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OVG Saarland

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Zitieren als:
OVG Saarland, Beschluss vom 01.07.2011 - 2 B 216/11; 2 D 236/11 - asyl.net: M18812
https://www.asyl.net/rsdb/M18812
Leitsatz:

a) Der Begriff der Kernfamilie bezeichnet im allgemeinen Sprachgebrauch die aus den Eltern und ihren leiblichen Kindern bestehende Familie.

b) Eine hiervon abweichende rechtliche Definition, nach der sich die Kernfamilie auf die Eltern und ihre minderjährigen Kinder beschränkt, kennt soweit ersichtlich das nationale Recht nicht.

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: Kernfamilie, minderjährige Kinder, volljährige Kinder, volljährig, leibliche Kinder, Kosovo, Roma, hilfebedürftig, Leistungsbescheid, öffentliche Hilfen, Sozialhilfebezug, sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis, geringfügige Beschäftigung, Erwerbstätigkeit, Suspensiveffekt, Niederlassungserlaubnis, ergänzender Leistungsbezug, ergänzende Leistungen, Rücknahme,
Normen: VwGO § 80 Abs. 3 S. 1, SVwVfG § 48, AufenthG § 26 Abs. 4 S. 1, AufenthG § 9 Abs. 2 S. 1 Nr. 2,
Auszüge:

[...]

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist vorliegend ein Anspruch der Antragsteller auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch für das erstinstanzliche Verfahren zu bejahen. Denn jedenfalls die Frage, ob der Antragsgegner bei der Betätigung seines Rücknahmeermessens zu Recht angenommen hat, die Antragsteller hätten ihm bei Erteilung der Niederlassungserlaubnisse den Bezug öffentlicher Leistungen nach dem SGB-II zur Sicherstellung ihres Lebensunterhaltes verschwiegen beziehungsweise verheimlicht (siehe Begründung der Vollzugsanordnung) und "Täuschungsversuche bei der ARGE und auch bei der Ausländerbehörde" unternommen, lässt sich nicht ohne eine auch in dem auf die überschlägige Würdigung der Sach- und Rechtslage angelegten Eilrechtsschutzverfahren schon vertiefte Prüfung beantworten. Ausgehend davon, dass der Antragsgegner bei der Prüfung der Sicherung des Lebensunterhaltes der Antragsteller nach Aktenlage offenbar selbst nicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der mit den Antragstellern und ihrem minderjährigen Sohn O in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden volljährigen Söhne V und M abgestellt (vgl. Arbeitslosengeld II Berechnung – Ergebnis Bl. 368 der Verwaltungsakte betreffend die Antragstellerin zu 2.) und insoweit von den Antragstellern auch keine Nachweise über das Einkommen auch dieser Söhne gefordert hat, der Ende November 2008 gestellte Antrag auf Leistungen nach dem SGB-II offenbar dadurch ausgelöst wurde, dass der Sohn V "hilfebedürftig" wurde und zudem offen ist, ob die Antragsteller den Leistungsbescheid der Kreisagentur für Arbeit und Soziales vom 10.12.2008 vor Aushändigung der Niederlassungserlaubnisse am 19.12.2008 erhalten hatten, ließ sich die Frage, ob den Antragstellern zu dem letztgenannten Zeitpunkt der Bezug öffentlicher Hilfen bekannt war und von ihnen verschwiegen wurde, jedenfalls nicht ohne weiteres zu ihrem Nachteil beantworten. Das gilt auch mit Blick auf den Umstand, dass das frühere sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis der Antragstellerin zu 2., in dem sie ein Nettoeinkommen von monatlich rund 1.200,- Euro bezogen hatte, ab 16.12.2008 in ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis mit einem monatlichen Einkommen von 200,- beziehungsweise 400,- Euro umgewandelt worden war. Denn dieser Umstand war jedenfalls in dem Bescheid der Kreisagentur für Arbeit und Soziales, A-Stadt, vom 10.12.2008, in dem ein monatliches Einkommen der Antragstellerin zu 2. in Höhe 1.207,22 Euro zum Ansatz gebracht wird, (noch) nicht berücksichtigt (siehe Berechnungsbogen zum Leistungsbescheid Bl. 516 a der Verwaltungsakte betreffend den Antragsteller zu 1.) und hat offenbar auch in den Änderungsbescheid der Kreisagentur vom 18.6.2009 keinen Eingang gefunden (siehe Berechnungsbogen zum Bescheid vom 18.6.2009, Bl. 529 a der Verwaltungsakte betreffend den Antragsteller zu 1., in dem das Einkommen der Antragstellerin zu 2. unverändert mit 1.207,22 Euro angesetzt ist). Im Hinblick hierauf lag auch nach dem Erkenntnisstand des erstinstanzlichen Verfahrens die Erfolglosigkeit des Eilrechtsschutzbegehrens der Antragsteller jedenfalls nicht in einer Weise auf der Hand, dass schon die Versagung von Prozesskostenhilfe gerechtfertigt war. Da auch die übrigen Voraussetzungen der §§ 166 VwGO, 114 Satz ZPO erfüllt sind, ist den Antragstellern für das erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Die Rechtsverfolgung erweist sich ferner nicht als mutwillig Die Beiordnung ihres Rechtsanwaltes rechtfertigt sich aus den §§ 166 VwGO, 121 Abs. 2 ZPO, da in Anbetracht der nicht einfach gelagerten Sach- und Rechtslage eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint. [...]

