VG Saarland

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Zitieren als:
VG Saarland, Urteil vom 16.06.2011 - 6 K 1505/08 - asyl.net: M18713
https://www.asyl.net/rsdb/M18713
Leitsatz:

Rechtmäßiger Widerruf der Flüchtlingsanerkennung aus dem Jahr 2000, da dem Kläger in der Türkei keine politische Verfolgung mehr droht.

1. Angehörige unterliegen bei der Rückkehrerüberprüfung der türkischen Behörden nicht der Gefahr, allein wegen ihrer Verwandtschaft zu PKK-Aktivisten festgenommen und misshandelt zu werden.

2. Nach der neuesten Rechtsprechung des BVerwG (Urteil vom 1.6.2011, 10 C 10.10) gilt in Widerrufsverfahren der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (Änderung der Rechtsprechung).

3. Die Vorstandsmitgliedschaft in exilpolitischen Organisationen wird nicht mehr in jedem Fall als exponiert angesehen (Änderung der Rechtsprechung).

Schlagwörter: Widerruf, Widerrufsverfahren, Türkei, Kurden, PKK, Wahrscheinlichkeitsmaßstab, beachtlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstab, Wegfall der Umstände, Exilpolitik, politische Verfolgung, Rückkehrgefährdung, Sicherheitslage
Normen: AsylVfG § 73 Abs. 1 S. 2, GFK Art. 1 C Nr. 5, RL 2004/83/EG Art. 11 Abs. 1 Bst. e, RL 2004/83/EG Art. 11 Abs. 2
Auszüge:

[...]

Dies zu Grunde gelegt ist der Widerruf der Flüchtlingsanerkennung vorliegend gerechtfertigt.

Die allgemeine Lage in der Türkei hat sich im letzten Jahrzehnt in einer Weise verbessert, dass im konkreten Fall des Klägers - auch unter Berücksichtigung der geltend gemachten exilpolitischen Aktivitäten - keine beachtliche Gefahr von politischer Verfolgung mehr besteht.

Zwar wird übereinstimmend nach wie vor von Defiziten, insbesondere im rechtstaatlichen Bereich, im Bereich der Meinungs- und Pressefreiheit sowie im Bereich der Achtung der Menschenrechte durch die türkischen Sicherheitsbehörden berichtet. Namentlich ist es der Regierung bislang nicht gelungen, Folter und Misshandlung vollständig zu unterbinden. Vor allem beim Auflösen von Demonstrationen kam es bis in jüngste Zeit zu übermäßiger Gewaltanwendung. Es gibt zudem Anzeichen dafür, dass die gesetzgeberischen Schutzinstrumentarien zuweilen unbeachtet bleiben und sogar unterlaufen werden, indem Misshandlungen nicht mehr in den Polizeistationen, sondern an anderen Orten stattfinden. Zudem ist die Ahndung von Misshandlung und Folter noch nicht zufriedenstellend. Auch sind sich alle Auskunftsstellen einig, dass die sog. Kurdenfrage politisch noch nicht gelöst wurde. In den kurdisch geprägten Regionen im Südosten des Landes und den Ballungszentren sind weiterhin Spannungen zu verzeichnen (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 08.04.2011, - 508-516.8013 -, S. 7 ff.; U.S. Department of State, 2010 Human Rights Report: Turkey vom 08.04.2011, www.state.gov/g/drl/rls/hrrnt/2010/eur/154455.htm ; ai, Länderbericht Türkei, Stand: Dezember 2010; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Helmut Oberdiek, Türkei, Update: Aktuelle Entwicklungen, 09.10.2008; Fortschrittsbericht Türkei der EU vom 06.11.2007).

Allerdings wird auch berichtet, dass die gesetzgeberischen und politischen Maßnahmen der letzten Jahre durchaus Veränderungen zum Positiven bewirkt haben. Insoweit kann zunächst auf die zutreffende Zusammenfassung im Bescheid der Beklagten verwiesen werden.

