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Zitieren als:
BAMF, Bescheid vom 11.08.2011 - 5477068-423 - asyl.net: M18878
https://www.asyl.net/rsdb/M18878
Leitsatz:

1. Flüchtlingsanerkennung eines 24-jährigen Afghanen tadschikischer Volkszugehörigkeit, der zuvor als Polizist am Kabuler Flughafen tätig war, wegen Verfolgungsgefahr durch die Taliban.

2. Keine Asylanerkennung wegen Einreise über den sicheren Drittstaat Griechenland nach Selbsteintritt im Dublin-Verfahren.

Schlagwörter: Flüchtlingsanerkennung, Afghanistan, Griechenland, sichere Drittstaaten, Asylanerkennung, Dublin II-VO, Dublinverfahren, Selbsteintritt
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1, GG Art. 16a Abs. 2, AsylVfG § 26a Abs. 1 S. 3
Auszüge:

[...]

Der Antragsteller, afghanischer Staatsangehöriger, tadschikischer Volkszugehörigkeit und moslemischen (sunnitischen) Glaubens, reiste eigenen Angaben zufolge auf dem Landweg von Griechenland kommend spätestens am 16.03.2011 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte am 30.03.2011 seine Anerkennung als Asylberechtigter. [...]

Zu seinem Reiseweg gab der Antragsteller an, er habe vor mehr als fünf Monaten Afghanistan verlassen und sei über den Iran und die Türkei nach Griechenland gereist. Dort habe er sich etwa drei Monate aufgehalten und sei anschließend auf dem Landweg am Tag des Aufgriffs durch die deutsche Polizei (16.03.2011) in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. [...]

Mit dem Asylantrag begehrt der Ausländer gemäß § 13 Abs. 2 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) sowohl die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) als auch die Anerkennung als Asylberechtigter gemäß Art. 16a Abs. 1 Grundgesetz (GG), da der Asylantrag insoweit nicht beschränkt wurde.

1. Der Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter gemäß Art. 16a Abs. 1 GG wird abgelehnt.

Die Berufung auf das Asylgrundrecht ist gemäß Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG für Asylbewerber ausgeschlossen, die aus einem Mitgliedsstaat der Europäischen Gemeinschaft oder aus einem der durch Gesetz bestimmten (Art. 16a Abs. 2 Satz 2 GG i.V.m. § 26a AsylVfG und Anlage 1 zum AsylVfG) anderen sicheren Drittstaaten in die Bundesrepublik Deutschland einreisen (sog. Drittstaatenregelung).

Für die Beurteilung, ob die Einreise über einen solchen sicheren Drittstaat erfolgte, ist vom tatsächlichen Reiseverlauf auszugehen. Wenn feststeht, dass der Asylbewerber nur über einen sicheren Drittstaat in das Bundesgebiet eingereist sein kann, muss dabei nicht geklärt sein, um welchen Drittstaat es sich hierbei handelt. Da nach der derzeit geltenden Rechtslage (Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG und Anlage 1 zu § 26a AsylVfG) alle an die Bundesrepublik Deutschland angrenzenden Staaten sichere Drittstaaten sind, ist ein auf dem Landweg einreisender Asylbewerber von der Berufung auf Art. 16a Abs. 1 GG ausgeschlossen, auch wenn sein Reiseweg nicht im Einzelnen bekannt ist (BVerfG, Urteil vom 14.05.1996, BVerfGE 94, 49).

Da der Antragsteller nach eigenen Angaben über Griechenland, einem sicheren Drittstaat im Sinne des Art. 16a Abs. 2 GG, eingereist ist, kann er sich nicht auf das Asylrecht berufen.

Die Ausnahmen des § 26a Abs. 1 Satz 3 AsylVfG liegen nicht vor.

2. Dem Antrag wird entsprochen; die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft liegen vor. [...]

Aufgrund des von ihm geschilderten Sachverhaltes und der hier vorliegenden Erkenntnisse ist davon auszugehen, dass die Furcht des Ausländers, im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan zum gegenwärtigen Zeitpunkt Verfolgungsmaßnahmen i.S. von § 60 Abs. 1 AufenthG ausgesetzt zu sein, begründet ist. [...]