LSG Berlin-Brandenburg

Merkliste
Zitieren als:
LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 03.05.2007 - L 18 B 472/07 AS ER - asyl.net: M18824
https://www.asyl.net/rsdb/M18824
Leitsatz:

Anspruch auf vollen Regelsatz nach dem SGB II bei Bedarfsgemeinschaft mit Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG, der "Mischregelsatz" des § 20 Abs. 3 SGB II kann bei summarischer Prüfung in solchen Bedarfsgemeinschaften nicht gelten.

Schlagwörter: SGB II, Bedarfsgemeinschaft, Asylbewerberleistungsgesetz, Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, Regelleistung
Normen: SGB II § 20 Abs. 3, SGB II § 7 Abs. 3, SGB II § 7 Abs. 1 S. 2, AsylbLG § 1a
Auszüge:

[...]

Der Anordnungsanspruch (materieller Anspruch der Hauptsache) der Regelungsanordnung ist bei der insoweit nur gebotenen summarischen Prüfung gegeben. Denn die Antragstellerin ist nicht eine von zwei Partnern der Bedarfsgemeinschaft im Rechtssinne des § 20 Abs. 3 SGB II. Zwar lebt sie nach eigenem Vortrag und nach Aktenlage mit dem Vater der Kinder in einem gemeinsamen Haushalt und somit mit ihm gemäß § 7 Abs. 3 SGB II in einer Bedarfsgemeinschaft. Der Partner ist jedoch gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen, weil er Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) bezieht. Auf diese Form der Bedarfsgemeinschaft ist § 20 Abs. 3 SGB II bei summarischer Prüfung nicht anzuwenden. So hat der Gesetzgeber des SGB II im Gegensatz zur früheren Regelsatzverordnung bewusst auf die Normierung der Rechtsfigur eines "Haushaltsvorstandes" verzichtet. Durch § 20 Abs. 3 SGB II wird klar gestellt, dass immer dann, wenn zwei Angehörige der Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet haben, ihre Regelleistung jeweils 90 vom Hundert, also den rechnerischen Durchschnitt zwischen der Regelleistung für den Alleinstehenden und für seinen Partner, beträgt. In der Summe erhalten also zwei erwachsene Partner denselben Betrag wie bei der sozialhilferechtlichen Aufteilung in 100 vom Hundert für Haushaltsvorstände und 80 vom Hundert für Haushaltsangehörige, die das 14. Lebensjahr vollendet haben (vgl. BSG, Urteil vom 07. November 2006, B 7b AS 6/06 R, veröffentlicht in juris, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Die Reduzierung der Regelleistungen auf einen "Mischregelsatz" von 90 vom Hundert hat den Regelfall einer aus zwei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen bestehenden Bedarfsgemeinschaft vor Augen. Dieser Mischregelsatz ist nach der instanzgerichtlichen Rechtsprechung auch auf - vom Gesetzgeber möglicherweise nicht bedachte - Fälle einer Bedarfsgemeinschaft eines volljährigen Grundsicherungsberechtigten nach dem 4. Kapitel Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe mit einem volljährigen Bezieher von Arbeitslosengeld (Alg) II zu berücksichtigen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21. September 2006, L 7 SO 5536/05, LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22. Dezember 2005, L 15 B 1095/05 SO, beide veröffentlicht in juris). Nach Sinn und Zweck des § 20 Abs. 3 SGB II kann dieser "Mischregelsatz" jedoch bei summarischer Prüfung nicht für eine Bedarfsgemeinschaft gelten, in der ein Partner Alg II und der andere Partner nur Leistungen nach dem AsylbLG bezieht, denn diese Bedarfsgemeinschaft erhält nicht den zweifachen "Mischregelsatz". Der Lebenspartner der Antragstellerin erhält - neben den anteiligen Kosten der Unterkunft - lediglich einen Geldbetrag (40,90 EUR) und Zusatzleistungen (181,07 EUR) nach § 3 Abs. 1 und Abs. 2 AsylbLG (insg. 221,97 EUR). Mit einer Absenkung der auf die Antragstellerin entfallenden Regelleistung nach Maßgabe des § 20 Abs. 3 SGB II würde sie mittelbar von der Vorschrift des § 1a AsylbLG betroffen, dass Leistungsberechtigte nach § 1 AsylbLG nach diesem Gesetz nur Leistungen erhalten, soweit dies im Einzelfall nach den Umständen unabweisbar geboten ist. Der in der Höhe des Regelsatzes zum Ausdruck kommende sozialhilferechtliche Bedarf der Antragstellerin (vgl. dazu Behrendt in: jurisPK-SGB II, § 20 Rn. 24) wäre somit nicht mehr abgedeckt, weil die Absenkung um 34 EUR nach Maßgabe des § 20 Abs. 3 SGB II nicht durch Leistungen des Partners in Höhe von 90 vom Hundert des Regelsatzes kompensiert würde. [...]