Dem Verwaltungsgericht ist ferner aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung, die sich der Senat insoweit in Anwendung von § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO zu eigen macht, darin beizupflichten, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 48 SVwVfG für die Rücknahme der den Antragstellern erteilten Niederlassungserlaubnisse erfüllt waren, denn diese Aufenthaltstitel waren von Anfang an rechtswidrig, weil der Lebensunterhalt der Antragsteller, die seit 1.12.2008 ergänzende Leistungen nach dem SGB-II bezogen, zum Zeitpunkt ihrer Erteilung am 19.12.2008 nicht gesichert war, es mithin an einer der Erteilungsvoraussetzungen der §§ 26 Abs. 4 Satz 1, 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG fehlte. Dementsprechend war der Antragsgegner auf der Grundlage von § 48 SVwVfG befugt, nach Ermessen über die Rücknahme zu entscheiden. Dem demgegenüber erhobenen Einwand der Antragsteller, im Rahmen der – prognostischen – Beurteilung der Sicherung des Lebensunterhaltes hätte ausländerrechtlich nur auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der Kernfamilie abgestellt werden dürfen, die vorliegend aus ihnen und ihrem minderjährigen Sohn O bestehe, weshalb ein durch den Hilfebedarf des Sohnes V ausgelöster Bezug von Leistungen nach dem SGB-II keine Berücksichtigung hätte finden dürfen, kann nicht gefolgt werden. Der Begriff der Kernfamilie bezeichnet im allgemeinen Sprachgebrauch die aus den Eltern und ihren leiblichen Kindern bestehende Familie (vgl. zum Beispiel www.wikipedia.org Suchwort "Kernfamilie").

Eine hiervon abweichende rechtliche Definition, nach der sich die Kernfamilie auf die Eltern und ihre minderjährigen Kinder beschränkt, kennt soweit ersichtlich das nationale Recht nicht. Etwas anderes gilt möglicherweise im Anwendungsbereich der EGRL 2003/86 - Familienzusammenführungsrichtlinie -, in deren Erwägungsgrund Nr. 9 von den Mitgliedern "der Kernfamilie das heißt die Ehegatten und die minderjährigen Kinder" die Rede ist. Etwaige hieraus abzuleitende unionsrechtliche Vorgaben sind indes bei der Beurteilung der Voraussetzungen für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nicht zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.11.2010 – 1 C 21/09 – zitiert nach Juris Rdnr. 20).

