Das in einem Schreiben aus dem Jahr 2002 gegenüber der Ausländerbehörde vorgebrachte Ersuchen um ein Bleiberecht, weil man im Heimatland Angst vor Übergriffen durch die Bevölkerungsmehrheit habe, der man dort schutzlos ausgeliefert sei, ist ein (materieller) Asylantrag im Sinne von § 13 Abs. 1 AsylVfG (Asylgesuch). Das ist unabhängig davon, ob der Betreffende diese Erklärung als Asylgesuch verstanden haben will oder nicht und ob dieses Asylgesuch später förmlich (nach § 14 Abs. 1 und 2 AsylVfG) als Antrag beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gestellt wurde. Auch der Umstand, dass der Ersuchende heute nur noch krankheitsbedingte auslandsbezogene Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG geltend macht und von seinem Asylgesuch aus dem Jahr 2002 nichts mehr wissen will, ändert nichts daran, dass durch das Asylgesuch die Weichenstellung ins Asylverfahren bewirkt wurde mit der Folge, dass für alle in diesem Verfahren zu treffenden Entscheidungen - dazu gehören auch Feststellungen zu Abschiebungsverboten nach § 60 AufenthG - ausschließlich das Bundesamt und nicht die allgemeine Ausländerbehörde zuständig ist. Eine Ausnahme von der ausschließlichen Zuständigkeit des Bundesamts gilt nur für Maßnahmen zur Durchsetzung der aufgrund von § 67 Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG eingetretenen Ausreisepflicht im Zeitraum zwischen der Stellung eines materiellen Asylgesuchs und eines förmlichen Asylantrags.
(Amtlicher Leitsatz)
[...]
Die Klagen sind zulässig, aber nicht begründet. [...]
Der Kläger Ziff. 1 macht einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG geltend. Nach Satz 1 dieser Vorschrift soll einem Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2, 3, 5 oder Abs. 7 AufenthG vorliegt. Der Kläger Ziff. 1 behauptet, er könne nicht in seine Heimat, den Kosovo, zurückkehren, weil seine Krankheit (vor allem Diabetes mellitus Typ II) dort nicht behandelbar sei, insbesondere die erforderlichen Medikamente nicht zuverlässig erhältlich seien, die erforderlichen ärztlichen Kontrolluntersuchungen dort nicht durchführbar seien und er die Kosten dieser Behandlungen und der Medikamente nicht aufbringen könne und weil ihm deshalb eine Verschlimmerung seiner Krankheit sowie das Auftreten gravierender Folgeerkrankungen drohe. Damit macht er - unstreitig - ein auslandsbezogenes Abschiebungsverbot im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (erhebliche Gefahr für Leib oder Leben) geltend.
Ob dieser Anspruch des Klägers Ziff. 1 bereits deshalb ausgeschlossen ist, weil die Beklagte mit Bescheid vom 28.08.2009 bereits festgestellt hat, dass bei ihm ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG nicht vorliegt, und weil dieser Bescheid durch Rücknahme der dagegen gerichteten Klage - 4 K 262/10 - durch den Kläger Ziff. 1 bestandskräftig geworden sein könnte, oder ob dieser Bescheid der Beklagten vom 28.08.2009 nach Maßgabe von § 44 Abs. 1 LVwVfG wegen offensichtlich fehlender Zuständigkeit (Verbandskompetenz) der Beklagten für den Erlass eines solchen Verwaltungsakts (vgl. hierzu Beschluss der Kammer vom 14.07.2010 - 4 K 262/10 - m.w.N.) nichtig ist (vgl. hierzu Kopp/Ramsauer, VwVfG, 11. Aufl. 2010, § 44 RdNr. 14 m.w.N.) und deshalb keine Wirkung entfaltet (hat), kann hier dahingestellt bleiben. Denn bei dem Kläger Ziff. 1 liegen, wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen ergibt, die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG auch aus anderen Gründen nicht vor.