Auch die gesetzlichen und politischen Maßnahmen, insbesondere im Rahmen der "Null-Toleranz-Politik" gegenüber Folter, haben positive Auswirkungen. Abgesehen von der Beendigung des Notstandsregimes, in dessen Folge die Verfahrensgarantien gegenüber den Sicherheitsbehörden in den hiervon betroffenen Gegenden massiv eingeschränkt waren, sind besonders die gesetzlichen Schutzmaßnahmen, wie die Regeln über die Stärkung der Verteidigerrechte, den Zugang zu einem Rechtsbeistand, die zeitlichen Vorgaben bis zur obligatorischen Vorführung eines Festgenommenen vor ein Gericht, die Regeln über die ärztliche Untersuchung eines Festgenommenen und die Straferhöhung für Foltertäter zu nennen (vgl. Fortschrittsbericht der EU, a.a.O., S. 14 und 21; Auswärtiges Amt, Lagebericht, a.a.O.; European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (CPT), Bericht vom 06. September 2006, S. 11 f., www.cpt.coe.int/documents/tur/2006-30-inf-eng.pdf).

Es hat inzwischen auch eine vielbeachtete Verurteilung von Polizisten zu hohen Haftstrafen stattgefunden, die den Tod eines Festgenommenen gewaltsam verursacht hatten (vgl. ai, Länderbericht, a.a.O., S. 9).

Erst kürzlich fand ein Verfassungsreferendum statt, das weitere Fortschritte vorsieht. Es wurde ein Ombudsmannsystem installiert und eine Individualbeschwerdemöglichkeit vor dem Verfassungsgericht eingeführt. Das Verfassungsgericht wurde zudem mit der Gerichtsbarkeit auch gegenüber den Oberbefehlshabem des Militärs, welche bislang vor den Zivilgerichten fehlte, betraut (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht, a.a.O., S. 6).

Auch hat sich die allgemeine Sicherheitslage in den Kurdengebieten im Südosten der Türkei verbessert. Das Notstandsregime, das in 13 Provinzen galt, wurde mit der Aufhebung des Notstands in der letzten Notstandsprovinz Diyarbakir im November 2002 beendet. Ein Teil der abgewanderten oder infolge der militärischen Maßnahmen zur Bekämpfung der PKK zwangsevakuierten Bevölkerung beginnt, in die Heimat zurückzukehren (vgl. Informationszentrum Asyl und Migration, Glossar islamische Länder, Band 23 Türkei, S. 29).

Die Regierung hat erkannt, dass die Probleme im Südosten nicht allein mit militärischen Mitteln überwunden werden können. So wurden außer der geplanten wirtschaftlichen Aufbauhilfe für die strukturschwachen Gebiete im Südosten im Rahmen des Programms zur Demokratischen Öffnung, das derzeit allerdings zum Stillstand gekommen ist, der kurdischen Bevölkerung kulturelle Rechte in Bezug auf die kurdische(n) Sprache(n) eingeräumt, wie Fernsehsendungen auf Kurdisch und Lehr- und Studienangebote für die kurdische Sprache (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht, a.a.O., S. 11, 12).

Insgesamt hat sich die Härte des Einsatzes der Sicherheitskräfte, die bei ihrem Kampf gegen die PKK die Bevölkerung vor allem im Südosten ganz erheblich in Mitleidenschaft gezogen hatten, in den letzten Jahren verringert, auch wenn es gerade in der Provinz Diyarbakir weiterhin zu Spannungen kommt, dort von Menschenrechtsorganisationen kritisch bewertete Massenprozesse wegen des Verdachts der PKK-Unterstützung geführt und Versammlungen gewaltsam aufgelöst werden, wobei sich festgenommene - zum Teil auch jugendliche - Teilnehmer infolge einer extensiven verbindlichen Auslegung der Regeln über die Mitgliedschaft in einer verbotenen Organisation durch den Kassationsgerichtshof zum Teil horrenden Strafandrohungen gegenüber sehen (vgl. Zusammenfassendes Protokoll der Gesprächsreise von Rechtsanwalt Tahir Elci im Juni 2010; Auswärtiges Amt, Lagebericht, a.a.O., S. 8, 9).

Auch die Vorgehensweise der Sicherheitskräfte gegen Familienangehörige von Verdächtigen hat sich in den letzten Jahren entspannt. Seit Beginn der 2000-er Jahre kann eine Praxis, wie in der Zeit bis Ende der neunziger Jahre, in denen es vornehmlich in den Spannungsgebieten im Südosten, aber auch anderenorts, nicht unüblich war, Familienangehörige auf verschiedene Weise zu behelligen, nicht mehr in vergleichbarem Ausmaß festgestellt werden (vgl. Kamil Taylan, Gutachten an VG Frankfurt/Oder vom 26. Juni 2004; derselbe, Gutachten an VG Wiesbaden vom 29.05.2006; Osman Aydin, Gutachten an VG Aachen vom 04.08.2004; derselbe, Gutachten an VG Wiesbaden vom 16.06.2006; vgl. auch Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 29.06.2007, Serafettin Kaya, Gutachten an VG Wiesbaden vom 11.06.2006).