Der von den Antragstellern angeführten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.11.2010 - 1 C 21/09 – lässt sich insoweit auch nichts Gegenteiliges entnehmen. Die Ausführungen, dass es auf die Sicherung des Lebensunterhaltes der in einer Bedarfsfamilie zusammenlebenden Kernfamilie "- hier: bestehend aus dem Kläger, seiner Ehefrau und den beiden minderjährigen Kindern -" (Juris-Ausdruck Rdnr. 14) ankomme, bezeichnen lediglich die Mitglieder der Kernfamilie in jenem Verfahren, enthalten aber keine Aussage dahin, dass bei der Beurteilung der Sicherung des Lebensunterhaltes die Kernfamilie nur insoweit zu berücksichtigen sei, als sie Eltern und minderjährige Kinder umfasse. Dass das Bundesverwaltungsgericht in der zitierten Entscheidung bei der Prüfung der Lebensunterhaltssicherung nicht von einer auf die Eltern und ihre minderjährigen Kinder beschränkten Bedarfsgemeinschaft ausgegangen ist, zeigen seine weiteren Ausführungen (Juris-Ausdruck Rdnr. 16), in denen es heißt:

"Da sich im Grundsatz nach den Maßstäben des Sozialrechts bemisst, ob der Lebensunterhalt des Ausländers gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG gesichert ist, scheidet in den vom SGB II erfassten Fällen eine isolierte Betrachtung des Hilfebedarfs für jedes einzelne Mitglied der familiären Gemeinschaft aus. Vielmehr gilt in einer Bedarfsgemeinschaft, wenn deren gesamter Bedarf nicht gedeckt werden kann, jede Person im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig (§ 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II). Diese sogenannte horizontale Berechnungsmethode geht damit generell vom Bedarf der Gemeinschaft insgesamt aus. Durch die Verweisung auf das Sozialrecht ergibt sich daher schon aus der Regelung in § 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG, dass im Aufenthaltsrecht die Sicherung des Lebensunterhalts bei erwerbsfähigen Ausländern allgemein – und nicht nur für besondere Fallkonstellationen wie den Familiennachzug – den Lebensunterhalt des mit ihm in familiärer Gemeinschaft lebenden Ehepartners und der unverheirateten Kinder bis zum 25. Lebensjahr umfasst (zur Sicherung des Lebensunterhalts beim Familiennachzug vgl. Urteil vom 16. November 2010 - BVerwG 1 C 20.09 -, zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen). Gegen diese einheitliche Auslegung des zentralen Begriffs der Sicherung des Lebensunterhalts gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG können weder Wortlaut noch Systematik des Aufenthaltsgesetzes angeführt werden."

Aus diesen Ausführungen ergibt sich zugleich, dass auch eine isolierte Betrachtung des Hilfebedarfs einzelner Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft ausscheidet, dass vielmehr, wenn der Gesamtbedarf dieser Gemeinschaft nicht gedeckt ist, jede Person im Verhältnis ihres eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig gilt. Von daher können die Antragsteller auch nicht mit Erfolg geltend machen, die Leistungen nach dem SGB – II seien nur durch den Hilfebedarf ihres Sohnes V ausgelöst worden. Sowohl der Leistungsbescheid vom 10.12.2008 als auch der Änderungsbescheid vom 18.6.2009 weisen den Antragstellern anteilmäßige Hilfen zu.

War danach der Lebensunterhalt der Antragsteller im Zeitpunkt der Erteilung der Niederlassungserlaubnisse am 19.12.2008 nicht gesichert im Verständnis der §§ 26 Abs. 4 Satz 1, 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG, da sie seit 1.12.2008 Hilfen nach dem SGB-II bezogen, und fehlt es danach an einer zwingenden Erteilungsvoraussetzung, so waren die Niederlassungserlaubnisse von Anfang an rechtswidrig und war der Antragsgegner auf der Grundlage von § 48 SVwVfG zu ihrer Rücknahme befugt.