Im speziellen Fall des Klägers Ziff. 1 ist die Beklagte als allgemeine Ausländerbehörde für die Feststellung eines vom Kläger Ziff. 1 geltend gemachten Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG (als Voraussetzung für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG) nicht zuständig. Denn der Kläger Ziff. 1 hat bereits vor längerer Zeit, mit einem an die Beklagte gerichteten Schreiben vom 08.09.2002, der Sache nach um Asyl nachgesucht und damit die alleinige Zuständigkeit des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (früher: Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge) - Bundesamt - begründet. In diesem Schreiben hat er deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er und seine Familie den Kosovo aus Angst vor Übergriffen durch die albanische Bevölkerungsmehrheit verlassen hätten. Die Albaner hätten sie mit Waffengewalt aus ihrem Haus vertrieben und gedroht, dass sie sie umbringen würden; im Fall einer Rückkehr fürchte er um sein Leben und das seiner Familienangehörigen und er sehe keine Möglichkeit, in Sicherheit in den Kosovo zurückzukehren.
Mit diesem Vortrag hat der Kläger Ziff. 1 einen materiellen Asylantrag im Sinne des § 13 Abs. 1 AsylVfG gestellt. Nach dieser Vorschrift (in seiner aktuell geltenden Fassung) liegt ein Asylantrag vor, wenn sich dem schriftlich, mündlich oder auf andere Weise geäußerten Willen des Ausländers entnehmen lässt, dass er im Bundesgebiet Schutz vor politischer Verfolgung sucht oder dass er Schutz vor Abschiebung oder einer sonstigen Rückführung in einen Staat begehrt, in dem ihm die in § 60 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes bezeichneten Gefahren drohen. In der im Zeitpunkt der Abfassung des Schreibens vom 08.09.2002 geltenden Fassung waren in § 13 Abs. 1 AsylVfG lediglich die Worte "§ 60 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes" durch "§ 51 Abs. 1 des Ausländergesetzes" ersetzt. Ob für die Qualifizierung des Schutzbegehrens im Schreiben des Klägers Ziff. 1 vom 08.09.2002 als Asylantrag auf die aktuelle oder die frühere Fassung abzustellen ist, kann hier dahingestellt bleiben. Sollte es auf die aktuelle Fassung ankommen, wofür der Umstand sprechen könnte, dass in einem aufgrund dieses Antrags durchzuführenden Asylverfahren die aktuelle Rechtslage maßgeblich wäre (vgl. § 77 Abs. 1 AsylVfG), dann wäre die vom Kläger Ziff. 1 geschilderte Bedrohung durch die albanische Bevölkerungsmehrheit im Kosovo ("… als die Albaner zurückkamen, haben sie uns mit Waffengewalt aus dem Haus vertrieben. Sie haben uns gedroht, dass sie uns umbringen würden, wenn wir nicht freiwillig gingen. … Wir haben große Angst, dass die Albaner … uns bei einer Rückkehr umbringen würden. … Der Hass der Albaner gegen uns Roma ist so groß, dass ich um unser Leben fürchte, wenn wir in den Kosovo zurückkehren. …") eine Verfolgung im Sinne von § 60 Abs. 1 Satz 4 Buchst. c) AufenthG in Form einer dem Staat aufgrund fehlender Schutzbereitschaft bzw. Schutzfähigkeit zuzurechnenden Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure. Im Ergebnis würde aber nichts anderes gelten, wenn es auf die im September 2002 geltende Rechtslage ankäme, denn auch damals waren Verfolgungshandlungen Dritter, hier der albanischen Bevölkerungsmehrheit, als so genannte mittelbare staatliche Verfolgung asylrechtlich relevant, wenn der Heimatstaat nicht willens oder nicht fähig war, dem Betroffenen den erforderlichen Schutz zu gewähren (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.07.1991, NVwZ 1992, 578, m.w.N.; Schenk, Asylrecht und Asylverfahrensrecht, 1. Aufl. 1993, RdNrn. 57 ff.). Damit ist das Schreiben des Klägers Ziff. 1 an die Beklagte vom 08.09.2002 als materielles Asylgesuch, also als Asylantrag im Sinne von § 13 Abs. 1 AsylVfG, zu qualifizieren (zur Auslegung von Willensäußerungen als Asylantrag siehe Treiber, in: Gemeinschaftskommentar zum Asylverfahrensgesetz, Stand: Juni 2010, Bd. 2, II - § 13 RdNrn. 18 ff., insbes. 35.2, 39 und 42).
