, zu nennen. Infolge eines Übergriffs bewaffneter Einheiten auf UDPS-Anhänger in Matone/Kinshasa am 16. August 2003 sei ein Anhänger an einem Schädeltrauma verstorben. Obwohl politische Führer der verschiedenen Parteien sich regelmäßig in Kinshasa aufhielten, ohne bislang Opfer politischer Verfolgungsmaßnahmen geworden zu sein, erlaube dieser Umstand nicht den Rückschluss, dass politische Meinungsäußerungen und vor allem Kundgebungen derzeit ohne Risiko von Repressalien möglich seien. Dem UNHCR lägen vielmehr Informationen darüber vor, dass der Innenminister (ein Anhänger Kabilas) die Sicherheitsbehörden angewiesen hätte, solche Kundgebungen im Vorfeld zu unterbinden.

In Bezug auf politische Aktivitäten im Ausland gelte grundsätzlich das oben Ausgeführte. Für das Vorliegen einer Rückkehrgefährdung sei nicht so sehr die Funktion der betreffenden Person innerhalb der Parteistrukturen ausschlaggebend, als vielmehr das Ausmaß ihrer politischen Aktivitäten. Auch einfache Mitglieder könnten sich aktiv und/oder öffentlichkeitswirksam betätigen und dadurch ins Visier der kongolesischen Behörden geraten. Andererseits bestehe eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Namen von Vorstandsmitgliedern grundsätzlich zur Kenntnis der Auslandsdienste der Demokratischen Republik Kongo gelangt sind.

Den genannten Auskünften kann nicht entnommen werden, dass jedes Mitglied einer exilpolitischen Organisation bzw. jeder für eine solche Organisation in Deutschland tätig gewordene Kongolese einer Rückkehrgefährdung ausgesetzt ist. Sie deuten vielmehr nur darauf hin, dass exilpolitische Betätigung kongolesischer Staatsbürger für das Regime nur dann von Interesse ist, wenn sie als Ausdruck einer ernst zu nehmenden Gegnerschaft gewertet werden kann. Dies belegt insbesondere der von amnesty international in seiner Auskunft vom 6. April 2004 an das Verwaltungsgericht Frankfurt/Oder (Az: AFR 62-03.064) dargestellte Fall. Danach sei der Kommandant Dieudonné Amandala Kabengele, ein ehemaliger Militärberater des ermordeten kongolesischen Staatspräsidenten Laurent-Desiré Kabila und Kommandeur der Militärregion Bas-Congo, der 1998 die RCT verlassen habe und ins Exil gegangen sei, Berichten zufolge am 31. Oktober 2003 auf dem Flughafen von Kinshasa-Ndjili von Männern in Militäruniformen verhaftet worden, als er aus dem Exil habe zurückkehren wollen. Nach vorliegenden Informationen werde er ohne Kontakt zur Außenwelt im Hauptquartier des militärischen Sicherheitsdienstes DEMIAP in Kinshasa festgehalten, wo er über seine Motive für die Rückkehr in die RCT und seine angebliche Kollaboration mit den ruandischen Truppen verhört sein worden sein solle. Dieser von amnesty international dargestellte Fall belegt, dass eine ernst zu nehmende, mit der Gefahr politischer Verfolgung im Falle der Rückkehr in die DR Kongo verbundene Gegnerschaft voraussetzt, dass der jeweilige kongolesische Staatsbürger eine "exponierte" Tätigkeit entfaltet, die von einer breiten Öffentlichkeit in Deutschland wahrgenommen werden kann und bei der er selbst "eigenes Gesicht" gewinnt. Dass nur in diesem Falle eine Rückkehrgefährdung ausgelöst werden kann, folgt schon daraus, dass, worauf der Senat bereits oben hingewiesen hat, das Kabila-Regime in Deutschland - wenn überhaupt - allenfalls über äußerst eingeschränkte Beobachtungsmöglichkeiten verfügt. Soweit exilpolitische Aktivitäten von Kongolesen nicht in Belgien oder Frankreich stattfinden, werden sie vor Ort nicht wahr- bzw. ernst genommen, weder in der politischen Landschaft noch von der kongolesischen Regierung und deren Sicherheitsdiensten. Kongolesische Auslandsnachrichtendienste haben nicht die Kapazität, um exilpolitische Aktivitäten ausgiebig im Ausland zu verfolgen, insbesondere gibt es in Deutschland nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes keine Residenzen des kongolesischen Auslandsnachrichtendienstes und auch die kongolesische Botschaft in Bonn ist nicht in dieser Richtung tätig. Im Übrigen wissen kongolesische Stellen, wenn sie von exilpolitischen Aktivitäten ihrer Landsleute erfahren, deren Bedeutungslosigkeit bzw. Bedeutung allein als Nachfluchtgrund für Asylverfahren einzuschätzen (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 7. Januar 2003 an das Verwaltungsgericht Oldenburg - Az: 508-516.80/40502 -).