Dass er bei seiner Entscheidung zugunsten einer Rücknahme die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 SVwVfG versäumt haben könnte, ist nicht erkennbar. Denn Anhaltspunkte dafür, dass die Voraussetzungen für die Erteilung der Niederlassungserlaubnisse möglicherweise nicht erfüllt gewesen sein könnten, hat der Antragsgegner erstmals im Dezember 2009 erhalten; der Rücknahmebescheid ist unter dem 26.11.2010 ergangen und am 29.11.2010 bei den Prozessbevollmächtigten der Antragsteller eingegangen. Im Übrigen beginnt die Jahresfrist nicht bereits mit der Kenntnis der die Rücknahme rechtfertigenden Tatsachen, sondern erst mit der daraus gewonnenen Erkenntnis der Rechtswidrigkeit der in Rede stehenden Verwaltungsentscheidung (vgl. zum Beispiel Kopp/Ramsauer, VwVfG, 11. Auflage 2010, § 48 Rdnr. 153, 154 m.w.N.).

Lagen danach die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Rücknahme der den Antragstellern erteilten Niederlassungserlaubnisse vor, so lässt sich freilich die Frage, ob der Antragsgegner bei der Betätigung seines Rücknahmeermessens zutreffend der Annahme war, dass die Antragsteller ihm bei Erteilung der Niederlassungserlaubnisse für die – prognostische – Beurteilung der Lebensunterhaltssicherung relevante Tatsachen beziehungsweise Änderungen von Tatsachen bewusst verschwiegen (verheimlicht) hatten, mit Blick auf das diesbezügliche Beschwerdevorbringen nach dem derzeitigen Erkenntnisstand nicht abschließend beantworten.

Was den Bezug von Leistungen nach dem SGB-II ab 1.12.2008 anbelangt, so ist fraglich, ob der Vorwurf des (bewussten) Verschweigens zu Recht erhoben wird. Zum einen hat offenbar der Antragsgegner selbst im Verfahren betreffend die Erteilung der Niederlassungserlaubnisse davon abgesehen, in die Prüfung der Lebensunterhaltssicherung auch die wirtschaftlichen Verhältnisse der Söhne V und M der Antragsteller, die mit diesen in Bedarfsgemeinschaft leben, einzubeziehen. Die in den Verwaltungsakten betreffend die Antragstellerin zu 2. enthaltene ALG-II-Berechnung (Bl. 368) berücksichtigt außer den Bedarfen der Antragsteller nur denjenigen des minderjährigen Sohnes O. Zudem wurden von den Antragstellern auch keine Angaben beziehungsweise Unterlagen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der Söhne V und M eingefordert, obwohl diese in anderen Unterlagen als Mitglieder "der Hausgemeinschaft" aufgelistet sind (vgl. zum Beispiel Mietbescheinigung, Bl. 348 der Verwaltungsakten, Adressenliste Bl. 351 der Verwaltungsakten). Das könnte bei den Antragstellern den Eindruck erweckt haben, der Ende November eingetretene Hilfebedarf ihres Sohnes V sei für die Erteilung der Niederlassungserlaubnisse an sie ohne Bedeutung. Dieser Annahme könnte zwar durch den Leistungsbescheid der Kreisagentur für Arbeit und Soziales, A-Stadt, vom 10.12.2008 die Grundlage entzogen worden sein, indem dort Hilfebedarfe auch für die Antragsteller ausgewiesen sind. Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand steht freilich nicht fest, dass die Antragsteller diesen Bescheid am 19.12.2008, als sie ihre Niederlassungserlaubnisse in Empfang nahmen, bereits erhalten hatten. Die Frage, ob den Antragstellern ein Verschweigen des Bezugs von Leistungen nach dem SGB-II angelastet werden kann, ist danach derzeit noch als offen anzusehen.

