VG Düsseldorf

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Zitieren als:
VG Düsseldorf, Beschluss vom 08.03.2011 - 7 L 1520/10 - asyl.net: M18760
https://www.asyl.net/rsdb/M18760
Leitsatz:

Ausweisung eines Ausländers aufgrund der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe u.a. wegen Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung.

Schlagwörter: einstweiliger Rechtsschutz, vorläufiger Rechtsschutz, Straftat, terroristische Vereinigung, Unterstützung, Ausweisung, Terrorismus, Al Quaida, Islamisten, gegenwärtige Gefahr der öffentlichen Ordnung, gegenwärtige Gefährlichkeit, Ägypten,
Normen: AufenthG § 53 Nr. 1, VwGO § 80 Abs. 5, VwGO § 80 Abs. 5 S. 1, AufenthG § 54 Nr. 5, StGB § 129a Abs. 5 S. 1 1. Alt., StGB § 129a, StGB § 129a Abs. 5, GG Art. 6 Abs. 1, EMRK Art. 8 Abs. 1, GG Art. 6, EMRK Art. 8,
Auszüge:

[...]

I. Der Antragsgegner hat die Ausweisung im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. BVerwG, Urteile vom 15. November 2007 – 1 C 45.06 – Rz. 20, und vom 13. Januar.2009 1 C 2.08 -, AuAS 2009, 110, 112f, InfAuslR 2009, 227ff,) auf einschlägige Ausweisungsgründe gestützt, den dem Antragsteller zukommenden Ausweisungsschutz beachtet und sein ihm eröffnetes Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung und unter Beachtung der gesetzlichen Grenzen ausgeübt.

Mit der Ergänzung seiner Ordnungsverfügung vom 11. Oktober 2010 hat der Antragsgegner die Ausweisung zutreffend auch auf § 53 Nr. 1 AufenthG gestützt. Danach wird ein Ausländer ausgewiesen, wenn er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Mit der Verurteilung durch das OLG Düsseldorf vom 4. Februar 2010 zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten (Urteil vom 4. Februar 2010, - III-2 STs 1/09 -) wegen Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit Betrug in neun sowie mit versuchtem Betrug in neunzehn tateinheitlichen Fällen (Schuldausspruch aus dem Revisionsurteil des BGH vom 14. August 2009, - 3 StR 552/08 -, NJW 2009, 3448ff, NStZ 2010, 44ff und StV 2009, 675ff, auf das Urteil des OLG Düsseldorf vom 5. Dezember 2007, - III-VI 10/05 - ), die in Rechtskraft erwachsen ist (Beschluss des BGH vom 20. Juli 2010, - 3 StR 202/10 -), hat der Antragsteller den Ausweisungsgrund verwirklicht. Die abgeurteilten Straftaten sind ausnahmslos Vorsatzdelikte (§§ 129a Abs. 5 S. 1 1. Alt., 263 Abs. 1 und 2 StGB). Der Rechtskraft dieser Verurteilung steht nicht entgegen, dass der Antragsteller hiergegen Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht (Az: 2 BvR 2500/09) erhoben hat, die noch nicht entschieden ist. Denn die Verfassungsbeschwerde ist kein die Rechtskraft hemmendes Rechtsmittel nach dem dritten Buch der StPO. Das Gericht erachtet auch eine Aussetzung des Verfahrens nach § 94 VwGO bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, wie vom Antragsteller angeregt, als untunlich und nicht sachgerecht, weil die dort gerügte angebliche Nichtverwertbarkeit von Protokollen aus der Wohnraumüberwachung eines Mitangeklagten unter Berücksichtigung der Ausführungen im Urteil des BGH vom 14. August 2009 (3 StR 552/08 , NJW 2009, 3448ff, NStZ 2010, 44ff und StV 2009, 675ff.) jedenfalls nicht auf ein offensichtliches strafgerichtliches Fehlurteil (zu diesem Sonderfall: Beichel-Benedetti in Huber AufenthG § 53 Rz. 2 unter Berufung auf: BVerwG, Buchholz, 402.240 § 47 AuslG 1990 Nr. 6) führt. Gleiches gilt für die Rügen hinsichtlich der Auslegung des Schadensbegriffs bezüglich der abgeurteilten Betrugstaten.

