1. Eine auf einer vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unrichtig übersetzten Rechtsbehelfsbelehrung beruhende Fristversäumnis hat der Asylbewerber nicht zu vertreten.
2. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge kann die deutsche Fassung der Belehrung nicht entgegen der Pflicht zur Übersetzung aus § 31 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG für verbindlich erklären.
(Amtliche Leitsätze)
[...]
Die nach § 152 a Abs. 1 Nr. 2 VwGO erhobene Anhörungsrüge ist zulässig und auch begründet. Die Einzelrichterin hat den Anspruch des Antragstellers auf rechtliches Gehör durch den angegriffenen Beschluss in entscheidungserheblicher Weise verletzt.
Das in Art. 103 GG verankerte Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. De Vorschrift ist verletzt, wenn sich im Einzelfall ergibt, dass das Gericht tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung nicht erwogen hat (vgl. u.a. BVerfG, B. v. 04.08.2004 - 1 BvR 1557/01 -, NVwZ 2005, 81).
Gemessen an diesem Maßstab, hat das Gericht den Vortrag des Antragstellers, dass die Fristversäumung zur Erhebung der Klage und des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO, darauf beruhte, dass in der dem Bescheid vom 22.02.2011 in deutscher Sprache von der Antragsgegnerin beigefügten in Urdu übersetzten Rechtsmittelbelehrung als Frist für die Erhebung der Klage und eines Eilantrags zwei Wochen angegeben waren, nicht hinreichend berücksichtigt, so dass ein Verstoß gegen Art. 103 GG vorliegt, der auch entscheidungserheblich war, da der Antrag wegen Fristversäumnis als unzulässig zurückgewiesen wurde. Das Verfahren war daher fortzusetzen.
Danach ist der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nunmehr zulässig, da dem Antragsteller auf seinen Antrag hin wegen Versäumung der Antragsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 80 Abs. 5 VwGO zu gewähren ist, da er die Fristversäumnis nicht zu vertreten hat. Nach § 31 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG hat das Bundesamt, soweit kein Bevollmächtigter bestellt ist, der schriftlichen Entscheidung über den Asylantrag eine Übersetzung der Entscheidungsformel und der Rechtsbehelfsbelehrung in einer Sprache beizufügen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann. Entsprechend dieser Verpflichtung wurde dem Bescheid vom 02.02.2011 u.a. die Rechtsbehelfsbelehrung in Urdu beigefügt. Diese Rechtsmittelbelehrung war insoweit unrichtig, als nicht die Frist der §§ 74 Abs. 1, 36 Abs. 3 AsylVfG von einer Woche für die Klageerhebung und Stellung des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO angegeben wurde, sondern die Frist von zwei Wochen, die nach § 74 Abs. 1 1. Hs. AsylVfG nur in den Fällen gilt, in denen der Asylantrag nicht als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden ist. Diese damit falsche Rechtsbehelfsbelehrung, an der sich der Antragsteller orientiert hat, ist von diesem nicht zu vertreten. Ein nicht deutsch sprechender Asylantragsteller muss sich auf die Richtigkeit der dem amtlichen Bescheid beigefügten in seine Heimatsprache übersetzten Rechtsmittelbelehrung verlassen können. Das Bundesamt kann nicht mit dem Einwand gehört werden, dass auf dem beigefügten Zettel der Hinweis enthalten sei, dass ausschließlich die deutsche Rechtsmittelbelehrung maßgeblich sei. Denn insoweit handelt es sich nicht um eine "freiwillige" Leistung der Antragsgegnerin, sondern dieser folgt mit der Übersetzung der gesetzlichen Pflicht aus § 31 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG, so dass ein Ausländer Fehler der Übersetzung, die zu einer Fristversäumnis führen, nicht im Sinne des § 60 Abs. 1 VwGO zu vertreten hat. Der danach zulässige Antrag ist auch begründet. Bei der im Rahmen des Aussetzungsverfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Vollzugsinteresse und dem privaten Interesse des Betroffenen an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage überwiegt vorliegend das private Aussetzungsinteresse, weil ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen (§ 36 Abs. 4 Satz 1 des Asylverfahrensgesetzes -AsylVfG-). Das Bundesamt hat den Antragsteller zu Unrecht zur Ausreise binnen einer Woche aufgefordert.
Gemäß §§ 34 Abs. 1, 36 Abs. 1 AsylVfG ist der Ausländer zur Ausreise innerhalb einer Frist von einer Woche verpflichtet, wenn das Bundesamt seinen Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt hat und wenn er nicht im Besitz einer Aufenthaltsgenehmigung ist. In diesem Falle erlässt das Bundesamt nach § 34 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. § 59 AufenthG eine Abschiebungsandrohung unter Bestimmung einer Ausreisefrist von einer Woche. Diese Voraussetzungen liegen in der Person des Antragstellers zwar vor. Er besitzt keine Aufenthaltsgenehmigung und das Bundesamt hat seinen Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Weiter hat das Bundesamt festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG offensichtlich nicht und Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen.
Aus § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG folgt jedoch, dass der auf Schutz vor Abschiebung gerichtete Antrag des Asylsuchenden auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes immer dann Erfolg haben und sein Aufenthalt gemäß § 37 Abs. 2 AsylVfG jedenfalls bis zur unanfechtbaren Ablehnung seines Asylbegehrens gestattet werden muss, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen, insbesondere wenn sich der Asylantrag im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abweichend von der Einschätzung des Bundesamtes nicht als offensichtlich unbegründet darstellt. Das Gericht hat bei der Prüfung, ob die - nicht im Ermessen stehende - Offensichtlichkeitsentscheidung des Bundesamtes ernstlichen Zweifeln begegnet, alle ihm bekannten Rechtsgrundlagen zu berücksichtigen und ist nicht allein auf die Prüfung der vom Bundesamt angeführten Offensichtlichkeitskriterien beschränkt.
Offensichtlich unbegründet ist ein Asylbegehren dann, wenn bei vollständiger Erforschung des Sachverhalts an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise kein Zweifel bestehen kann und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Ablehnung des Asylbegehrens geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, B. v. 12.07.1983 -1 BvR 1470/82-, BVerfGE 65, 76, und v. 08.10.1990 -2 BvR 643/90-, NJW 1991, 1168). Bei Anwendung dieser Grundsätze kommt das Gericht zu der Überzeugung, dass der im Klageverfahren verfolgte Antrag des Antragstellers auf Anerkennung als Asylberechtigter und auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG nicht offensichtlich unbegründet ist. Die Zuerkennung von Asyl oder Abschiebungsschutz ist nicht offenkundig ausgeschlossen. Nachdem beim Bundesamt das Schreiben des Landratsamts XXX vom 03.12.2010 eingegangen ist, mit dem der Antragsteller um einen neuen Anhörungstermin gebeten hat, ist nicht nachvollvollziehbar, weshalb das Schreiben nicht beantwortet wurde, sondern vielmehr dann am 02.02.2011 der Bescheid erlassen wurde. Da um einen neuen Anhörungstermin gebeten wurde, konnte das Bundesamt nicht davon ausgehen, dass der Antragsteller keinerlei Interesse an der Mitwirkung im Asylverfahren hat, so dass der Tatbestand des § 30 Abs. 3 Nr. 5 AsylVfG nicht vorgelegen haben dürfte. Unter Zugrundelegung des Vortrags zu den Ausreisegründen im Schriftsatz vom 22.02.2011 erscheint danach derzeit offen, ob der Asylantrag erfolgreich ist oder nicht, dies bedarf jedenfalls der näheren Aufklärung im Hauptsacheverfahren. [...]