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VG Stuttgart

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Zitieren als:
VG Stuttgart, Beschluss vom 21.07.2011 - 12 K 690/11 - asyl.net: M18951
https://www.asyl.net/rsdb/M18951
Leitsatz:

Die Möglichkeit, Duldungsbescheinigungen und andere Dokumente mit dem Zusatz "Personalangaben beruhen auf den eigenen Angaben des Ausländers" zu versehen, wurde durch das Gesetz zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus 2002 in das damalige Aufenthaltsgesetz eingefügt und diente der Umsetzung der Resolution 1373/2001 des UN-Sicherheitsrates vom 28.9.2001. Daraus ergibt sich hinreichend in Abwägung mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung, dass ein Verwender unterschiedlicher Namen ohne eindeutige Identitätspapiere keinen Anspruch auf die Verwendung nur seines aktuell angegebenen Namens hat, sondern die Aufführung aller bisherigen Namen geboten ist.

Schlagwörter: Duldung, Personalangaben, Identitätsfeststellung, Nigeria, Leistungsklage,
Normen: AufenthG § 78 Abs. 7, AufenthG § 78 Abs. 6, AufenthG § 60a
Auszüge:

[...]

1. Billigem Ermessen entspricht es hier, die Kosten des Verfahrens dem Kläger aufzuerlegen.

Denn zunächst ist kein Nachgeben des Beklagten bei unveränderter Sachlage erkennbar, welches es erfordert hätte, diesem die gesamten Kosten des Verfahrens aufzuerlegen (vgl. dazu nur BVerwG, Beschl. v. 26.11.1991, NVwZ 1992, 787). Mit seinem Antrag verfolgte der Kläger Korrekturen bei den Angaben "in seiner Duldung", richtiger wohl, in seiner Duldungsbescheinigung (vgl. § 78 Abs. 7 Satz 1 1. Var. u. Satz 3 i.V.m. Abs. 6, insbes. Nr. 10 AufenthG). Während des anhängigen Verfahrens entstand jedoch eine veränderte Sachlage, als der Kläger einen nigerianischen Nationalpass vorlegte, was der Beklagte schon lange zuvor für die gewünschte Änderung der Namensangabe und der Streichung des Zusatzes "die Personalangaben beruhen auf den eigenen Angaben des Inhabers" gefordert hatte.

Damit ist auf die Erfolgsaussichten der Klage vor Abgabe des nigerianischen Nationalpasses abzustellen (vgl. zum insoweit maßgeblichen Zeitpunkt bei einer Änderung der Sachlage zugunsten des Klägers und rascher Reaktion des Beklagten VG Ansbach, Beschl. v. 1.9.2008 - AN 19 K 07.03311 - <juris>). Zu diesem Zeitpunkt hätte die Klage keinen Erfolg gehabt.

Sie wäre vermutlich als Leistungsklage auszulegen gewesen (so VG Stuttgart, Urt. v. 24.5.2011 - 12 K 4853/10 - zur Änderung der Personalangaben in einem Reiseausweis für Flüchtlinge; offengelassen VG Lüneburg, Urt. v. 15.8.2008 - 1 A 23/07 - <juris> zur Änderung der Personalangaben in einer Bescheinigung über eine Aufenthaltsgestattung). Doch hätte der Kläger keinen Anspruch auf die beiden von ihm begehrten Änderungen (Auswechslung des Namens, Streichung des Zusatzes "beruhen auf den eigenen Angaben des Inhabers") gehabt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO entspr.).

Zwar ist davon auszugehen, dass er einen durch sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung geformten Anspruch auf Führung seiner Personalien hat, der von den Behörden entsprechend ihrer Bindung an das Grundgesetz zu achten und zu respektieren ist. Wie sich aus § 78 Abs. 6 Nr. 10 i.V.m. Abs. 7 AufenthG ergibt, haben Ausländerbehörden ihnen genannte Personalien hinzunehmen, aber bei fehlender Verifizierung einen ergänzenden Zusatz auf den ausgestellten Papieren oder Bescheinigungen anzubringen (vgl. VG Stuttgart, Beschl. v. 1.6.2011 - 2 K 807/11 -; VG Lüneburg, Urt. v. 15.08.2008, a.a.O.). Doch aus dem vom Klägervertreter häufig zitierten Gesetz zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus folgt gerade nicht, dass der Passus "beruhen auf den eigenen Angaben des Inhabers" nur mit dessen aktuellen Angaben kombiniert werden darf (dazu a)) und die vom Kläger vor der Vorlage seines Nationalpasses vorgelegten Dokumente reichten nicht aus, etwas anderes zu bewirken (dazu b)).

a) Die Option, Duldungsbescheinigungen und andere Dokumente mit dem Zusatz "Personalangaben beruhen auf den eigenen Angaben des Ausländers" zu versehen, wurde durch das Gesetz zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus in das damalige Ausländergesetz eingefügt (BGBl. I 2002, 361, 369). Das diente der Umsetzung der Resolution 1373/2001 des UN-Sicherheitsrates vom 28.9.2001. Nach deren Ziffer 2 g sollten alle Staaten "measures for preventing counterfeiting, forgery oder fraudulent use of identity papers and travel documents" ergreifen. Daraus ergibt sich hinreichend deutlich, dass ein Verwender unterschiedlicher Namen ohne eindeutige Identitätspapiere - wie der Kläger - keinen Anspruch auf die Verwendung nur seines aktuell angegebenen Namens hat, sondern die Aufführung aller bisherigen Namen geboten ist.

b) Etwas anderes ergab sich auch nicht aus den zwischenzeitlich vom Kläger vorgelegten Dokumenten oder Kopien von Dokumenten aus Nigeria. Sie waren nicht geeignet, einen eindeutigen Nachweis seiner Identität zu erbringen (vgl. zu den Anforderungen VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 14.7.2011 - 11 S 1797/11 -). Denn für Nigerianer ist es vergleichsweise einfach, auch im Bundesgebiet einen Nationalpass zu erhalten (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Nigeria, Stand Feb. 2011, S. 26). Deswegen wirkt es unglaubwürdig, wenn zahlreiche angebliche Originaldokumente aus der Heimat vorgelegt werden, aber eine Passausstellung mit diesen nicht möglich ist.

2. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Bevollmächtigten ist abzulehnen. Das gilt schon mangels Glaubhaftmachung, dass die Kosten der Prozessführung nicht aufgebracht werden können (vgl. § 166 VwGO i.V.m. §§ 115 und 117 Abs. 2 und 4 ZPO).

3. Der Streitwert ist nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 1 u. 2 GKG festzusetzen und nach dem Interesse des Klägers an der Sache bemessen. Verfahrensgegenstand ist nicht "die Duldung" oder eine Nebenbestimmung zu ihr, sondern sind Ausgestaltungen der Duldungsbescheinigung, so dass nur ein Viertel des Auffangwerts angezeigt erscheint (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 28.6.2011 - 11 S 1840/11 -, wonach der Streitwert bei einem Verfahren um Angaben im Flüchtlingsausweis nur 1.000 EUR beträgt).