Nichts anderes gilt im Ergebnis hinsichtlich der Sicherung der Unterkunftskosten. Der Antragsgegner ist auf der Grundlage einer im Verwaltungsverfahren betreffend die Erteilung der Niederlassungserlaubnisse vorgelegten – nicht unterschriebenen - "Vermieterbescheinigung" davon ausgegangen, dass die Antragsteller im Haus ihres Sohnes V – abgesehen von einer Beteiligung an den Nebenkosten – mietfrei wohnen und hat dies in die Prognose der künftigen Sicherung des Lebensunterhaltes einbezogen. Dass diese Situation sich bereits bei Erteilung der Niederlassungserlaubnisse geändert hätte oder gar eine Änderung im Zeitpunkt der Inempfangnahme der Niederlassungserlaubnisse geplant war, kann nach dem derzeitigen Erkenntnisstand nicht unterstellt werden. Die Antragsteller erklären die ab Januar 2009 geforderte Kaltmiete von 450,- Euro nach dem derzeitigen Stand zumindest nachvollziehbar damit, dass sich die Einkommensverhältnisse ihrer Söhne V und M verschlechtert hätten und ihr Sohn V, dem das Haus gehöre, sich von daher veranlasst gesehen habe, von ihnen Miete zu verlangen, um die Aufwendungen für das Haus bestreiten zu können. Das lässt sich im vorliegenden Eilrechtsschutzverfahren nicht widerlegen, zumal die "Vermieterbescheinigung", in der die Mietforderung angegeben ist, vom 14.1.2009 datiert.

Auch kann nach dem Erkenntnisstand des vorliegenden Eilrechtsschutzverfahrens nicht davon ausgegangen werden, dass der Vorwurf zutrifft, die Antragsteller hätten die Umwandlung des sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisses der Antragstellerin zu 2. in ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis mit einem Einkommen von maximal 399,- Euro im Monat (66,5 Stunden à 6,- Euro) zum 15./16.12.2008 bei Erteilung der Niederlassungserlaubnisse verschwiegen. Zwar liegt auf der Hand und war auch für die Antragsteller ohne weiteres erkennbar, dass die Verringerung des monatlichen Nettoeinkommens der Antragstellerin zu 2. von 1.200,- Euro auf maximal ca. 400,- Euro der positiven Prognose der Sicherung des Lebensunterhaltes der Familie ohne öffentliche Hilfen die Grundlage entziehen würde, da der Lebensunterhalt der Antragsteller und ihres minderjährigen Sohnes O, abgesehen von dem diesem gewährten Kindergeld, ausschließlich mit dem Erwerbseinkommen der Antragstellerin zu 2. bestritten werden sollte. Für die Antragsteller konnte daher – nicht zuletzt mit Blick auf die ihnen erteilten Belehrungen – kein Zweifel daran bestehen, dass es ihnen oblag, eine derart schwerwiegende Verschlechterung ihrer Einkommensverhältnisse dem Antragsgegner zu offenbaren. Es steht jedoch derzeit keineswegs fest und ist erst recht nicht offenkundig, dass den Antragstellern diese nachteilige Veränderung der Einkommensverhältnisse der Antragstellerin zu 2. im Zeitpunkt der Aushändigung der Niederlassungserlaubnisse am 19.12.2008 bereits bekannt war. Die Antragsteller haben diese Kenntnis bestritten und vorgetragen, die Antragstellerin zu 2. sei in der Zeit um den 15.12.2008 arbeitsunfähig erkrankt gewesen und habe von der Umwandlung des Arbeitsverhältnisses erst erfahren, als sie kurz vor Beginn des Weihnachtsgeschäfts an ihre Arbeitsstelle zurückgekehrt sei; den Änderungsvertrag habe sie erst Anfang 2009 unterschrieben. Die Antragsteller haben zur Glaubhaftmachung ihres Vorbringens eine eidesstattliche Versicherung vom 8.6.2011 vorgelegt, die von dem Personalsachbearbeiter des Gastronomie- und Hotelbetriebes, Herrn Thomas R, unterschrieben ist, in dem die Antragstellerin zu 1. beschäftigt ist, und den Firmenstempel trägt. Danach war die seit 1.11.2005 in verschiedenen Formen in dem Unternehmen beschäftigte Antragstellerin zu 2. in der Zeit vom 10.12. bis 22.12.2008 arbeitsunfähig erkrankt. Nach Rückkehr aus dem Krankenstand habe sich der Betrieb gezwungen gesehen, das Arbeitsverhältnis in ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis umzuwandeln. Dies sei rückwirkend ab dem 15.12.2008 geschehen. Der Arbeitsvertrag sei der Antragstellerin zu 2. am 22.12.2008 von der zeichnungsberechtigten Lebensgefährtin des Inhabers vorgelegt worden.