An der Qualifizierung dieses vom Kläger Ziff. 1 geäußerten Verfolgungsschutzbegehrens als Asylantrag im Sinne von § 13 Abs. 1 AsylVfG ändert sich nichts dadurch, dass der Kläger Ziff. 1 dies selbst nicht als Asylantrag, der zur Durchführung eines Asylverfahrens führt, verstanden haben wollte. Denn das steht nicht zu seiner freien Disposition. Vielmehr ist es gerade Sinn des § 13 Abs. 1 AsylVfG, denjenigen Schutzsuchenden, der sich materiell auf Asylgründe beruft, zwingend auf das - alle Schutzersuchen und Schutzformen erfassende - Asylverfahren zu verweisen und hiermit ausschließlich das besonders sachkundige Bundesamt zu befassen. Ein "Wahlrecht" des Ausländers zwischen asylrechtlichem oder ausländerrechtlichem Schutz vor Verfolgung im Heimatland besteht danach nicht; § 13 Abs. 1 AsylVfG ist vielmehr zur Konzentration und Beschleunigung des Verfahrens sowie auch zum Ausschluss von Verfahrensverzögerungen durch nachgeschaltete Asylanträge geschaffen worden (so - weitgehend wörtlich - BVerwG, Beschluss vom 03.03.2006, NVwZ 2006, 830, m.w.N.; OVG Saarl., Beschlüsse vom 20.03.2008 - 2 A 33/08 - und vom 01.02.20007 - 2 W 37/06 -; Treiber, a.a.O., II - § 13 RdNrn. 52, 55, 60 ff,. m.w.N.; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: Okt. 2010, Bd. 3, B 2, § 13 RdNrn. 4 und 6; vgl. auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 28.05.2008, VBlBW 2008, 389).
Auch der Umstand, dass der Kläger Ziff. 1 heute nur noch krankheitsbedingte auslandsbezogene Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG geltend macht und von seinem Asylgesuch heute nichts mehr wissen will, ändert nichts daran, dass er früher tatsächlich einen Asylantrag (im materiellen Sinne) gestellt hat. Mit der Geltendmachung eines Asylgesuchs im Schreiben vom 08.09.2002 hat der Kläger Ziff. 1 - unabhängig davon, ob er die damit verbundenen Rechtsfolgen jemals gewollt hat - die Weichenstellung ins Asylverfahren bewirkt mit der Folge, dass für alle in diesem Verfahren zu treffenden Entscheidungen - dazu gehören auch Feststellungen zu sämtlichen Abschiebungsverboten nach § 60 AufenthG - künftig ausschließlich das Bundesamt und nicht mehr die Beklagte als allgemeine Ausländerbehörde zuständig ist (vgl. § 24 Abs. 2 AsylVfG). Eine Ausnahme davon ist nur für Maßnahmen zur Durchsetzung der aufgrund von § 67 Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG eingetretenen Ausreisepflicht im Zeitraum zwischen der Stellung eines materiellen Asylantrags im Sinne von § 13 Abs. 1 AsylVfG und eines förmlichen Asylantrags im Sinne von § 14 Abs. 1 und 2 AsylVfG anerkannt worden (vgl. BVerwG, Urteil vom 03.12.1997, NVwZ-RR 1998, 264; Hailbronner, a.a.O., § 13 RdNr. 8). Für andere als aufenthaltsbeendende Maßnahmen, insbesondere für solche zur Verfestigung oder Legalisierung des Aufenthalts, gilt diese Ausnahme nicht; insoweit bleibt es für einen Asylbewerber (im Sinne des § 13 AsylVfG) bei der alleinigen Zuständigkeit des Bundesamts nach § 24 Abs. 2 AsylVfG für alle asylrechtlichen Entscheidungen, insbesondere auch für alle Entscheidungen nach § 60 Abs. 1 bis 7 AufenthG.
Von seinem mit Schreiben vom 08.09.2009 vorgebrachten Asylgesuch kann der Kläger Ziff. 1 nachträglich nicht wieder abrücken (vgl. OVG Saarl., Beschluss vom 20.03.2008, a.a.O.; Hailbronner, a.a.O., § 13 RdNr. 4, m.w.N.). Das lässt sich auch bereits dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.03.2006 (a.a.O.) entnehmen, wenn dort einerseits ausgeführt ist, "die Anträge der Kläger (in jenem Verfahren) waren danach bereits im Verwaltungsverfahren … materiell als Asylbegehren im Sinne des § 13 Abs. 1 AsylVfG zu qualifizieren", und daraus andererseits gefolgert wird, "dann aber hätte die Beklagte (eine allgemeine Ausländerbehörde) über die Anträge auf Duldung nicht mehr unter dem Gesichtspunkt auslandsbezogener Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 2 bis 6 AuslG (jetzt: § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG) entscheiden dürfen."