Darüberhinaus hat der Antragsgegner die Ausweisung in der angefochtenen Ordnungsverfügung zu Recht auch auf § 54 Nr. 5, 2. Alt. AufenthG gestützt. Nach dieser Vorschrift wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er eine Vereinigung unterstützt hat, die den Terrorismus unterstützt, soweit diese Unterstützungshandlungen eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen. Die Schlussfolgerung, dass der Ausländer Unterstützer einer entsprechenden Vereinigung ist, muss sich dabei auf Tatsachen stützen. Der bloße nicht durch Tatsachen belegte Verdacht reicht dagegen nicht aus. Es müssen vielmehr hinreichend belastbare Feststellungen von Seiten der Ausländerbehörde dargelegt werden, die eine geeignete Erkenntnisbasis für die Prognoseentscheidung und die Gefahrbeurteilung darstellen können. (BayVGH vom 25. Oktober 2005, - 24 CS 05.1716 -, NVwZ 2006, 227ff.) Unterstützungshandlungen müssen daher konkret bezeichnet sein. Nach dem Wortlaut des Gesetztes bedarf es aber nicht des unmittelbaren Nachweises (BayVGH vom 22. Februar 2010, - 19 B 09.929 -, juris Rz. 54). [...]

Nach Maßgabe dieser Grundsätze hat der Antragsgegner in der angefochtenen Ordnungsverfügung die Ausweisung sowohl nach der damaligen – zum Zeitpunkt des Erlasses der Ordnungsverfügung - Kenntnis der Unterstützung der Al Qaida durch den Antragsteller zu Recht verfügt, als auch im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung unter Berücksichtigung der rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung durch das OLG Düsseldorf vom Urteil vom 4. Februar 2010 - III-2 STs 1/09 - das Vorliegen des Tatbestands des § 54 Nr. 5 AufenthG rechtmäßig bejaht. Der Antragsteller hat entsprechend dem bereits durch die Wohnraumüberwachung des Mitangeklagten erkennbaren Tatplan (vgl. nur Vermerk des PP Mainz vom 29.12.2004, Beiakte Ordner 74, Bl. 34ff) vielfach Lebensversicherungen abgeschlossen, aus denen durch einen beabsichtigten fingierten Verkehrsunfalltod des Antragstellers in Ägypten die betrügerisch erlangten Versicherungssummen zur Absicherung seiner nahen Verwandten und in Teilsummen zur Unterstützung des bewaffneten Jihad verwendet werden sollten. Die von den Lebensversicherungen bereits garantierte Summe belief sich auf 1.264.092, Euro, die Antragssumme sogar auf 4.325.958,- Euro (OLG Düsseldorf, Urteil vom 5. Dezember 2007, Beiakte Ordner 116, Bl. 1-370; Beiakte Heft 5, Bl. 395). [...]

Nach diesen Grundsätzen ist eine gegenwärtige Gefährlichkeit des Antragstellers gegeben. Entsprechend dem Tatplan, dessen Umsetzung der Antragsteller zum Zeitpunkt seiner Festnahme am 23. Januar 2005 bereits weit vorangetrieben hatte, war der Antragsteller bereit sein Leben und die Familie in Deutschland unwiderruflich aufzugeben und nach dem fingierten Verkehrsunfalltod in Ägypten möglicherweise sogar den "Märtyrertod" im Irak zu suchen. Dies kann vor dem Hintergrund, dass es ihm erst am 3. Dezember 2004 gelungen war eine deutsche Staatsangehörige zu ehelichen und damit einen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis in Deutschland mit der Perspektive eines gesicherten Aufenthalts für seine weiteren Pläne zu erwerben, nicht überbewertet werden. Wie planvoll diese Eheschließung gezielt nach der erst zum 4. November 2004 erfolgten Einbürgerung seiner Braut erfolgte, lässt sich einem Brief an seinen Bruder entnehmen (Beiakte Ordner 59 Bl. 164). [...]