Die später erteilten Auskünfte des Auswärtigen Amtes und erstellten Gutachten enthalten keine Feststellungen, die Anlass geben müssten, eine generelle Rückkehrgefährdung von in Deutschland exilpolitisch tätigen Kongolesen zu bejahen.

Ausgehend hiervon kommt deshalb eine Prognose der Gefährdung allenfalls für solche Asylbewerber aus der DR Kongo in Betracht, die hier als Regimekritiker ein "eigenes Gesicht" gewonnen haben, weil sie vehemente und ernst zu nehmende Kritik am Kabila-Regime in der breiten Öffentlichkeit zugänglichen Medien (Funk und Fernsehen) geübt haben oder bei Pressekonferenzen aus der Masse der übrigen kongolesischen Asylbewerber herausgetreten sind (SächsOVG, Beschl. v. 6.6.2005 - A 5 B 497/09 -, juris; Beschl. v. 25.7.2006 - A 5 B 262/05 - , juris; ebenso VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 24. Juli 2003 - A 6 S 971/01 -, juris).

Unter Anwendung der dargestellten Maßstäbe droht dem Beigeladenen bei seiner Rückkehr in die DR Kongo wegen der von ihm geltend gemachten Mitgliedschaft und Aktivitäten in der Auslandsorganisation der UDPS nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung. Der Beigeladene ist durch seine von ihm vorgetragenen Aktivitäten nicht als herausgehobene Person im politischen Widerstand einzuordnen. Der Senat vermag nicht festzustellen, dass er eine exponierte Tätigkeit im oben dargestellten Sinne entfaltet hat, die von einer breiten Öffentlichkeit in Deutschland wahrgenommen werden konnte und kann und bei der er selbst ein "eigenes Gesicht" gewonnen hat bzw. gewinnt. Der Senat vermag auch nicht aufgrund des Vortrags des Beigeladenen festzustellen, dass dieser vehemente und ernst zu nehmende Kritik am Kabila-Regime in der breiten Öffentlichkeit zugänglichen Medien (Funk und Fernsehen) geübt hat oder bei Presskonferenzen aus der Masse der übrigen kongolesischen Asylbewerber herausgetreten ist. Weder seine Funktion als Sekretär für Öffentlichkeitsarbeit und Information in der UDPS-..., noch seine Teilnahme an den von ihm im Einzelnen dargestellten Versammlungen der UDPS in ... lassen ihn als ein exponiertes Mitglied der Auslandsorganisation der UDPS erscheinen. In diesen Versammlungen wurden die politische Lage in der DR Kongo, Rechenschaftsberichte über die Arbeit des UDPS-Bundesverbandes, Finanzlage der UDPS diskutiert; dabei kam es immer zu Meinungsaustauschen. Dem Vorbringen des Beigeladenen kann nicht entnommen werden, dass er in seiner Funktion als Sekretär für die Informationsarbeit in der UDPS-... bei diesen Kreisversammlungen herausragende Tätigkeiten übernommen hat. Dies gilt auch für die von ihm vorgetragene Teilnahme an anderen Veranstaltungen der UDPS in Deutschland. Die als Nachweis für seine Teilnahme an diesen Veranstaltungen vorgelegten Einladungen lassen nicht erkennen, dass der Beigeladene für besondere Aufgaben im Rahmen dieser Veranstaltungen vorgesehen war, die ihn aus dem Kreis der zahlreichen in der Bundesrepublik Deutschland exilpolitisch tätigen Kongolesen herausragen lassen.

Gleiches gilt auch für die von ihm verfassten offenen Briefe an den Präsidenten Kabila. Derartige an die Botschaft der DR Kongo übersandte Briefe enthalten politische Auffassungen, wie sie von einer Vielzahl von kongolesischen Staatsangehörigen in Deutschland geäußert werden. Der kritische Inhalt dieser Briefe hebt ihre Verfasser nicht aus der Masse der hier exilpolitisch tätigen kongolesischen Staatsangehörigen heraus.

Auch seine Tätigkeit als Prediger in der Bundesrepublik Deutschland begründet keine hinreichende Wahrscheinlichkeit für eine i. S. d. § 60 Abs. 1 AufenthG politische Verfolgung. Nach der vom Beigeladenen im Berufungsverfahren vorgelegten Mitteilung in der Freien Presse vom 15. Oktober 2002 beschränkt sich, soweit er überhaupt noch tätig ist, seine Tätigkeit als Prediger auf die Vermittlung christlicher Werte, ohne dass dahinter eine politische Aufklärungsarbeit stehen würde. [...]