OVG Nordrhein-Westfalen

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Zitieren als:
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 02.05.2011 - 14 A 958/11.A - asyl.net: M18909
https://www.asyl.net/rsdb/M18909
Leitsatz:

Schon vom Ansatz her kann aus dem Umstand gewaltsamer politischer Unruhen in Syrien nicht auf eine allgemein erhöhte Gefahr für Rückkehrer, auch nicht für Kurden, geschlossen werden. Innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und andere ähnliche Handlungen reichen für die Annahme eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Sinne von § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG nicht aus. Es fehlt am notwendigen Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit, dass die Zivilbevölkerung erheblich in Mitleidenschaft geführt wird. Selbst bei Annahme eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts fehlt es aber an einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib und Leben des Klägers im Falle einer Rückkehr.

Schlagwörter: Abschiebungsverbot, Syrien, Berufungszulassungsantrag, Rückkehrgefährdung, innerstaatlicher bewaffneter Konflikt, Kurden, erhebliche individuelle Gefahr, Gefährdungsdichte,
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7 S. 2
Auszüge:

[...]

Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen oder bereits nicht hinreichend dargelegt im Sinne des § 78 Abs. 4 Satz 4 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) sind. [...]

Nach diesen Maßstäben kommt den aufgeworfenen Fragen grundsätzliche Bedeutung nicht zu. Die Frage "Müssen Abgeschobene nach ihrer Rückkehr nach Syrien im Hinblick auf das in der jüngeren Vergangenheit gezeigte Verhalten der syrischen Behörden nunmehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine menschenrechtswidrige Behandlung befürchten?" ist nicht klärungsbedürftig. Nach der Rechtsprechung des Senats ist sie nämlich im verneinenden Sinne geklärt (vgl. zuletzt OVG NRW, Beschluss vom 9. Februar 2011 - 14 A 65/11 -, NRWE Rn. 5 ff.).

Die Antragsbegründung gibt keinen Anlass, erneut in eine Prüfung der geklärten Frage einzutreten. Sie problematisiert allein die jüngst feststellbaren gewaltsamen Reaktionen des syrischen Staates gegen politisches Aufbegehren. Dafür, dass - unbeschadet irrelevanter exilpolitischer Routinebetätigungen - unpolitische Rückkehrer wie der Kläger deshalb einer erhöhten Gefahr politischer Verfolgung ausgesetzt wären, werden Erkenntnisse nicht benannt und sind auch sonst nicht erkennbar, insbesondere nicht aus der mitgeteilten Entscheidung des Verwaltungsgerichts Regensburg. Schon vom Ansatz her kann aus dem Umstand gewaltsamer politischer Unruhen nicht auf eine allgemein erhöhte Gefahr für Rückkehrer, auch nicht für Kurden, geschlossen werden.

Auch die weiter aufgeworfene Frage, Liegt in Syrien ein innerstaatlicher Konflikt vor, der zu einem Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG führt?" ist nicht klärungsbedürftig, da sie auch ohne Durchführung eines Berufungsverfahrens ohne Weiteres zu verneinen ist. Das gilt zum einen schon deshalb, weil weder nach den dem Senat aus allgemein zugänglichen Quellen vorliegenden Erkenntnissen noch nach dem Vortrag des Klägers die momentanen Unruhen in Syrien als innerstaatlicher bewaffneter Konflikt eingestuft werden können. Dafür reichen innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und andere ähnliche Handlungen, wie sie das Geschehen zur Zeit kennzeichnen und vom Kläger auch nicht anderweitig dargestellt werden, nicht aus. Ein bewaffneter Konflikt zwischen den Sicherheitskräften Syriens und abtrünnigen Bewaffneten oder anderen organisierten Gruppen, die unter einer verantwortlichen Führung eine solche Kontrolle über einen Teil des Hoheitsgebietes des Staates ausüben, dass sie anhaltende, koordinierte Kampfhandlungen durchführen, und damit ein klassischer innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) liegt sicher nicht vor. Aber auch ein niedrigschwelliger innerstaatlicher bewaffneter Konflikt kann nicht konstatiert werden, da es am notwendigen Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit fehlt. Die oppositionellen Kräfte sind nicht in der Lage, anhaltende und koordinierte Kampfhandlungen von solcher Intensität und Dauerhaftigkeit durchzuführen, dass die Zivilbevölkerung davon erheblich in Mitleidenschaft gezogen wird (vgl. zu den Merkmalen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, BVerwGE 136, 360 Rn. 23).

Zu diesen Erfordernissen führt der Kläger nichts weiter aus, sondern beschränkt sich auf die Mitteilung über einzelne gewalttätige Unruhen.

Selbst bei Annahme eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Sinne der Vorschrift fehlt es aber für das mit der Frage aufgeworfenen Abschiebungsverbot auch noch am Merkmal, dass der Kläger einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib und Leben ausgesetzt ist (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG). Dafür gibt es in Bezug auf den Kläger keinerlei Anhaltspunkte. Solche werden auch nicht vorgetragen. [...]