LSG Berlin-Brandenburg

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Zitieren als:
LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 09.09.2010 - L 10 AS 1023/10 B ER; L 10 AS 1028/10 B PKH - asyl.net: M18862
https://www.asyl.net/rsdb/M18862
Leitsatz:

1. Es spricht einiges dafür, dass § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II mit dem Recht der EU nicht vereinbar ist und auf Unionsbürger zumindest nicht einschränkungslos anwendbar ist.

2. Pfandflaschensammler sind nicht als niedergelassene selbständig Erwerbstätige iSv FreizügG/EU§ 2 Abs. 2 Nr. 2 anzusehen.

Schlagwörter: Bulgarien, Unionsbürger, Aufenthalt zum Zweck der Arbeitssuche, Arbeitssuche, Arbeitssuchend, freizügigkeitsberechtigt, Freizügigkeitsrecht, Pfandflaschensammler, selbständige Erwerbstätigkeit,
Normen: GG Art. 19 Abs. 4, SGB II § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, SGB II § 8, FreizügG/EU § 2 Abs. 2 Nr. 1 2. Alt., SGB II § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2,
Auszüge:

[...]

Davon ausgehend war der Senat gehalten, den Antragstellern für die Zukunft ergänzende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts mit einem Abschlag (vgl auch dazu BVerfG aaO) bzgl der jeweiligen Regelleistung sowie die (vollständigen) Kosten der Unterkunft und Heizung vorläufig zuzusprechen. [...]

Einem Leistungsanspruch des Antragstellers zu 1) steht nicht mit hinreichender Gewissheit die Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr.2 SGB II entgegen. Danach sind vom Leistungsbezug nach dem SGB II ausgenommen Ausländer (und ihre Familienangehörigen), deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt. Zwar ist der Ausschlussgrund ausgehend von den Bedingungen, unter denen sich der Antragsteller zu 1) in der Bundesrepublik aufhält, anwendbar und seine Voraussetzungen sind erfüllt. Es spricht jedoch einiges dafür, dass § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II mit dem Recht der EU nicht vereinbar ist und auf Unionsbürger wie den Antragsteller zu 1) zumindest nicht einschränkungslos anwendbar ist.

Gemäß § 2 Abs. 2 Nr.1 2. Alt des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) sind Unionsbürger freizügigkeitsberechtigt, die sich zur Arbeitssuche in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten wollen. Dabei gewährt das FreizügG/EU sogar ein unbefristetes Aufenthaltsrecht bei Arbeitsuche und verzichtet im Gegensatz zu Art. 14 Abs. 4 b Unionsbürgerrichtlinie (ABl der EU Nr. L 158 vom 30. April 2004 S 77, berichtigt in ABl Nr.L 229 vom 29. Juni 2004 S 35) auf die Anforderung der "begründeten Erfolgsaussicht" der Arbeitssuche. Ein Wegfall des Aufenthaltsrechts iS des § 2 Abs. 2 Nr.1 2. Alt. FreizügG/EU kommt danach nur dann in Betracht, wenn aufgrund objektiver Umstände davon auszugehen ist, dass der Unionsbürger in Wirklichkeit keinerlei ernsthafte Absichten verfolgt, eine Beschäftigung aufzunehmen (vgl Bayrischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 16. Januar 2009 – 19 C 08.3271, juris RdNr. 6 f mwN). Der Antragsteller zu 1) ist nach seinem glaubhaften Vortrag um die Aufnahme einer Beschäftigung bemüht und hat mit der Einholung der Arbeitsberechtigung/ EU die entsprechende Voraussetzung geschaffen.