Für alle verwirklichten Ausweisungstatbestände hat der Antragsgegner in der angefochtenen Ordnungsverfügung in Gestalt seiner Ergänzung den dem Antragsteller zukommenden Ausweisungsschutz berücksichtigt. Nach § 56 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG genießt ein Ausländer, der mit einem deutschen Familienangehörigen in familiärer Lebensgemeinschaft lebt, besonderen Ausweisungsschutz. Der Antragsteller lebt nach übereinstimmenden Angaben aller Beteiligten mit seiner am 9. September 2009 geehelichten Frau T - deutsche Staatsangehörige - in ehelicher Lebensgemeinschaft. In diese Lebensgemeinschaft ist auch das am 19. September 2010 geborene gemeinsame Kind B, ebenfalls deutscher Staatsangehörigkeit, aufgenommen worden. Zutreffend hat der Antragsgegner die sich aus dem bestehenden Ausweisungsschutz ergebende Rechtsfolge, über die Ausweisung im Ermessen zu entscheiden, erkannt. Nach § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG führt der Ausweisungsschutz dazu, dass der Ausländer nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen wird, die in der Regel in den Fällen der §§ 53 und 54 Nr. 5, 5a und 7 vor liegen. Eine sogenannte Ist-Ausweisung nach § 53 wird zur Regelausweisung herabgestuft, eine Regelausweisung nach § 54 ist nach Ermessen zu entscheiden. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Herabstufung von Regelausweisungen zur Ermessensausweisung in Fällen, in denen der Schutzbereich von Art. 6 GG oder Art 8 EMRK berührt ist (Urteil vom 23.10.2007, - 1 C 10.07 -, BVerwGE 129, 367-381 = InfAuslR 2008, 116-122 u.a.) durfte der Antragsgegner beanstandungsfrei die auf unterschiedliche Ausweisungsgründe gestützte Ausweisung insgesamt nach Ermessen entscheiden. Denn auch vorliegend kann im Hinblick auf den wegen des Ausweisungsschutzes zur Regelausweisung herabgestuften Ausweisungstatbestand nach § 53 AufenthG unter Berücksichtigung des bereits nahezu vierzehnjährigen Aufenthalts in Deutschland sowie seiner familiären Bindungen, nicht nur in Bezug auf seine im Haushalt lebende Kernfamilie, von einer Berührung der Schutzbereiche der vorgenannten Vorschriften im Sinne dieser Rechtsprechung ausgegangen werden. Ob der Antragsgegner dies in seiner Ergänzungsverfügung vom 11. Oktober 2010 hinreichend erkannt hat, kann vor dem Hintergrund der in der Ausgangsverfügung getroffenen Ermessenentscheidung, an der der Antragsgegner explizit festhält, offenbleiben. Die Einschlägigkeit einer Ermessens-entscheidung im Hinblick auf den Ausweisungsgrund nach § 54 Nr. 5 AufenthG ergibt sich bereits aus dem tatbestandlichen Vorliegen des Ausweisungsschutzes nach § 56 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG. Die Ausweisung wurde auch auf schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gestützt. Mit der Verurteilung wegen der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung, die der Antragsgegner auch insoweit zu Grunde legen darf (OVG NRW Urteil vom 17. Juli 2007, - 18 A 1465/05 -, DVBl. 2007, 392 (Ls.), NRWE) sind hinreichend schwerwiegende Gründe dargetan, insoweit liegen auch keine Anhaltspunkte vor, die nahelegten von einem atypischen Fall auszugehen. [...]