Diese Veränderungen sind als dauerhaft einzustufen, auch wenn, wie dargelegt, die rechtstaatlichen und menschenrechtlichen Standards in verschiedener Hinsicht nicht denen Westeuropas entsprechen. Der Reformprozess dauert inzwischen schon ein knappes Jahrzehnt an und wird prinzipiell weiter geführt. Die Türkei strebt nach wie vor eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union an und hat sich daher den sog. Kopenhagener Kriterien unterworfen. Der Reformprozess unterliegt insofern einer Kontrolle als die Europäische Union turnusgemäß über die erreichten Fortschritte berichtet und den Fortschrittsbericht veröffentlicht.

Auf Grund der durch die dargelegten Veränderungen bewirkten Entspannung der Situation erscheint es angesichts des Umstands, dass der Kläger vor seiner Ausreise keine Unterstützungshandlungen zu Gunsten der PKK bzw. sonstiger linker Organisationen vorgenommen hat, vielmehr die erlittenen Repressalien ausschließlich durch seine familiären Beziehungen geprägt waren und der Tatsache, dass seit den fraglichen Ereignissen inzwischen fast zwei Jahrzehnte vergangen sind, nicht beachtlich wahrscheinlich, dass der Kläger im Falle einer Rückkehr in die Türkei erneut polizeiliche oder sonstige behördliche Maßnahmen von asylerheblicher Intensität befürchten muss. Vielmehr ist in den letzten Jahren kein Fall bekannt geworden, in dem ein aus Deutschland in die Türkei zurückgekehrter Asylbewerber im Zusammenhang mit früheren Aktivitäten gefoltert oder misshandelt worden wäre (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht, a.a.O., S. 27).

Auch dem Gutachter Kamil Taylan sind keine aktuellen Verfahren gegen in die Türkei zurückgekehrte Personen bekannt, die - insoweit sogar anders als der Kläger - bis Ende der 90-er Jahre in den Verdacht geraten sind, die PKK mit Bedarfsartikeln, Beherbergung oder Ähnlichem unterstützt zu haben und deswegen Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt waren. Die Gefahr von asylerheblichen Übergriffen in diesem Zusammenhang schätzt er im Falle einer Rückkehr in die Türkei als gering ein (vgl. Kamil Taylan, Gutachten an das OVG des Saarlandes vom 11.02.2011).

Damit vergleichbar hält auch der Gutachter Serafettin Kaya die Gefahr für eine im Jahr 1995 wegen der Unterstützung der TDKP in Verdacht geratene Person, die nicht verurteilt worden war, im Falle einer Rückkehr nicht für beachtlich wahrscheinlich (vgl. Serafettin Kaya, Gutachten an OVG NRW vom 09.06.2009).

Demgegenüber führt amnesty international zwar aus, dass eine in den 90-er Jahren unter Verdacht der PKK-Unterstützung geratene Person der Gefahr von Misshandlungen unterliegen kann, wenn ein Eintrag oder ein polizeilicher Suchbefehl gegen sie vorliegt. Wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass die bei der Einreise von ehemaligen Asylbewerbern routinemäßig vorgenommene Anfrage bei den Polizeibehörden des Heimatortes zu einer für den Einreisenden negativen Auskunft führt, konnte dabei allerdings nicht beurteilt werden (vgl. ai, Gutachten an OVG des Saarlandes vom 31.01.2011).

Da die beiden vorgenannten Gutachter die Gefahr asylerheblicher Übergriffe auf Personen, die - anders als der Kläger - in den 90-er Jahren wegen Unterstützung der PKK Repressalien ausgesetzt waren, für wenig wahrscheinlich eingestuft haben, kann aus der Auskunft von amnesty international eine beachtliche Wahrscheinlichkeit von asylerheblichen Übergriffen nicht hergeleitet werden. Der Gutachter Kaya hat in seinem Gutachten zudem ausgeführt, dass er die Gefahr einer Registratur als verdächtige Person bei Strafverdachtsfällen der genannten Art nicht für wahrscheinlich hält (vgl. Kaya, Gutachten an OVG NRW, a.a.O., S. 4).