Ihm steht auch kein die Anwendbarkeit des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ausschließendes Aufenthaltsrecht zu, da er weder aktuell als Arbeitnehmer beschäftigt oder als Selbständiger tätig ist, noch dies in der Vergangenheit zeitnah und in einem Umfang war, dass die Beschäftigung oder Tätigkeit noch ein Aufenthaltsrecht vermitteln könnte. Falls der Antragsteller zu 1) durch die ca 1 ½ Monate dauernde Beschäftigung bei der Fa. E bis zum 20. Juli 2008 ein Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmer erworben haben sollte (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 1. Alt. FreizügG/EU, vgl zu den Anforderungen, die an die Erlangung des Arbeitnehmerstatus zu stellen sind, Senatsbeschluss vom 08. Juni 2009 – L 10 AS 617/09 B ER, juris RdNr. 4 f mwN), kann dieses – da die Beschäftigung weniger als ein Jahr andauerte – höchstens für die Dauer von sechs Monaten fortbestanden haben (§ 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU) und ist damit jedenfalls Anfang 2009 erloschen. Für den Antragsteller zu 1) ergibt sich auch aus seiner selbständigen Tätigkeit als Schrottsammler und -händler ab September 2008 kein Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU. Falls der Antragsteller zu 1) aufgrund dieser Tätigkeit niedergelassener selbständiger Erwerbstätiger iS der Bestimmung gewesen sein sollte, hat er diesen Status mit Ende der Tätigkeit – insoweit hat er sich im Erörterungstermin glaubhaft dahingehend eingelassen, dass die Tätigkeit nicht über die Gewerbeabmeldung in Juni 2009 hinaus fortgesetzt worden ist – eingebüßt. Die Voraussetzungen für den Fortbestand eines damals möglicherweise begründet gewesenen Aufenthaltsrechts nach § 2 Abs. 3 Satz 1 FreizügG/EU haben nicht vorgelegen, da die Tätigkeit nicht gesundheitsbedingt aufgegeben wurde (Satz 1 Nr. 1) und vor ihrem Ende – auf das der Antragsteller zu 1) keinen Einfluss gehabt haben dürfte – nicht die Dauer von einem Jahr gehabt hatte (Satz 1 Nr. 2). Der Fortdauertatbestand nach Abs. 3 Satz 2 betrifft nur kurzfristige abhängige Beschäftigungen; er wäre auch bei einer Übertragung auf selbständige Tätigkeiten von seiner zeitlichen Reichweite – ein halbes Jahr – nicht ausreichend, für den Antragsteller zu 1) ein von der Arbeitssuche unabhängiges Aufenthaltsrecht zu begründen.

