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Zitieren als:
BGH, Beschluss vom 12.05.2011 - V ZB 189/10 - asyl.net: M18961
https://www.asyl.net/rsdb/M18961
Leitsatz:

Ein Betroffener, gegen den öffentliche Klage erhoben oder ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, darf ohne Einvernehmen mit der Staatsanwaltschaft nicht abgeschoben werden. Fehlt das Einvernehmen scheidet die Anordnung der Haft zur Sicherung der Abschiebung aus. Fehlen in dem Haftantrag Ausführungen zu dem Einvernehmen, ist der Antrag unzulässig.

Schlagwörter: Beschwerde, Einvernehmen der Staatsanwaltschaft zur Abschiebung
Normen: AufenthG § 72 Abs. 4 S. 1
Auszüge:

[...]

1. Der Betroffene ist durch die Entscheidungen der Vorinstanzen schon deshalb in seinen Rechten verletzt, weil ein Ausländer, gegen den öffentliche Klage erhoben oder ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, nach § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG nur im Einvernehmen mit der zuständigen Staatsanwaltschaft abgeschoben werden darf. Fehlt dieses Einvernehmen, scheidet die Anordnung der Haft zur Sicherung der Abschiebung eines Ausländers aus; der Verfahrensmangel kann selbst durch eine spätere Beibringung des Einvernehmens nicht rückwirkend geheilt werden (vgl. Senat, Beschluss vom 3. Mai 2011 - V ZA 10/11, zur Veröffentlichung vorgesehen). Fehlen in dem Haftantrag – was von Amts wegen zu prüfen ist – Ausführungen zu dem Einvernehmen, obwohl sich aus ihm selbst oder aus den ihm beigefügten Unterlagen ohne weiteres ergibt, dass die öffentliche Klage oder ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren anhängig ist, ist der Antrag unzulässig (siehe nur Senat, Beschlüsse vom 10. Februar 2011 – V ZB 49/10, Rn. 6, juris; vom 20. Januar 2011 – V ZB 226/10, Rn. 9, juris). Im Übrigen ist die Verletzung von § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG im Rechtsbeschwerdeverfahren nur auf entsprechende Rüge zu berücksichtigen. Dabei ist es für die Verletzung der genannten Rechtsnorm unerheblich, ob schon der Haftrichter Anhaltspunkte für eine diesbezügliche Prüfung hatte und ob es die den Antrag stellende Behörde pflichtwidrig unterlassen hat, in dem Haftantrag auf das schwebende Ermittlungsverfahren hinzuweisen und – was in einem solchen Fall ebenfalls erforderlich gewesen wäre – die Erteilung des Einvernehmens in dem Antrag darzulegen (vgl. Senat, Beschluss vom 20. Januar 2011 - V ZB 226/10, Rn. 8 f., zur Veröffentlichung bestimmt). Da das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft eine essentielle Haftvoraussetzung darstellt, kommt es insoweit allein auf die objektive Rechtslage an. [...]