Zudem hält auch amnesty international die Gefahr einer gerichtlichen Verfolgung wegen der früheren Aktivitäten für gering, so dass ein diesbezüglicher Vermerk keinesfalls wahrscheinlich erscheint.

Eine Gefahr von asylerheblichen Übergriffen auf den Kläger wegen seiner Verwandtschaft zu besteht - wie bereits aufgezeigt - auch nicht im Rahmen der Rückkehrerüberprüfung. Zurückkehrende Verwandte unterliegen bei der Rückkehrerüberprüfung nicht der Gefahr, allein wegen ihrer Verwandtschaft zu PKK-Aktivisten festgenommen und misshandelt zu werden. Nach den dem Gericht vorliegenden und bereits oben zitierten Gutachten zugrundeliegenden Fallgestaltungen gilt dies grundsätzlich auch für enge Verwandte von Guerillaangehörigen oder ansonsten exponierten PKK-Angehörigen. Dabei ist vorliegend noch zu berücksichtigen, dass der Vater des Klägers, ..., von dem der Kläger die (angebliche) sippenabhängige Gefährdung maßgeblich herleitet, bereits vor Jahren freiwillig wieder in die Türkei zurückgekehrt ist. Soweit der Kläger im vorliegenden Widerrufsverfahren behauptet, sein Vater sei nach wie vor in der Türkei erheblichen Repressalien wie Festnahmen und Verhören ausgesetzt und sei am 31.12.2009 erneut inhaftiert worden, so ist das diesbezügliche Vorbringen in keiner Weise belegt oder glaubhaft gemacht worden. Insbesondere hat der Kläger nicht weiter konkrete und für das Gericht damit evtl. überprüfbare Einzelheiten dargetan, z.B. wo sein Vater inhaftiert ist, ob er überhaupt noch in Haft gehalten wird oder ob es nicht nur eine kurze, vorübergehende Festnahme war, ob ein Gerichtsverfahren gegen seinen Vater anhängig ist u.ä. Angesichts der aufgezeigten völlig fehlenden Konkretisierung der angeblichen Verhaftung seines Vaters bestehen erhebliche Zweifel an dem diesbezüglichen Vorbringen des Klägers. Darüber hinaus kann - selbst wenn das Vorbringen als zutreffend und richtig unterstellt wird - allein aus der Festnahme des ... sowie der beiden Brüder des Klägers ohne Vorliegens weiterer konkreter Anhaltspunkte nicht automatisch geschlossen werden, dass auch der Kläger einer Verfolgungsgefahr im Falle einer Rückkehr in die Türkei allein aufgrund seiner Familienzugehörigkeit ausgesetzt wäre.

Der Kläger hat sich durch seine politische Betätigung in der Bundesrepublik Deutschland auch nicht in einer Weise exponiert, dass trotz des nach all dem nur wenig wahrscheinlichen Interesses der Sicherheitsbehörden an seiner Person eine beachtliche Gefahr asylerheblicher Übergriffe im Falle seiner Rückkehr besteht.

Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer besteht eine beachtliche Wahrscheinlichkeit politischer Verfolgung wegen politischer Auslandsaktivitäten nur für Personen, die sich in besonderem Maße exilpolitisch in herausgehobener Funktion und publizitätsträchtig namentlich für die PKK oder ihr nahestehende Organisationen exponiert haben (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes, a.a.O., S. 18; Urteil der Kammer vom 24.11.2006, - 6 K 26/06.A -).