Aufgrund seiner aktuellen Tätigkeit als Pfandflaschensammler – was die Angaben dazu angeht, war der Antragsteller zu 1) nach seinem Aussageverhalten glaubwürdig und seine Bekundung auch in Ansehung der Plausibilität des geschilderten Sachverhaltes glaubhaft – vermag der Senat den Antragsteller zu 1) nicht als "niedergelassenen selbständig Erwerbstätigen" iSv § 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU anzusehen. Dies liegt nicht im Umfang und in der wirtschaftlichen Bedeutung dieser Tätigkeit begründet, die zum Lebensunterhalt der Familie oder auch nur des Antragstellers zu 1) nicht ausreicht, denn insoweit dürften rechtlich – wie bei abhängiger Beschäftigung (dazu ausführlich Senatsbeschluss vom 08. Juli 2009 aaO, juris RdNr. 4) – nur relativ geringe Ansprüche zu stellen sein (von der Gleichbehandlung abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit insoweit ausgehend: Oberverwaltungsgericht <OVG> der Freien Hansestadt Bremen, Beschluss vom 21. Juni 2010 – 1 B 137/10, juris RdNr. 11, vgl auch Senatsbeschluss vom 13. Juli 2010 – L 10 AS 1091/10 B ER, juris). Der Antragsteller zu 1) übt aber nach dem derzeitigen Erkenntnisstand eine reine Sammeltätigkeit aus, die als solche bereits begrifflich keine selbständige Erwerbstätigkeit iS von § 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU bzw der gemeinschaftsrechtlichen Niederlassungsfreiheit (Art. 49 <vormals Art. 43> des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, konsolidierte Fassung der Verträge über die Europäische Union und des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union, Amtsbl Nr. C 83 v 30. März 2010 <EGV>) ist. Insoweit ist es erforderlich, dass mit der Tätigkeit ein Erwerbszweck in der Weise verfolgt wird, dass die Tätigkeit entgeltlich erbracht wird und eine Teilnahme am Wirtschaftsleben darstellt (OVG der Freien Hansestadt Bremen aaO, RdNr. 7 – dort bejaht für Reinigungstätigkeit). Mit diesem eine Teilhabe am Wirtschaftsleben begründenden Tun muss wirtschaftlicher Güteraustausch angestrebt werden, der auch ideelle Güter oder Dienstleistungen betreffen kann (Hessisches Landessozialgericht <LSG>, Beschluss vom 14. Oktober 2009 – L 7 AS 166/09 B ER, juris, RdNr. 24 – abgelehnt für den Verkauf von Obdachlosenzeitungen); für die Belange des Steuerrechts ist insoweit formuliert, dass sich der Tätigwerdende mit seiner Verkaufsabsicht an den allgemeinen Markt wenden muss, in der Weise, dass er eigene Leistungen gegen Entgelt an den Markt bringt, wobei es sich bei seinem Tätigwerden um eine Tätigkeit handeln muss, die unmittelbar dem Leistungsaustausch dient (Bundesfinanzhof, Urteil vom 06. Juni 1973 – I R 203/71, juris RdNr. 13 – abgelehnt für das Einsammeln von Coca-Cola-Flaschen in einem Kino). Die Tätigkeit des Antragstellers zu 1) ist nicht auf die Erbringung von Dienstleistungen gegenüber Dritten auf vertraglicher Basis gerichtet. Er bietet nicht auf eigenes Risiko seine Arbeitskraft bzw eine auf dieser basierende Dienstleistung gegenüber beliebigen Dritten zu auszuhandelnden Bedingungen an, sondern setzt seine Arbeitskraft unter Ausnutzung der Regelungen und Marktbedingungen des Getränkepfandes ein. Soweit bei der Pfandrückgabe Ansprüche entstehen und Umsätze getätigt werden, sind diese nicht Frucht der Teilnahme des Antragstellers zu 1) am Wirtschaftsverkehr. Der Antragsteller zu 1) bedient sich vielmehr nur einer durch das Pfandsystem garantierten Einnahmemöglichkeit, wobei ein auf Aneignung, nicht aber ein auf Gewinnerzielung durch Güteraustausch gerichtetes Tun zu Grunde liegt.

Da das Aufenthaltsrecht des Antragstellers zu 1) damit "nur" auf § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU beruht – er hält sich zum Zwecke der Arbeitssuche in Berlin auf – trifft die Ausschlussnorm des § 7 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB II tatbestandlich auf ihn zu. Dennoch ist hier eine Folgenabwägung bezüglich der Leistungsgewährung vorzunehmen, denn die Wirksamkeit des Ausschlusses steht nicht mit hinreichender Sicherheit fest. Zur Frage, ob die in § 7 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB II getroffene Regelung Bestand hat oder mit dem Recht der Europäischen Union – konkret der Arbeitnehmerfreizügigkeit – unvereinbar ist, hat der Senat in einem tragend aus anderen Erwägungen entschiedenen Verfahren (Urteil vom 11. November 2009 – L 10 AS 1801/09, juris; Revision anhängig Bundessozialgericht <BSG> B 14 AS 23/10 R) Folgendes ausgeführt:

"Ob der in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II durch Bundesgesetz bestimmte Ausschlusstatbestand vollen Bestand hat oder ob er als (ggf teilweise) nicht europarechtskonform Grundsicherungsleistungen ganz oder teilweise nicht auszuschließen vermag, wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung und im Schrifttum unterschiedlich beurteilt (zum Meinungsstand: Hailbronner, ZFSH/SGB 2009, 195, 199ff). Eine klare Positionierung, ähnlich der hier vom SG vertretenen Auffassung, findet sich etwa im Beschluss des Landessozialgerichts <LSG> Berlin-Brandenburg vom 08. Juni 2009 – L 34 AS 790/09 B ER (juris RdNr. 5ff). Danach setzt der Ausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II, soweit er "solche Leistungen … betrifft, die nicht den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern, sondern den Lebensunterhalt sichern sollen" (was für die Leistung nach § 20 Abs. 1 SGB II im Gegensatz zu den Leistungen nach dem 3. Kap. 1. Abschnitt des SGB II der Fall sei), national die nach Art. 24 Abs. 2 Unionsbürgerrichtlinie ausdrücklich erlaubten Begrenzungen um. Art. 24 Abs. 2 Unionsbürgerrichtlinie verstoße nicht gegen höherrangiges Gemeinschaftsrecht. Art. 39 Abs. 2 EGV <= Art. 45 EGV aktueller Fassung> sei nicht verletzt, solange keine Beschränkung von Leistungen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen, vorgenommen werde, zudem könne es an einer hinreichenden Verbindung zum Arbeitsmarkt des Aufenthaltsstaates fehlen. Art. 12 EGV begünstige nur EU-Bürger mit einer Aufenthaltserlaubnis oder einem Daueraufenthaltsrecht iS von § 2 Abs. 2 Nr. 7 FreizügG/EU. Diese Rechtsprechung sieht sich mit dem Urteil des EuGH vom 04. Juni 2009 (aaO < Europäischer Gerichtshof – EuG –, Urteil vom 04. Juni 2009, verbundene Rechtssachen C–22/08 und C–23/08, Vatsouras und Koupatantze ./. Arbeitsgemeinschaft – ARGE – Nürnberg 900, juris>) in Einklang, soweit dort ausgeführt wird, der Ausschluss des "Anspruchs auf Sozialhilfe" (Art. 24 Abs. 2 Unionsbürgerrichtlinie) verstoße nicht gegen europäisches Primärrecht. Die so zu umreißende Auffassung ist nur dann tragfähig, wenn die zumeist nicht ausdrücklich problematisierte Voraussetzung zutrifft, dass der Leistungskatalog des SGB II in solche Leistungen, die als Sozialhilfe zu betrachten sind, und andere (solche, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen) aufgespalten und in der Folge bzgl der Frage eines europarechtlich wirksamen Ausschlusses unterschiedlich beurteilt werden kann. Eben dies wird bestritten (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. April 2007 – L 19 B 116/07 AS ER, juris RdNr. 27; Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, RdNr. 18 zu § 7), wobei (ebenfalls) eine die postulierte Zielvorstellung tragende Argumentation fehlt. Der EuGH (vgl aaO zu 43.), dem die Auslegung nationalen Rechts auch nicht obliegt, hat nur aufgezeigt, dass es als Hinweis darauf angesehen werden könne, dass die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende Leistungen seien, den Zugang zur Beschäftigung erleichtern sollen, wenn vorgesehen ist, dass der Berechtigte erwerbsfähig sein müsse".

Der danach naheliegende Befund, dass die zwingende, methodisch unanfechtbare Herleitung eines bestimmten Ergebnisses zur Wirksamkeit des Leistungsausschlusses in § 7 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB II für arbeitssuchende EU-Staatsbürger kaum möglich ist, findet Bestätigung darin, dass eine nur noch schwer zu übersehende Fülle von Entscheidungen der Landessozialgerichte in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes und Äußerungen im Schrifttum vorliegen, in denen die Frage mit uneinheitlichen Begründungen teils bejaht wird (etwa LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. Dezember 2009 – L 34 AS 1350/09 B ER, LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 29. September 2009 – L 15 AS 905/09 B ER und Hessisches LSG, Beschluss vom 14. Oktober 2009 – L 7 AS 166/09 B ER) vielfach aber auch mit der Konsequenz einer (dann zumeist positiv getroffenen Folgenabwägung) nachdrücklich bezweifelt wird (etwa LSG NRW, Beschluss vom 17. Februar 2010 – L 19 B 392/09 AS ER und Beschluss vom 26. Februar 2010 – L 6 B 154/09 AS ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11. Januar 2010 – L 25 AS 1831/09 B ER, LSG Bayern, Beschluss vom 04. Mai 2009 – L 16 AS 130/09 B ER; LSG Baden- Württemberg, Beschluss vom 25. August 2010 – L 7 AS 3769/10 ER-B; aus dem Schrifttum: Valgolio in Hauck/Noftz, § 7 SGB II, RdNr. 30; Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 7 RdNr. 17).