Eine andere Auffassung hätte zur Folge, dass dem betreffenden Ausländer nachträglich, wenn er die mit einem Asylverfahren zwingend einhergehenden Folgen, zum Beispiel die damit verbundene Wohnsitzverpflichtung, nicht (mehr) tragen will, doch wieder ein Wahlrecht eingeräumt würde, das ihm aber ausdrücklich gerade nicht zusteht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 03.03.2006, a.a.O.). Dem Ausländer, der sich zur Stellung eines Asylantrags (im Sinne von § 13 Abs. 1 AsylVfG) entschlossen hat, wird wegen seines von seinem freien Willen getragenen Entschlusses, um Asyl nachzusuchen, damit auch nichts aufgedrängt. Wenn er den Schutz von Art. 16a GG oder § 60 Abs. 1 AufenthG (früher: § 51 Abs. 1 AuslG) nicht mehr in Anspruch nehmen will oder einen dahingehenden Anspruch für aussichtslos hält und wenn er sich stattdessen allein auf die Geltendmachung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG beschränken will, kann er seinen Asylantrag jederzeit wieder zurücknehmen, ohne dadurch seinen Anspruch auf Entscheidung über Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG durch die dafür sachkundigere Behörde, das Bundesamt, zu verlieren (siehe § 32 AsylVfG).
Hinzu kommt, dass es dem Ausländer im Fall eines (für zulässigen gehaltenen) späteren Abrückens von seinem Asylgesuch dann möglich wäre, jederzeit vom allgemeinen ausländerrechtlichen Verfahren ins Asylverfahren zu wechseln, indem er sein bislang (bloß) materielles Asylgesuch förmlich (gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) beim Bundesamt stellt. Damit könnte der Ausländer u. a. jederzeit einer (evtl. auf dem Aufenthaltsgesetz beruhenden) vollziehbaren Ausreisepflicht entgehen und die asylrechtliche gesetzliche Aufenthaltsgestattung nach § 67 Abs. 2 AsylVfG wieder aufleben lassen und zwar grundsätzlich selbst dann, wenn diese wegen verspäteter Stellung eines förmlichen Asylantrags (im Sinne von § 14 AsylVfG) nach § 67 Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG inzwischen bereits erloschen war (vgl. Funke-Kaiser, in: Gemeinschaftskommentar zum Asylverfahrensgesetz, Stand: Juni 2010, Bd. 3, II - § 67 RdNr. 15, und Bd. 2., II - § 34 RdNr. 13 a. E.). Damit spricht gerade auch § 67 Abs. 2 AsylVfG, wonach ein materielles Asylgesuch unabhängig davon, ob der Asylbewerber später einen förmlichen Asylantrag stellt bzw. noch stellen will, (schwebend) wirksam bleibt, für die (hier vertretene) Auffassung, dass ein Asylbewerber sich von einem einmal vorgebrachten Asylgesuch nicht mehr lösen kann.
Auf der anderen Seite kann dem Gesetz aber auch nicht entnommen werden, es solle wirklich allein Sache des Asylbewerbers sein zu entscheiden, ob er nach einem materiellen Asylgesuch auch einen förmlichen Asylantrag stellen und sich damit ins Asylverfahren begeben will. Denn aus § 14 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG ergibt sich, dass auch die Ausländerbehörde die Stellung eines förmlichen Asylantrags bewirken kann (und sogar muss). Auch daraus folgt, dass es nicht allein auf den Willen des Asylbewerbers ankommen kann, ob er an seinem ursprünglichen Asylgesuch festhalten und ihn (doch noch) als förmlichen Asylantrag stellen will oder ob er nichts mehr von ihm wissen will.