Die im Widerrufsverfahren von dem Kläger angeführte, seit 2008 bestehende Mitgliedschaft in der Kurdischen Gemeinde Saarland e.V. sowie seine Wahl im gleichen Jahr in den Vorstand des Vereins als Beauftragter für den Sport- und Kulturbereich, weisen ihn nicht als exponiertes Mitglied der der PKK nahe stehenden kurdischen Szene im Saarland aus. Eine herausgehobene Stellung innerhalb der PKK-nahen Strukturen kann in seinem Fall aus dieser Funktion nicht abgeleitet werden. Zum Einen hat die Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung und dem Verfahren 6 K 1645/08 ergeben, dass die Funktion als Vereinsvorstandsmitglied nicht notwendig identisch ist mit der Eigenschaft als "Kontaktperson" zu den illegalen Kadern der verbotenen PKK-Struktur in Deutschland und dass auch nicht jeder Vereinsfunktionär zwingend ein sog. Aktivist oder eine potentielle Vertrauensperson der PKK ist. Zum Anderen hat der Kläger sich nachdrücklich darauf berufen, nicht zu dem letztgenannten Personenkreis zu gehören bzw. gehört zu haben. Seine im Rahmen seiner Funktion für den Verein entfalteten Aktivitäten beliefen sich seinen Angaben zufolge ausschließlich auf die Teilnahme an den Vorstandssitzungen, einer einmaligen Anmeldung einer Informationsveranstaltung bei der Landeshauptstadt Saarbrücken und die Betreuung des dem Verein nahestehenden Fußballvereins FC ... Von den Strukturen, die der Saarländische Verfassungsschutz in seinem Bericht vom 27.09.2010 geschildert hat und den Berührungspunkten zwischen der illegalen PKK-Struktur in Deutschland und dem Verein hatte der Kläger nach eigenen Angaben keine Kenntnis. Für politische Aktivitäten von untergeordneter Bedeutung gibt es indessen keine Anhaltspunkte, dass die türkischen Behörden deswegen auf die betreffenden Personen zugreifen, wenn sie in ihr Heimatland zurückreisen. Angesichts der allenthalben berichteten breiten Überwachungstätigkeit der türkischen Auslandsdienste (vgl. Zusammenfassendes Protokoll der Gesprächsreise Elci, a.a.O., S. 5), die auch der Zeuge in der mündlichen Verhandlung nochmals betonte hat, ist davon auszugehen, dass bei einer Beobachtung auch auffällt, wer eine exponierte Position innehat und wer nicht.

Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger aus einem anderen Grund politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit gewärtigen muss, bestehen ebenfalls nicht. Insbesondere begründet seine kurdische Volkszugehörigkeit keine politische Verfolgungsgefahr von beachtlicher Wahrscheinlichkeit. Nach der ständigen Rechtsprechung der saarländischen Verwaltungsgerichtsbarkeit ist davon auszugehen, dass Kurden keiner landesweiten Gruppenverfolgung unterliegen. Ihnen ist jedenfalls in den westlichen Teilen der Türkei, insbesondere in den dortigen Großstädten, grundsätzlich ein Leben ohne Verfolgung möglich, wo sie auch eine hinreichende Existenzgrundlage finden können (vgl. dazu etwa Urteile der Kammer vom 29.09.1994, - 6 K 841/90 -; vom 11.07.1996, - 6 K 49/92.A -, und 19.03.1998, - 6 K 489/98.A -; ebenso OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 21.09.1994, - 9 R 82/93 -; vom 22.09.1994, - 9 R 834/94 -; vom 06.02.1998, - 9 Q 180/96 -, und vom 05.03.1999, - 9 Q 284/98 -; sowie Urteile vom 07.02.1996, - 9 R 168/93 -, und vom 03.12.2004, - 2 R 2/04 -).

Schließlich stehen auch die Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 Satz 3 einem Widerruf vorliegend nicht entgegen. Diese Vorschrift soll besonders gelagerte Einzelfälle erfassen, in denen aus zwingenden humanitären Gründen, die ihre Ursache in der erlittenen Verfolgung haben, eine Rückkehr trotz der veränderten Umstände wegen des besonders schweren, nachhaltig wirkenden Flüchtlingsschicksals unzumutbar ist (vgl. Schäfer, in: Gemeinschaftskommentar zum Asylverfahrensgesetz, Loseblattausgabe, zu § 73, Rz. 58, 59).

Hierfür ist dem tatsächlichen Vorbringen des Klägers sowohl im Asylerstverfahren als auch im Widerrufsverfahren nichts zu entnehmen.

Da nach all dem der Widerruf schon in Folge der sogenannten "Wegfall der Umstände-Klausel" aus Art. 1 C Nr. 5 GFK, Art. 11 Abs. 1 und 2 EGRL 83/2004 und § 73 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG gerechtfertigt ist, bedarf die Frage keiner Vertiefung, ob der Widerruf auch wegen der nachträglichen Erfüllung eines Ausschlusstatbestandes aus § 3 Abs. 2 AsylVfG gerechtfertigt wäre. [...]