In Anbetracht dieser Situation erachtet es der Senat (ohne aufzugeben, dass dieser Entscheidungsmodus für Eilverfahren regelmäßig durch tatsächliche Unwägbarkeiten ausgelöst wird, während Rechtsfragen zu entscheiden sind) als angemessen, eine Entscheidung aufgrund einer Folgenabwägung zu treffen. Denn wenn eine vereinheitlichende höchstrichterliche Entscheidung aussteht und die ausgetauschten Argumente die entscheidende Fragestellung im Ergebnis nur als offen kennzeichnen, besteht letztlich die vom BVerfG als maßgeblich erachtete "mögliche Rechtsverletzung", wenn auch im Hinblick darauf, dass keine Rechtsklarheit herrscht. Eine Regelung aufgrund einer Folgenabwägung trägt der hier festzustellenden "Pattsituation der Auffassungen" insbesondere deshalb sachgerecht Rechnung, weil sie zuständigkeitsbedingten Zufälligkeiten entgegenwirkt und weil von weiteren Einzelfallentscheidungen Auswirkungen auf Verwaltungspraxis oder den Diskussionsstand in Rechtsprechung und Schrifttum nicht mehr zu erwarten sind.

Damit hängt es von der Folgenabwägung ab, ob Leistungen vorläufig zuzusprechen sind. Diese ist für den Antragsteller zu 1) und die mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Antragsteller zu 2) bis 4) – dazu § 7 Abs. 3 Nr. 4 und 4 SGB II – vorzunehmen, die nach § 3 Abs. 1 Satz 1 iVm Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU als Ehegattin – Antragstellerin zu 2) – bzw als Töchter – Antragstellerinnen zu 3) und 4) – am aufenthaltsrechtlichen Status des Antragstellers zu 1) teilhaben, so dass es für die Antragstellerin zu 2) keiner Prüfung bedarf, ob sie für ihre Person auch arbeitssuchend ist.

Die Folgenabwägung ist hier zugunsten der Antragsteller zu treffen, denen zurzeit kein hinreichendes eigenes Einkommen oder Vermögen zur Verfügung steht, um elementare Bedürfnisse zu befriedigen. Einer möglichen Rechtsverletzung der Antragsteller (gegeben für den Fall, dass ihnen ein Leistungsanspruch zusteht) stehen, abgesehen vom Ausfallrisiko im Rückforderungsfalle, keine darstellbaren Interessen der Antragsgegnerin gegenüber. Allein der fiskalische Gesichtspunkt überwiegt die grundrechtlich gestützte Position der Antragsteller nicht. Der Senat kann dabei offen lassen, in welchen Fallgruppen und mit welchem Gewicht er ggf die Rückkehrmöglichkeit ins Heimatland in die Folgenabwägung einbezieht. Hier drängen sich derartige Erwägungen auch im Hinblick auf die nicht ungünstig zu beurteilenden Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens nicht auf, da eine vorläufige Rückkehr der Antragsteller nach Bulgarien im Hinblick auf die kontinuierlichen Bemühungen des Antragstellers zu 1) um die Sicherung des Lebensunterhaltes, die Dauer des Aufenthalts, den Schulbesuch der Antragstellerinnen zu 3) und 4) und die Struktur der Bedarfsgemeinschaft nicht zumutbar erscheint. [...]