Die in den vorstehenden Absätzen dargelegten Überlegungen sprechen auch gegen die im Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 25.08.2010 - 11 S 1836/10 - erwähnte, in der Kommentarliteratur - angeblich - vertretene Auffassung (zu der der VGH Bad.-Württ. in dem zitierten Beschluss allerdings nicht definitiv Stellung bezieht), die allgemeine Ausländerbehörde werde für die Prüfung auslandsbezogener Abschiebungsverbote dann zuständig, wenn dem materiellen Asylgesuch nach § 13 AsylVfG nicht innerhalb von zwei Wochen ein formeller Antrag nach § 14 AsylVfG folge. Diese Zwei-Wochen-Frist hat ihren rechtlichen Anknüpfungspunkt allein in § 67 Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG, einer Vorschrift über die (gesetzliche) Dauer der Aufenthaltsgestattung. Diese Vorschrift gibt jedoch nichts her für die Beantwortung der Frage, wie lange und unter welchen Voraussetzungen ein (einmal vorgebrachtes) materielles Asylgesuch (im Sinne des § 13 Abs. 1 AsylVfG) künftig weiterhin Wirkung erzeugt. Im Gegenteil zeigt § 67 Abs. 2 AsylVfG, dass ein materielles Asylgesuchs ungeachtet unterlassener Stellung eines förmlichen Asylantrags fortbesteht (siehe oben). Der hier vertretenen Auffassung steht auch die Kommentierung von Funke-Kaiser (a.a.O., Bd. 2, II - § 34 RdNr. 13) nicht entgegen. Dort ist (im Einklang mit BVerwG, Beschlüsse vom 03.03.2006 und vom 03.12.1997, jew. a.a.O.; ebenso Hailbronner, a.a.O., § 13 RdNr. 8) lediglich die Rede von der Zuständigkeit der allgemeinen Ausländerbehörde für Maßnahmen zur Durchsetzung der Ausreisepflicht, die u. a. auch die Prüfung von auslandsbezogenen Abschiebungsverboten erfordern kann, im Zeitraum zwischen der Stellung eines materiellen Asylantrags im Sinne von § 13 Abs. 1 AsylVfG und eines förmlichen Asylantrags im Sinne von § 14 Abs. 1 und 2 AsylVfG. Aus dieser Kommentierung geht, wie oben ausgeführt, nicht hervor, dass die allgemeinen Ausländerbehörden in diesem Zeitraum auch für Entscheidungen zuständig seien, die in einem Asylverfahren grundsätzlich dem Bundesamt obliegen, wenn es nicht um die Beendigung des Aufenthalts eines um Asyl nachsuchenden Ausländers, wie dem Kläger Ziff. 1 siehe oben), geht, sondern um statusbegründende, das heißt aufenthaltsverfestigende, Entscheidungen, wie das für die mit der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG verbundene Feststellung von (auslandsbezogenen) Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG der Fall ist.
Damit ist es der Beklagten verwehrt, eine Entscheidung über das Vorliegen von auslandsbezogenen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, wie sie vom Kläger Ziff. 1 in diesem Verfahren allein geltend gemacht werden, zu treffen. Das im Schreiben des Klägers Ziff. 1 vom 08.09.2002 vorgebrachte materielle Asylgesuch hat vielmehr zur Folge, dass für eine solche Entscheidung gemäß § 24 Abs. 2 AsylVfG allein das Bundesamt zuständig ist (siehe auch §§ 31 Abs. 3, 32 AsylVfG). Eine solche Entscheidung hätte dann auch im Rahmen einer Entscheidung über die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG Bindungswirkung für die allgemeine Ausländerbehörde (siehe § 42 AsylVfG).
Ob der von dem Kläger Ziff. 1 im Schreiben vom 08.09.2002 gestellte Asylantrag inzwischen bereits beim Bundesamt anhängig ist und dort zu einem Verfahren im Sinne der §§ 23 ff. AsylVfG geführt hat bzw. hätte führen müssen, wofür angesichts des Umstands, dass das Schreiben vom 08.09.2002 dem Bundesamt, wie sich aus dem Schreiben des Bundesamts vom 23.06.2009 ergibt, nachweislich zugeleitet wurde (vgl. § 14 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG), einiges spricht, und ob deshalb auch § 10 Abs. 1 AufenthG der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für den Kläger Ziff. 1 entgegensteht, kann in diesem Verfahren dahingestellt bleiben. In jedem Fall besteht sowohl für den Kläger Ziff. 1 die Möglichkeit, sein Asylgesuch gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG beim Bundesamt förmlich als Asylantrag zu stellen, als auch für die Beklagte die Pflicht (zur insoweit bestehenden Verpflichtung der Ausländerbehörde vgl. Hailbronner, a.a.O., § 14 RdNr. 15; Funke-Kaiser, a.a.O., Bd. 2, II - § 14 RdNr. 37), das Schreiben des Klägers Ziff. 1 vom 08.09.2002 gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG in aller Form an das Bundesamt weiterzuleiten und damit auf Durchführung eines förmlichen Asylverfahrens, in welchem auch über das Vorliegen auslandsbezogener Abschiebungsverbote entschieden wird, hinzuwirken.
