Ein - nachrangig zu prüfendes - nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG kommt nur dann in Betracht, wenn kein internationaler Schutz nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG gewährt wird, weil andernfalls keine durch analoge Anwendung des Satzes 1 zu schließende Schutzlücke besteht.
(Amtlicher Leitsatz)
[...]
Das angefochtene Urteil divergiert jedoch in der im Zulassungsantrag hinreichend dargelegten Weise entscheidungserheblich zu dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Juni 1010 – 10 C 10.09 –, NVwZ 2011, 48 = juris), in dem Folgendes ausgeführt worden ist (juris Rn. 11 f.):
"Indem das Berufungsgericht dem Kläger Abschiebungsschutz nach nationalem Recht in verfassungskonformer Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG zugesprochen hat, ohne das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG rechtsfehlerfrei zu prüfen und auszuschließen, hat es auch die in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Voraussetzungen für die verfassungskonforme Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG in Fällen einer allgemeinen Gefahr verkannt. Auch insofern ist das Berufungsurteil nicht mit Bundesrecht vereinbar.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG sind Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens sechs Monate ausgesetzt wird. Eine derartige Abschiebestopp-Anordnung besteht für die Personengruppe, der der Kläger angehört, nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht (mehr). Mit seinem Hinweis auf die unzureichende Versorgungslage in Afghanistan, die für Rückkehrer ohne Berufsausbildung und familiäre Unterstützung besteht, macht der Kläger allgemeine Gefahren geltend, die aufgrund der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG grundsätzlich nicht rechtfertigen können. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann diese Sperrwirkung nur dann im Wege einer verfassungskonformen Auslegung eingeschränkt werden, wenn für den Schutzsuchenden ansonsten eine verfassungswidrige Schutzlücke besteht (vgl. Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - a.a.O. Rn. 32 m.w.N.). Eine Schutzlücke besteht für den Kläger indes nicht, falls er die Feststellung eines unionsrechtlichen Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG beanspruchen kann (vgl. hierzu nochmals Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - a.a.O. Rn. 32 m.w.N.) …"
Indem das Verwaltungsgericht dem Kläger neben einem Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG auch ein solches nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG zugesprochen hat, ist es von den in den letzten beiden zitierten Sätzen dieses Urteils formulierten Rechtssätzen abgewichen, worauf die angegriffene Entscheidung insoweit auch beruht, weil die Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbots (auch) nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG im Tenor des erstinstanzlichen Urteils ausgesprochen und nicht lediglich in der Form eines obiter dictum in den Entscheidungsgründen erwogen worden ist. [...]