VG Regensburg

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Zitieren als:
VG Regensburg, Beschluss vom 24.06.2011 - RO 7 E 11.30281 - asyl.net: M18730
https://www.asyl.net/rsdb/M18730
Leitsatz:

Eilrechtsschutz gegen Dublin-Überstellung nach Malta.

1. Es ist zwar nicht ersichtlich, dass eine Überstellung tatsächlich vorbereitet wird. Aufgrund der Zustellungspraxis des BAMF in Dublin-Verfahren besteht jedoch bereits jetzt ein Rechtsschutzbedürfnis für den Erlass einer einstweiligen Anordnung.

2. Angesichts der aktuellen Situation von Flüchtlingen auf Malta bestehen Anhaltspunkte dafür, dass die Verpflichtungen aus der GFK und der EMRK nicht erfüllt werden.

Schlagwörter: Dublin II-VO, Dublinverfahren, vorläufiger Rechtsschutz, einstweilige Anordnung, Malta, Fingerabdrücke, Mitwirkungspflicht, Betreibensaufforderung, sichere Drittstaaten, Selbsteintritt, Ermessen, subjektives Recht, Humanitäre Klausel, Aufnahmebedingungen, Überstellungsfrist
Normen: AsylVfG § 27a, AsylVfG § 34a Abs. 2, VwGO § 123, VO 343/2003 Art. 20 Abs. 1 Bst. c, AsylVfG § 26a Abs. 2, GG Art. 16a Abs. 2, VO 343/2003 Art. 3 Abs. 2, VO 343/2003 Art. 20 Abs. 2
Auszüge:

[...]

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist statthaft, weil ein gemäß § 123 Abs. 5 VwGO vorrangiger Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht in Betracht kommt. Ein Verwaltungsakt, gegen den ein Rechtsbehelf eingelegt werden kann und dessen aufschiebende Wirkung vom Gericht angeordnet werden könnte, liegt bisher nicht vor. Es besteht auch ein Rechtsschutzbedürfnis. Das Bundesamt hat das Übernahmeverfahren eingeleitet. Im Hinblick auf den Ablauf der Frist nach Art. 20 Abs. 1 Buchst. c) der Dublin-II-VO, den EURODAC-Treffer und den eigenen Vortrag des Antragstellers ist nicht damit zu rechnen, dass Malta der Übernahme noch widersprechen wird. Aus dem vorgelegten Behördenakt ist zwar nicht ersichtlich, dass eine Überstellung tatsächlich vorbereitet worden ist. Nach der hier bekannten Praxis des Bundesamts erhält der Betroffene neben der Mitteilung, dass die Bearbeitung im Dublin-Referat erfolgt, üblicherweise aber keine weiteren Mitteilungen über den Stand des Verfahrens. Die Abschiebungsanordnung wird regelmäßig gemäß § 31 Abs. 1 Satz 3 und 4 AsylVfG dem Ausländer selbst erst bei Einleitung der Abschiebung durch die Ausländerbehörde zugestellt. Wird Abschiebungshaft nicht beantragt, ist mit der Bekanntgabe demnach erst am Tag der Überstellung zu rechnen, so dass effektiver Rechtsschutz nicht mehr möglich ist. Die in Dublin-Verfahren inzwischen übliche Praxis, dass bestellte Bevollmächtigte sich durch regelmäßige Akteneinsicht über die Fertigung eines Bescheidsentwurfs informieren, ist angesichts der sehr unterschiedlichen Bearbeitungszeiträume im Dublin-Referat des Bundesamts und im Drittstaat zum einen mit dem hohen Risiko behaftet, dass der Zeitpunkt für die rechtzeitige Beantragung vorläufigen Rechtsschutzes verpasst wird. Zum anderen ist nicht ausgeschlossen, dass die üblicherweise ohnehin nicht individuell begründeten Bescheide kurzfristig gefertigt werden. Im Übrigen ist der Berichterstatterin aus einem anderen Verfahren bekannt, dass Vorgänge aus dem Dublin-Verfahren offenbar nicht immer zur elektronischen Akte eines Antragstellers gelangen. Hier wurde die Anfrage des Bevollmächtigten vom 30.5.2011, ob Rücküberstellungsmaßnahmen beabsichtigt seien, nicht beantwortet. Der Antragsteller musste daher jederzeit mit Durchführung der Abschiebung rechnen, so dass im Zeitpunkt der Antragstellung ein Rechtsschutzbedürfnis gegeben war. Da auch der gestellte Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz die Antragsgegnerin nicht zu der Mitteilung veranlasst hat, dass die eingeleiteten Überstellungsmaßnahmen nicht abgeschlossen werden sollen und die Überstellung nicht mehr tatsächlich beabsichtigt ist, ist dieses weiterhin gegeben. [...]