II.
Die Kläger Ziff. 2 bis 6 machen (allein) einen Anspruch gegen die Beklagte auf Neubescheidung ihrer Anträge zur Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 Abs. 5 AufenthG geltend. Nach dieser Vorschrift kann einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, abweichend von § 11 Abs. 1 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.
Ob dieser Anspruch bereits deshalb ausscheidet, weil das vom Kläger Ziff. 1 (allein) unterzeichnete Schreiben vom 08.09.2002, das als materielles Asylgesuch zu qualifizieren ist (siehe oben), nicht nur seine Person, sondern auch (ggf. nach Maßgabe von § 14a AsylVfG) die übrigen Kläger betrifft und insoweit auch für sie die Sperrwirkung des § 10 Abs. 1 AufenthG auslöst, kann hier dahingestellt bleiben.
Denn die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Norm liegen bei den Klägern Ziff. 2 bis 6 nicht vor. Zwar sind sie unstreitig (seit fast zehn Jahren) vollziehbar ausreisepflichtig. Auch ist ihre Ausreise aus tatsächlichen Gründen unmöglich, weil sie wegen fehlender Passpapiere nicht in ihren Heimatstaat, den Kosovo, zurückkehren können. Allerdings ist dieses Ausreisehindernis nicht unverschuldet im Sinne von § 25 Abs. 5 Satz 3 und 4 AufenthG. Denn sie haben - nach dem insoweit unwidersprochenen Vortrag der Beklagten - bislang keine ernsthaften Bemühungen ergriffen, um solche Reisedokumente zu erlangen.
Die Kläger Ziff. 2 bis 6 berufen sich zur Begründung der tatbestandlichen Voraussetzungen von § 25 Abs. 5 AufenthG auf ein rechtliches Ausreisehindernis aufgrund von Art. 6 GG und Art. 8 EMRK mit der Begründung, dass bei dem Kläger Ziff. 1 als Ehemann der Klägerin Ziff. 2 und Vater der Kläger Ziff. 3 bis 6 aus gesundheitlichen Gründen ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliege, das auch dessen freiwilliger Rückkehr in den Kosovo entgegenstehe, und dass sie wegen der familiären Bindungen nicht von ihm getrennt werden dürften. Mit diesem Vortrag können sie jedoch nicht durchdringen, solange das für die Entscheidung über das Vorliegen eines auslandsbezogenen Abschiebungsverbots allein zuständige Bundesamt keine dahingehende Entscheidung in Bezug auf den Kläger Ziff. 1 getroffen hat. Die Beklagte ist zur Feststellung eines solchen Abschiebungsverbots nicht zuständig (siehe oben I.).
Dass die Kläger Ziff. 2 bis 6 wegen eigener Erkrankungen an einer freiwilligen Rückkehr in den Kosovo gehindert seien, behaupten sie selbst nicht ernsthaft. [...]
Bei den Klägern Ziff. 2 bis 6 ist eine Ausreise auch nicht deshalb (aus rechtlichen Gründen) unmöglich, weil ein solches Verlangen wegen ihrer inzwischen eingetretenen Verwurzelung mit den Lebensverhältnissen in Deutschland gegen Art. 8 EMRK verstieße und eine Ausreise aus Deutschland deshalb unzumutbar wäre. Nach Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens (…). Nach Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, soweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Zwar neigt auch die Kammer zu der vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg vertretenen Auffassung (Urteil vom 13.12.2010 - 11 S 2359/10 - m.w.N.; a. A. allerdings BVerwG, Urteil vom 26.10.2010 - 1 C 18/09 -) , dass bei den Klägern Ziff. 2 bis 6 der Schutzbereich von Art. 8 Abs. 1 EMRK in Form des Schutzes der Achtung ihres Privatlebens nicht bereits deshalb nicht betroffen sei, weil sie sich bislang ausschließlich geduldet und damit ohne legalen Aufenthaltsstatus in Deutschland aufgehalten haben. Doch erlangt dieser Gesichtspunkt durchaus eine erhebliche Bedeutung für die Frage, ob der Eingriff in das geschützte Privatleben nach Art. 8 Abs. 2 EMRK gerechtfertigt ist, weil er gesetzlich vorgesehen, in einer demokratischen Gesellschaft notwendig und verhältnismäßig ist. In diesem Rahmen ist es sehr wohl bedeutsam, ob der