Diese Angaben bestätigen in wesentlicher Hinsicht die Richtigkeit des Vorbringens der Antragsteller. Der Senat sieht nach dem derzeitigen Erkenntnisstand keine Veranlassung, ihre Glaubhaftigkeit zu bezweifeln. Zwar besteht eine Divergenz hinsichtlich des Zeitpunktes der Unterzeichnung des Änderungsvertrages, den die Antragstellerin zu 2. erst im Januar 2009 unterschrieben haben will, der ihr aber nach den Angaben in der eidesstattlichen Versicherung schon am 22.12.2008 vorgelegt worden sein soll. Dem kommt jedoch hier keine durchgreifende Bedeutung zu, da beide Zeitpunkte nach dem 19.12.2008, dem Tag der Aushändigung der Niederlassungserlaubnisse liegen. Immerhin hat sich die Antragstellerin zu 2., in deren wohlverstandenem Interesse es lag, den Lebensunterhalt ihrer Familie sicherzustellen, auch erst am 9.1.2009 arbeitslos gemeldet.

Jedenfalls kann derzeit nicht angenommen werden, dass den Antragstellern am 19.12.2008 die Umwandlung des sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses der Antragstellerin zu 2. in ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis mit Wirkung vom 15./16.12.2008 bereits bekannt war.

Ist danach gegenwärtig keineswegs sicher, dass sich der der Betätigung des Rücknahmeermessens zugrunde liegende Vorwurf, die Antragsteller hätten in Bezug auf die Sicherung ihres Lebensunterhaltes wesentliche Tatsachen bewusst verschwiegen bzw. verheimlicht (auf etwaige falsche Angaben gegenüber der ARGE kommt es insoweit nicht an, da es hier nur darum gehen kann, ob der in Rede stehende Verwaltungsakt - die Niederlassungserlaubnisse - durch unrichtige Angaben oder durch Täuschung erwirkt wurde), im Hauptsacheverfahren bestätigen wird, so ist dessen Ausgang noch als offen anzusehen.

Die in diesem Fall vorzunehmende (allgemeine) Interessenabwägung fällt vorliegend zugunsten der Antragsteller aus, da ein vorrangiges öffentliches Interesse, das - abweichend vom gesetzlichen Regelfall - die Rücknahme der Niederlassungserlaubnisse mit sofortiger Wirkung rechtfertigen könnte, weder aufgezeigt noch erkennbar ist, zumal gerade ungewiss ist, ob die der Vollzugsanordnung zugrundeliegende Annahme des Antragsgegners, die aufschiebende Wirkung sicherte den Antragstellern vorläufig einen durch Täuschung erlangten Vorteil, auch wirklich zutrifft. Es muss daher beim gesetzlichen Regelfall der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage verbleiben. Die erstinstanzliche Entscheidung ist entsprechend abzuändern. [...]