OVG Nordrhein-Westfalen

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Zitieren als:
OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24.03.2010 - 18 A 2575/07.A - asyl.net: M18592
https://www.asyl.net/rsdb/M18592
Leitsatz:

Zum Widerruf der Asylanerkennung nach § 73 Abs. 1 AsylVfG im Falle einer zuvor festgestellten Gruppenverfolgung von Yeziden in der Türkei.

Schlagwörter: Widerruf, Asylanerkennung, Yeziden, Türkei, Gruppenverfolgung, politische Verfolgung, Flüchtlingsanerkennung, mittelbare Verfolgung, mittelbare Gruppenverfolgung, nichtstaatliche Verfolgung,
Normen: GG Art. 16a, AsylVfG § 73 Abs. 1,
Auszüge:

[...]

Der Widerrufsbescheid des Bundesamtes (A) und die Feststellung des Nichtvorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG (B) sind im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz AsylVfG) rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die hilfsweise begehrte - Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung von Abschiebungsverboten im Sinne von § 60 Abs. 2 bis 5 und 7 AufenthG (C).

Ermächtigungsgrundlage für den Widerruf der Asylanerkennung nach Art. 16a GG ist § 73 Abs. 1 AsylVfG. Diese Bestimmung ist verfassungsgemäß (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. November 2005 - 1 C 21.04 -, DVBl. 2006, 511 = ZAR 2006, 107, mit Hinweis auf Urteil vom 24. November 1992 - 9 C 3.92 -, Buchholz 402.25 § 73 AsylVfG Nr. 1; OVG NRW, Urteil vom 29. Juli 2008 – 15 A 620/07.A - , juris).

Die Widerrufsvoraussetzungen des § 73 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AsylVfG sind gegeben (1.). Der Widerruf ist auch nicht nach § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG ausgeschlossen (2.). Der Kläger kann sich ferner nicht mit Aussicht auf Erfolg auf einen Verstoß gegen das in § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG enthaltene Gebot des unverzüglichen Asylwiderrufs (3.), auf eine Missachtung der in § 73 Abs. 2a AsylVfG vorgegebenen 3-Jahres-Frist (4.) und eine Verletzung der in §§ 49 Abs. 2 Satz 2, 48 Abs. 4 VwVfG niedergelegten Jahresfrist für den Widerruf begünstigender Verwaltungsakte (5.) berufen. [...]

Von den vorstehenden Grundsätzen ausgehend ist der Asylwiderruf gerechtfertigt. Der Kläger ist durch Bescheid vom 9. März 1988 als asylberechtigt anerkannt worden, weil er als Yezide in der Türkei einer dem türkischen Staat zurechenbaren mittelbaren Gruppenverfolgung ausgesetzt war. Die für diese Einschätzung maßgeblichen Verhältnisse haben sich jedoch nachträglich nicht nur vorübergehend mit der Folge geändert, dass spätestens seit 2006 eine Gruppenverfolgung nicht mehr gegeben ist. Eine erneute Gruppenverfolgung der Yeziden in der Türkei ist auf absehbare Zeit mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen und dem Kläger droht auch nicht aus anderen Gründen erneut eine politische Verfolgung i.S.v. Art. 16a GG. [...]

Zur Frage der Gruppenverfolgung von glaubensgebundenen Yeziden in der Türkei hat der 15. Senat des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen in seiner Grundsatzentscheidung (vgl. Urteil vom 14. Februar 2006 – 15 A 2119/02.A –, juris), ausgeführt: [...]

Diese Einschätzung der Verfolgungslage hat der 15. Senat in mehreren Grundsatzentscheidungen vom August 2007 (vgl. etwa Urteil vom 31. August 2007 – 15 A 994/05.A -, juris), wie folgt fortgeschrieben: [...]

An der Einschätzung, dass spätestens seit 2006 eine asylerhebliche Gruppenverfolgung in der Türkei nicht mehr stattfindet, ist unter Berücksichtigung der aktuellen Erkenntnislage festzuhalten (ebenso OVG Niedersachsen, Beschluss vom 24. März 2009 – 2 LB 643/07 -, juris; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 24. Oktober 2007 – 3 L 303/04 -, juris). [...]