Aufenthalt eines Ausländers während der gesamten Zeit nur geduldet war, das heißt allein auf einer Aussetzung der Abschiebung beruhte, und in ihm von Seiten des Aufenthaltsstaats nie die berechtigte Erwartung geweckt wurde, er dürfe sich auf ein dauerhaftes Leben in diesem Staat einstellen. Insbesondere darf Art. 8 EMRK nicht so ausgelegt werden, als verbiete er allgemein eine gegebenenfalls auch zwangsweise Aufenthaltsbeendigung bei Ausländern bereits deswegen, weil diese sich eine bestimmte Zeit im Aufnahmeland aufgehalten haben. Eine Aufenthaltsbeendigung kann vielmehr nur dann einen unzulässigen Eingriff in das Privatleben im Verständnis des Art. 8 Abs. 1 EMRK darstellen, wenn der Ausländer aufgrund seines (längeren) Aufenthalts über starke persönliche, soziale und wirtschaftliche Kontakte zum Aufnahmestaat verfügt, so dass er aufgrund der Gesamtentwicklung faktisch zu einem Inländer geworden ist (vgl. u. a. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 13.12.2010, a.a.O., und Beschluss vom 05.02.2009, NVwZ-RR 2009, 617, jew. m.w.N.). Übertragen auf die Kläger Ziff. 2 bis 6 lässt sich eine derartige Verfestigung ihres Aufenthalts in Deutschland im Sinne einer Verwurzelung mit den Lebensverhältnissen in Deutschland nicht feststellen. Ihr Aufenthalt ist nicht nur niemals erlaubt (legal) gewesen, sie sind damals (2001) auch ohne das erforderliche Visum eingereist. Sie leben bis heute fast ausschließlich von öffentlichen Transferleistungen und sind in das Arbeitsleben in Deutschland nicht integriert. Die Kammer hat sich in der mündlichen Verhandlung davon überzeugen können, dass zumindest die Kläger Ziff. 1 und 2 nur sehr schlecht deutsch sprechen. Das wiederum kann nur bedeuten, dass sich die Kläger zur Verständigung untereinander der Sprache ihres Heimatlands bedienen und diese somit besser als die deutsche Sprache beherrschen. Auch über besondere (freundschaftliche, berufliche oder sonstige) Verbindungen zu deutschen Mitbürgern ist nichts bekannt. Außer der acht Jahre alten Klägerin Ziff. 6 sind alle Kläger im Kosovo geboren und haben dort mehrere Jahre - die meisten von ihnen die allermeiste Zeit ihres Lebens - gelebt. Die Klägerin Ziff. 6 wiederum hat allein noch nicht solch ein Ausmaß an Verwurzelung erreicht, dass sie für sich betrachtet ein Recht aus Art. 8 EMRK ableiten könnte. Die familien- und aufenthaltsrechtliche Stellung eines minderjährigen Kindes erfordert es grundsätzlich, dass dieses aufenthaltsrechtlich das Schicksal der Eltern teilt. Bei der Frage der Zumutbarkeit der Rückkehr in den Heimatstaat ist entscheidend auf die Eltern und deren Hilfestellung abzustellen (Grundsatz der familienbezogenen Gesamtbetrachtung, vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 13.12.2010, a.a.O., m.w.N. ). Dafür, dass die Kläger bei einer Rückkehr in den Kosovo als Familienverband, dessen Mitglieder wechselseitig füreinander einstehen und gemeinsam an der Deckung des Lebensbedarfs und der (Re-)Integration in die kosovarischen Lebensverhältnisse mitwirken, nicht in der Lage sein sollten, ein menschenwürdiges Leben - wenngleich unter den dort herrschenden sozialen und sonstigen Bedingungen - in ihrer Heimat zu führen, gibt es auch nach dem Vortrag der Kläger keine überzeugenden Anhaltspunkte. Dementsprechend verfolgen sie selbst in erster Linie nicht das Ziel der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wegen einer Verwurzelung in Deutschland. In diesem Sinne hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger in der mündlichen Verhandlung denn auch klargestellt, dass die Kläger Ziff. 2 bis 6 sich vor allem auf das Abschiebungsverbot für den Kläger Ziff. 1 und die daraus folgenden Ansprüche, von diesem nicht getrennt zu werden, und nicht in erster Linie auf eigenständige Ausreisehindernisse beriefen. [...]